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Die Armut in Österreich wächst. Der Reichtum ebenso.
Die Armut in Österreich wächst. Der Reichtum ebenso. Beim Versuch, Reichtum zu definieren, scheitert die Expertenschaft. »Es besteht kein Konsens darüber, was Reichtum und Vermögen sein soll. Noch weniger ist eine Einigung in Fragen der Operationalisierung und Messung von Reichtum in Sicht«.

Alle wollen Wachteleier

Schwerpunkt

Die Armut in Österreich wächst. Der Reichtum ebenso. Genaue Daten liegen nicht vor.

Wir wissen, wie viele Obstbäume in Deutschland wachsen, aber kaum etwas über Reichtum,« meint der Bochumer Sozialforscher Ernst-Ulrich Huster. In Österreich wird gerne über Wachteleier diskutiert, wenn es um die Frage geht, was Luxus ist.

Die Reichen werden reicher

Laut dem »Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich,« veröffentlicht von der Österrei-chischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP) im Dezember 2008, ist die Umverteilung von arm nach reich recht rapide im Gang. So konnten die obersten fünf Prozent der SpitzenverdienerInnen von 1995 bis 2006 ihr Einkommen um über fünf Milliarden steigern. Das ist in etwa so viel, wie die 60 Prozent mit geringen und mittleren Einkommen. Deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) jedoch ist deutlich gesunken. Schlussfolgernd bedeute dies, so die Studie, »dass sich die Einkommenszuwächse von Unternehmen und Selbstständigen vom Wirt-schaftswachstum entkoppelt haben.«
Unter »Selbständige« sind nicht die kleinen Ich-AGs zu verstehen, die oft am Rand des Existenz-minimums leben. Die Begriffe »arm« und »reich« heißt es in den einschlägigen Studien, entzögen sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit der exakten Definition. Armut ist jedoch, so heißt es im ÖGPP-Bericht »in der Regel keine Folge mangelnden Willens, an der Leistungsgesellschaft teil-zuhaben, sondern das Ergebnis der ungleichen Verteilung von Gütern und Lebenschancen.« Ein Vergleich von Verwirklichungschancen ist methodisch kaum machbar. So beschränkt sich die Wissenschaft bei der Definition von Armut auch (fast) ausschließlich auf die Bewertung des Ein-kommens. 2006 lag die Schwelle zur Armutsgefährdung bei 10.711 Euro netto im Jahr. Durch-schnittlich hat eine Million Armutsgefährdete aber um fast 16 Prozent weniger. Am oberen Ende der sozialen Skala, dem Reichtum, ist die Quellenlage dürftiger. Nur vereinzelt erscheinen Darstel-lungen über hohe Einkommen und große Vermögen. Sie zeigen aber alle den Trend: Ein über-durchschnittlich hohes Wachstum.

Stiften

Zugenommen hat auch die Zahl der Privatstiftungen (von 2.500 auf 3.200) seit 2003. Eine offizielle Liste aller Privatstiftungen gibt es laut Verband Österreichischer Privatstiftungen nicht. Schließlich soll »die Diskretion der Stifter« gewahrt bleiben. Die von der ÖGPP erstellte Aufstellung über-rascht kaum: Sie ist nahezu identisch mit jener der reichsten ÖsterreicherInnen.
Zu den großen Stiftern zählen alter Adel, etwa Auersperg, Czernin oder Schwarzenberg, große Unternehmersfamilien, wie Fürnkranz, Kapsch und Lugner, sowie die Zeitungsfürsten Dichand und Fellner. Auch einflussreiche Politiker, wie Prinzhorn, Bartenstein oder Haselsteiner gehören dazu. »Wer vermögend ist, kann in Österreich gut Steuern sparen,« meint Wifo-Experte Alois Gu-ger. In den vorrangig aus Steuergründen errichteten Stiftungen waren im Studienzeitraum Vermö-gen (Geld, Wertpapiere, Immobilien) im Wert von 60 Mrd. Euro veranlagt.
In den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben sich die Geldvermögen auf über zwei Mrd. Euro. 2007 überwog es das Bruttoinlandsprodukt um ein Achtfaches. Den Großteil davon besaßen Finanzwirtschaft (1.298 Mrd. Euro) und Wirtschaft (297 Mrd. Euro). Nur etwa ein Fünftel (454 Mrd. Euro) entfiel auf die privaten Haushalte und Organisationen, knapp 105 Mrd. Euro der öffentliche Sektor.

Spekulationsgüter

Um 62 Prozent gestiegen ist das Sachvermögen, darunter auch Spekulationsgüter, wie Immobi-lien oder Wohnungen. Jährlich werden cirka 100 Mio. Quadratmeter landwirtschaftlicher Fläche in Bauland umgewidmet. Allein durch Umwidmung entsteht eine Wertsteigerung von oft mehreren tausend Prozent. Laut Studie der ÖGPP begünstigt »die öffentliche Hand damit nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, die Grundbesitzer.«
Beim Versuch, Reichtum zu definieren, scheitert die Expertenschaft. »Es besteht kein Konsens darüber, was Reichtum und Vermögen sein soll. Noch weniger ist eine Einigung in Fragen der Operationalisierung und Messung von Reichtum in Sicht«, heißt es etwa im zweiten Armuts- und Reichtumsbericht 2004/2005, »Lebenslagen in Deutschland.«
Analog zur Festlegung der Einkommensgrenze, um Armut zu definieren, legt die ÖGPP auch die Grenzen des Reichtums auf Basis des Einkommens fest: Hohes Einkommen beginnt ab 200 Pro-zent des Medianeinkommens. 440.240 Menschen bezogen im Jahr 2005 ein solches. Von »Ein-kommensreichtum« nämlich 400 Prozent des Medianeinkommens, profitierten 2005 62.910 Per-sonen. Sie erzielten einen Jahresdurchschnitt von 71.880 Euro (etwa eine Million Schilling).

Vermögen wächst

Wo Geld vorhanden ist, wird es mehr. Schon vor Jahren hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) einen kontinuierlichen

Wir wissen, wie viele Obstbäume in Deutschland wachsen, aber kaum etwas über Reichtum,« meint der Bochumer Sozialforscher Ernst-Ulrich Huster. In Österreich wird gerne über Wachteleier diskutiert, wenn es um die Frage geht, was Luxus ist.

Die Reichen werden reicher

Laut dem »Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich,« veröffentlicht von der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP) im Dezember 2008, ist die Umverteilung von arm nach reich recht rapide im Gang. So konnten die obersten fünf Prozent der SpitzenverdienerInnen von 1995 bis 2006 ihr Einkommen um über fünf Milliarden steigern. Das ist in etwa so viel, wie die 60 Prozent mit geringen und mittleren Einkommen. Deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) jedoch ist deutlich gesunken. Schlussfolgernd bedeute dies, so die Studie, »dass sich die Einkommenszuwächse von Unternehmen und Selbstständigen vom Wirtschaftswachstum entkoppelt haben.«
Unter »Selbständige« sind nicht die kleinen Ich-AGs zu verstehen, die oft am Rand des Existenzminimums leben. Die Begriffe »arm« und »reich« heißt es in den einschlägigen Studien, entzögen sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit der exakten Definition. Armut ist jedoch, so heißt es im ÖGPP-Bericht »in der Regel keine Folge mangelnden Willens, an der Leistungsgesellschaft teilzuhaben, sondern das Ergebnis der ungleichen Verteilung von Gütern und Lebenschancen.« Ein Vergleich von Verwirklichungschancen ist methodisch kaum machbar. So beschränkt sich die Wissenschaft bei der Definition von Armut auch (fast) ausschließlich auf die Bewertung des Einkommens. 2006 lag die Schwelle zur Armutsgefährdung bei 10.711 Euro netto im Jahr. Durchschnittlich hat eine Million Armutsgefährdete aber um fast 16 Prozent weniger. Am oberen Ende der sozialen Skala, dem Reichtum, ist die Quellenlage dürftiger. Nur vereinzelt erscheinen Darstellungen über hohe Einkommen und große Vermögen. Sie zeigen aber alle den Trend: Ein überdurchschnittlich hohes Wachstum.

Stiften

Zugenommen hat auch die Zahl der Privatstiftungen (von 2.500 auf 3.200) seit 2003. Eine offizielle Liste aller Privatstiftungen gibt es laut Verband Österreichischer Privatstiftungen nicht. Schließlich soll »die Diskretion der Stifter« gewahrt bleiben. Die von der ÖGPP erstellte Aufstellung überrascht kaum: Sie ist nahezu identisch mit jener der reichsten ÖsterreicherInnen.
Zu den großen Stiftern zählen alter Adel, etwa Auersperg, Czernin oder Schwarzenberg, große Unternehmersfamilien, wie Fürnkranz, Kapsch und Lugner, sowie die Zeitungsfürsten Dichand und Fellner. Auch einflussreiche Politiker, wie Prinzhorn, Bartenstein oder Haselsteiner gehören dazu. »Wer vermögend ist, kann in Österreich gut Steuern sparen,« meint Wifo-Experte Alois Guger. In den vorrangig aus Steuergründen errichteten Stiftungen waren im Studienzeitraum Vermögen (Geld, Wertpapiere, Immobilien) im Wert von 60 Mrd. Euro veranlagt.
In den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben sich die Geldvermögen auf über zwei Mrd. Euro. 2007 überwog es das Bruttoinlandsprodukt um ein Achtfaches. Den Großteil davon besaßen Finanzwirtschaft (1.298 Mrd. Euro) und Wirtschaft (297 Mrd. Euro). Nur etwa ein Fünftel (454 Mrd. Euro) entfiel auf die privaten Haushalte und Organisationen, knapp 105 Mrd. Euro der öffentliche Sektor.

Spekulationsgüter

Um 62 Prozent gestiegen ist das Sachvermögen, darunter auch Spekulationsgüter, wie Immobilien oder Wohnungen. Jährlich werden cirka 100 Mio. Quadratmeter landwirtschaftlicher Fläche in Bauland umgewidmet. Allein durch Umwidmung entsteht eine Wertsteigerung von oft mehreren tausend Prozent. Laut Studie der ÖGPP begünstigt »die öffentliche Hand damit nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, die Grundbesitzer.«
Beim Versuch, Reichtum zu definieren, scheitert die Expertenschaft. »Es besteht kein Konsens darüber, was Reichtum und Vermögen sein soll. Noch weniger ist eine Einigung in Fragen der Operationalisierung und Messung von Reichtum in Sicht«, heißt es etwa im zweiten Armuts- und Reichtumsbericht 2004/2005, »Lebenslagen in Deutschland.«
Analog zur Festlegung der Einkommensgrenze, um Armut zu definieren, legt die ÖGPP auch die Grenzen des Reichtums auf Basis des Einkommens fest: Hohes Einkommen beginnt ab 200 Prozent des Medianeinkommens. 440.240 Menschen bezogen im Jahr 2005 ein solches. Von »Einkommensreichtum« nämlich 400 Prozent des Medianeinkommens, profitierten 2005 62.910 Personen. Sie erzielten einen Jahresdurchschnitt von 71.880 Euro (etwa eine Million Schilling).

Vermögen wächst

Wo Geld vorhanden ist, wird es mehr. Schon vor Jahren hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) einen kontinuierlichen Anstieg bei den Vermögenseinkommen konstatiert. Die Einkünfte, vorrangig aus Zinsen, Ausschüttungen und Entnahmen, betrugen 2005 über 62.650 Mio. Wesentlichen Einfluss auf die Geldvermögensbildung in Österreich übt die Finanzwirtschaft in Form der Zinsen aus. So wurden für Spareinlagen 2007 im Schnitt 1,84 Prozent Zinsen verlangt, während für Privatkredite 6,29 Prozent eingehoben wurden. Noch teurer sind Überziehungskredite.
»Seltsam, dass jene, die bedürftig sind nachweisen müssen, dass sie wirklich arm sind« , meint die Politologin Margit Appel, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt. »Reiche müssen in unserer Gesellschaft nicht nachweisen, was sie mit ihrem Reichtum tun.«
Was mit Vermögen zu machen ist, darüber könne man kaum entspannt diskutieren, sagt der Reichtumsforscher Thomas, der einen Lehrstuhl für vergleichende Vermögenskultur an der Wiener Sigmund Freud Universität innehat. »Ab einer bestimmten Größenordnung macht es klick und die Tür ist zu. Doch diese Tabuisierung des Reichtums können wir uns nicht mehr leisten.« Die Politik, so meint der Forscher, habe große Scheu, das Thema Reichtum transparent zu machen. Unterschwellig herrsche ein Unbehagen in der Gesellschaft. Man könne es sogar laut herausschreien.
Systematischer geht das Netzwerk Attac vor, das sich für eine gerechtere Wirtschaft einsetzt. Das Problem massiver Steuerhinterziehung könne nur gelöst werden, wenn sich die Staaten über alle Kapitaleinkünfte informieren. So sieht es auch die EU-Zinsrichtlinie vor. »Österreich soll diese Regelung umsetzen, auf EU-Ebene müssen die Steuerschlupflöcher geschlossen werden«, fordert Attac Steuerexpertin Sybille Pirklbauer.

Anonyme Gelder

Über ausländische Vermögen, die in Österreich liegen, kann nur spekuliert werden, schließlich bleiben die Anleger anonym. »Das Bankgeheimnis und das Stiftungsrecht sind zentrale Gründe für die österreichische Steueroase«, so John Christensen, Direktor des Netzwerks für Steuergerechtigkeit.
Innerösterreichisch tritt Attac für die automatische Meldung von Kapitaleinkommen an das Finanzamt ein, wie es auch bei Lohneinkommen der Fall ist. Nur so könnten auch Kapitaleinkommen fair besteuert und die Arbeitseinkommen entlastet werden.
»Unter dem Motto 'Lohnnebenkostensenkung’, 'Entlastung der Wirtschaft’, 'Steuersenkung’ liefen in den letzten Jahren Bemühungen der Bundesregierung, die auf Senkung der Steuern und Abgaben und somit auch auf Senkung der Einkünfte aus umverteilten Einkommen hinausliefen,« heißt es in der ÖGPP-Studie. Bei Haushalten mit sehr niedrigem Lebensstandard machen Sozialleistungen zwischen 17 Prozent und 37 Prozent des Haushaltseinkommens aus. »Ohne Sozial- und Versicherungsleistung wären 2006 nicht 13 Prozent sondern 43 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet gewesen«, konstatiert der Bericht.
Die Zahl der Menschen der »working poor« hat sich gegenüber 2003 um 12 Prozent auf rund 230.000 erhöht.

Weblinks
Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP):
www.politikberatung.or.at/typo3/index.php?id=92

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