topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Die Juni-Prognosen für die österreichische Wirtschaft

Ende der Talfahrt

Schwerpunkt

Aber kein Ende der Krise? Auf die wirtschaftliche Stabilisierung müssen deutliche Wachstumsimpulse folgen.

Nachdem Monate lang von ihnen nur Hiobsbotschaften ausgegangen waren, zeichnen die Konjunkturindikatoren seit einigen Wochen wieder ein freundlicheres Bild der Lage. In ihren Juni-Prognosen erwarten die WirtschaftsforscherInnen ein Ende der konjunkturellen Talfahrt der österreichischen Wirtschaft für den Herbst. Ein Aufschwung ist deswegen aber noch nicht in Sicht. Vielmehr dürfte die weltweit tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, die wir derzeit durchleben auch in ihrer Dauer einzigartig sein.

Zuvor nicht gekannte Unsicherheit

Die vom Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September des Vorjahres ausgelöste Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat im darauf folgenden halben Jahr nicht nur die Wirtschaftsleistung absacken lassen, sondern erzeugte auch eine zuvor nicht gekannte Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung. Laufend mussten daher die WirtschaftsforscherInnen ihre Wachstumsprognosen für das heurige Jahr nach unten revidieren.
Die im Juni veröffentlichten Prognosen für die österreichische Wirtschaft landeten schließlich bei Werten zwischen -3,4 Prozent (WIFO und Bank Austria) und -4,3 Prozent (OECD, OeNB und IHS). Im Laufe des Herbstes (nach Ansicht des WIFO bereits im 3.Quartal und damit um eines früher als nach der des IHS) sollte die Talsohle der Rezession durchschritten werden. Angesichts der Stabilisierung der Lage und der damit verbundenen höheren Prognosesicherheit, dürften diese Vorhersagen nicht mehr weiter nach unten revidiert werden müssen.

Schwerste Rezession nach 1945

Die aktuelle Rezession wird zwar mit großem Abstand die schwerste nach 1945 sein (seither schrumpfte die Wirtschaftsleistung bisher nie mehr als um ein Prozent in einem Jahr), sie wird aber weit entfernt von der manchmal herauf beschworenen »Großen Depression« der 1930er Jahre, als die Volkswirtschaften der westlichen Hemisphäre in einem einige Jahre dauernden Niedergang bis zu einem Drittel ihrer Wirtschaftsleistung verloren, bleiben. Dazu hat nicht zuletzt die Politik mit nicht immer im Detail, aber dem Prinzip nach richtigen Reaktionen entscheidend beigetragen.
Banken- und Konjunkturpakete sowie die Steuersenkung machen zusammen mit den automatischen Stabilisatoren den entscheidenden Unterschied zwischen Gegenwart und Vergangenheit, also zwischen Krise und Katastrophe aus. Für ein kleines und stark exportorientiertes Land wie Österreich ist es obendrein von eminenter Bedeutung, dass EU-weit die Konjunkturstützung koordiniert ist und jedes Land seinen Beitrag leistet. Bei einer Importquote von 60 Prozent hätte ein im österreichischen Alleingang exekutiertes Konjunkturpaket bedeutet, dass ein Großteil der zusätzlichen Ausgaben nicht der heimischen Konjunktur, sondern der unserer Haupthandelspartner zugute gekommen wäre. Aus gesamteuropäischer Sicht wiederum war es notwendig, die Nachfrage innerhalb des Binnenmarkts, die für die EU als Ganzes die klar überwiegende Wachstumskomponente darstellt, in einer konzertierten Aktion zu stützen.

Noch kein Wiederaufschwung

Einen Absturz aufgehalten zu haben, heißt jedoch noch nicht zwangsläufig, damit auch einen Wiederaufschwung eingeleitet zu haben. Genau vor dieser Situation steht die österreichische Volkswirtschaft derzeit - und mit ihr auch die des gesamten Euroraumes.
Weil Signale für eine echte Erholung kaum irgendwo zu erkennen sind, bleiben die aktuellen Prognosen für 2010 sehr zurückhaltend und gestehen der österreichischen Wirtschaft maximal ein Wachstum von maximal einem halben Prozent (WIFO) oder sogar etwas weniger (IHS) zu.
Angesichts der Tatsache, dass die Krise sich mittlerweile auch auf anfangs von ihr verschont gebliebene Sektoren und Branchen auszudehnen beginnt und im kommenden Herbst eine Insolvenzwelle nicht ausgeschlossen werden kann, erscheint selbst die OECD-Prognose mit -0,1 Prozent nicht zwangsläufig zu pessimistisch zu sein.
Damit wird voraussichtlich auch, was die Dauer der Krise betrifft, ein Nachkriegsrekord aufgestellt, denn bisher war noch auf jedes Rezessionsjahr wieder ein Jahr mit kräftigem Wachstum gefolgt. Gleichzeitig wird die Arbeitslosigkeit spätestens 2010 erstmals die Marke von 300.000 durchbrechen und sich bei der (nach inländischer Definition berechneten) Quote zielstrebig auf zweistellige Werte zubewegen. (Von strukturellen Problemen, wie etwa einer Zunahme von Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit, soll hier gar nicht im Detail gesprochen werden, ebenso wenig davon, dass sich dieser Sockel der Arbeitslosigkeit verfestigen wird, wenn längerfristig das Wachstum nicht die für eine Reduzierung der Arbeitslosenzahl notwendige Marke von mindestens 1,5 Prozent erreichen sollte.)
Notwendig wären also über die erfolgte Stabilisierung hinaus echte Wachstumsimpulse. Woher diese kommen müssten, und woher sie nicht zu erwarten sind, zeigt ein Blick auf die Komponenten des BIP-Wachstums. Heuer werden ein stabiler und - durch die Steuersenkung gestützter - privater und ein leicht expansiver öffentlicher Konsum einem Einbruch bei den Investitionen (-neun Prozent) und vor allem bei den Exporten (-14 Prozent laut OECD) gegenüberstehen. Da sich der private Konsum durch die steigende Arbeitslosigkeit und mangels großzügiger Lohnabschlüsse kaum ausweiten wird, und viele Unternehmen bei Neuinvestitionen Finanzierungsprobleme haben, bedeutet dies, dass echte Wachstumsimpulse nur durch Ausweitung des öffentlichen Konsums und/oder von einem Anziehen der Exportkonjunktur zu erwarten sind.
Letzteres ist angesichts der Situation unserer Haupthandelspartner kurzfristig nicht zu erwarten. Die Volkswirtschaften Deutschlands und Italiens werden heuer laut OECD mit -6,2 Prozent bzw. -5,3 Prozent heuer noch schlechter abschneiden als der Durchschnitt des Euroraums (-4,8 Prozent) und Österreich. Im kommenden Jahr ist in beiden Fällen - wie für den Euroraum insgesamt - bestenfalls ein Wachstum knapp über der Nulllinie zu erwarten.
Die mit Österreich wirtschaftlich verflochtenen mittel- und südosteuropäischen Staaten innerhalb und außerhalb der EU befinden sich zwar nicht in ihrer Gesamtheit in einer so tiefen Rezession wie Ungarn, werden im Durchschnitt aber ebenfalls eine schrumpfende Wirtschaftsleistung aufweisen. Ihre Perspektiven über 2009 hinaus sind wegen ihrer hohen Abhängigkeit von Direktinvestitionen aus und Exporten nach Westeuropa noch unsicherer als für den Euroraum.

Budgetpolitik hat Verantwortung

Bliebe also einzig der öffentliche Konsum, was zeigt, dass die Budgetpolitik weiterhin große Verantwortung für die Konjunktur hat. Man muss angesichts der auf mindestens 75 Prozent des BIP (ein weiterer Nachkriegsrekord!) anwachsenden Staatsschulden nicht unbedingt sofort nach neuen Konjunkturpaketen rufen. Dennoch sollte diese Option - und mit ihr wiederum die einer EU-weit abgestimmten Vorgangsweise - nicht gänzlich ausgeklammert werden. Längerfristig schleppendes Wachstum und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit sind nämlich auch Gift für einen ausgeglichenen Haushalt.

Nicht um jeden Preis sparen

Auf jeden Fall wird es aber notwendig sein, bei der für die Zeit nach 2010 geplanten Budgetsanierung behutsam mit dem Wirtschaftswachstum umzugehen. Das bedeutet, dass ausgabenseitig nicht um jeden Preis gespart werden wird können und die zweifellos notwendigen Einnahmenerhöhungen auf eine Wachstums schonende Weise lukriert werden müssen. Die auf uns zukommende Steuerdebatte wird also sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit als auch unter dem der Konjunkturstützung geführt werden müssen.

Weblinks
Konjunkturprognose Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO)
www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=36042&typeid=8&display_mode=2
Konjunkturprognosen Institut für Höhere Studien (IHS)
www.ihs.ac.at/index.php3?id=1070
OECD-Länderinformation Österreich
www.oecd.org/oesterreich

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
robert.stoeger@bka.gv.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum