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Alle unter einem Dach Viele Unternehmen und Organisationen haben inzwischen erkannt, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit ein »Mehrwert« sein können.

Die Vielfalt sind wir

Schwerpunkt

Unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger, die Norm wird zur Ausnahme. Die Interessen von »Minderheiten« zu vertreten liegt im Interesse aller.

Unsere Gesellschaft ist zunehmend pluralistisch. Die Frage von Mehrfachidentitäten steht im Raum. Einem gesellschaftlichen Raum, der den vielfältigen »Wirklichkeiten« der Menschen nicht Rechnung trägt. Die Langzeitstudie »Deutsche Zustände« berichtet von steigenden Feindseligkeiten gegenüber sogenannten Minderheiten. Orientierungslosigkeit und Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg sind die Ursache. Aggressionen gegen vermeintlich Schwächere gehen nicht mehr von »den Rändern« der Gesellschaft, sondern von ihrer Mitte aus. Jeder Wahlkampf in Österreich zeigt deutlich, welch dumpfe Ressentiments sich auch hierzulande schüren lassen. Die Liste menschenverachtender Bilder, die von »Verantwortungsträgern« verbreitet werden, ist lang. Da braucht es Bilder, und seien sie vielleicht ein wenig klischeehaft, die dem entgegenwirken.

Wir sind bunt

»Arbeitnehmerinnen mit Kopftuch, Arbeitnehmer mit Gebetsketten gehören zum Alltag«, hieß es in einer Zusammenfassung von drei Fokusgruppen von BetriebsrätInnen des ÖGB 2005 zum Thema »Migration - MigrantInnen und Gewerkschaft«. Eine große Zahl der Beschäftigten in der Baubranche, im Gastgewerbe, beim Reinigungspersonal und in vielen anderen Sparten sprechen nicht Deutsch als Muttersprache. »BetriebsrätInnen müssen nicht nur die Interessen der österreichischen Beschäftigten vertreten, sondern auch die der ausländischen KollegInnen.« Dabei reiche die Forderung nach möglichst rascher Anpassung der MigrantInnen nicht aus. Auch die ÖsterreicherInnen und vor allem die ArbeitnehmerInnenvertreter müssten flexibler werden und sich neue, sogenannte »interkulturelle« Kompetenzen für geänderte Verhältnisse am Arbeitsplatz aneignen. Was tun bei Konflikten? Wie sollen sich BetriebsrätInnen verhalten? Die Einbeziehung in die Gewerkschaftsarbeit wäre ein wichtiger Schritt. Mit der GPA-Plattform work@migration gibt es nun eine Interessengemeinschaft, wo MigrantInnen eigene VertreterInnen in die Gewerkschaft wählen können. Das Netzwerk fordert eine umfassende Integrationspolitik: etwa die Harmonisierung von Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht oder das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene und in anderen Interessenvertretungen.

Juliana Hartig, »vor mehr als einem halben Jahrhundert« in Kamerun geboren, ist eine von vielen Menschen, die für die Rechte einer Minderheit eintreten, die seit langem keine mehr ist. Die diplomierte Krankenschwester ist Laienrichterin und vertritt die Interessen der MigrantInnen in der AK Oberösterreich. Denn obwohl sie bereits »mehr als die Hälfte ihres Lebens hier verbracht hat, sind ihr Enttäuschungen und Diskriminierung jeglicher Art nicht fremd.« 

Die Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt, das ist bekannt, haben sich grundlegend geändert. Mit dem demografischen Wandel hat auch eine tief greifende Veränderung in der Gesellschaft stattgefunden. Nicht zuletzt dank der EU hat es Verbesserungen im nationalen Recht gegeben, die trotz einiger Mängel den veränderten Wirklichkeiten auf gesetzlicher Ebene Rechnung tragen. 2004 trat in Österreich ein neues Gleichbehandlungsgesetz in Kraft, mit dem - wenige Tage vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist - zwei Antidiskriminierungs-Richtlinien der EU umgesetzt wurden: Niemand dürfte aufgrund seines Geschlechts, Alters, seiner ethnischen oder Religionszugehörigkeit sowie aufgrund seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden.

Schwul und lesbisch

Gesetze sind eine Sache, ihre Umsetzung eine andere. Schon Anfang der 90er-Jahre hatte Manfred Wolf, Sekretär des Geschäftsbereichs Interessenvertretung und nunmehr zuständig für Handels- und Sozialrecht eine Initiative innerhalb des ÖGB gestartet. »Das Thema sollte auch gewerkschaftsintern sichtbar gemacht werden: Sozusagen um auszuschildern, dass die Gewerkschaft die Menschen auch von dieser Seite wahrnimmt.« Heute ist die Arbeitsgemeinschaft Homosexuelle Frauen und Männer in der Gewerkschaft der Privatangestellten (AHOG), mit Manfred Wolf als Sprecher, »eine Ansprechadresse bei konkreten Fragen und im Bereich der rechtlichen Gleichstellung«. Eine spezifische Vertretung von Lesben und Schwulen in der Gewerkschaft aber gibt es - noch - nicht. »Ausgeschilderte Angebote sind aber wichtig«, betont Wolf. »Denn das Aufzeigen ist das Schwierige. Viele halten lieber Scheinwelten aufrecht, ehe sie die schwierige Phase des Coming-out auf sich nehmen. Viele kommen auch nicht auf uns zu, weil sie sich ihre sexuelle Orientierung nicht eingestehen.« Trotz aller Mängel sei das Gleichbehandlungsgesetz ein großer Fortschritt gewesen. Erstmals werden klar einklagbare Rechte formuliert. Darüber hinaus aber müssten auch andere Rechtsnormen des Arbeitsrechts und Betriebsvereinbarungen diesem Gleichheitsgrundsatz Rechnung tragen.« 

Warum eine Interessenvertretung für Schwule und Lesben, wo es Vertretungen wie die Homosexuelleninitiative (HOSI) gibt? »Es wurde mit dem Gesetz zwar der Zugang zum Recht geschaffen: Etwa bei Kündigung mit Verdacht auf Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung.« Der Zugang zum Recht aber ist noch unterentwickelt. »Es geht darum, Menschen zu ermutigen, den Rechtsweg zu beschreiten. Sie vom Leiden zum Agieren zu bringen. Das ist eine politisch organisatorische Aufgabe - auch für Gewerkschaften und Kammern.«

Weit mehr als eine Million Menschen in Österreich bezeichnen sich selbst als in irgendeiner Weise behindert: Das reicht von schweren und/oder sichtbaren Beeinträchtigungen bis hin zu chronischen Krankheiten, Burn-out oder Depressionen. »Es gelingt oft nur unter äußerst schwierigen Bedingungen, stabile Beschäftigungen in Organisationen des ersten Arbeitsmarktes zu erreichen«, meint der deutsche Systemtheoretiker Ralf Wetzel. Herbert Pichler, Leiter des Büros »Chancen-Nutzen«, tritt seit Jahren für die Rechte von Menschen mit besonderen Bedürfnissen ein. In mehr als 2.000 Betriebsbesuchen und über 300 Seminaren und Vorträgen wurden bisher VertreterInnen aus Wirtschaft und Arbeit über Themen wie Alter, Krankheit und Behinderung sensibilisiert. Ziel ist die Verbesserung der Beschäftigungssituation von älteren Personen und Menschen mit Behinderung, chronischen und/oder psychischen Krankheiten. »Es gibt weniger Vorurteile als Unsicherheit.« Spannend sei die Situation bei den vielen Betriebsbefragungen. Immer noch werde der erhöhte Kündigungsschutz als Hauptargument angeführt, Menschen mit Behinderungen nicht einzustellen. Viele hätten »Berührungsängste oder wenig Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Mit 1.1.2006 trat das neue Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Die Sozialpartner-Initiative ist eine großartige Chance, auch über die rechtliche Situation zu informieren«, meint Pichler.

Diversity Management

Viele Unternehmen und Organisationen haben inzwischen erkannt, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit ein »Mehrwert« sein können. »Diversity is not about the other - Diversity is about you«, lautet der Leitsatz. Norbert Pauser, Trainer für Managing Gender und Diversity ortet »ein mangelndes Bewusstsein für die notwendige Einbeziehung von Vielfalt«.

Toleranz und Wertschätzung

»Eine neue Kultur wäre erforderlich«, so heißt es in einem Aufsatz des Lehrbeauftragten an der Universität Wien, »die weitgehend auf die Beurteilung von Unterschieden verzichtet.« Die Regulierung der Komplexität gewinnt an Bedeutung. Führung und Management von Organisationen, Unternehmen und Gruppen nehmen im Sinn der Vorbildwirkung eine besondere Rolle ein. Denn »Toleranz und Wertschätzung sind wahrscheinlich eher eine zu erlernende Kulturtechnik, als ein dem Menschen immanentes Bedürfnis«. Wie sich an der Vielzahl von Benachteiligungen in der Arbeitswelt nachweisen lässt.

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1010 Wien, Laurenzerberg 2, Telefon 01/ 534 44-126, herbert.pichler@oegb.at

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zur Plattform
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