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Sharan Burrow Für mich steht außer Frage, dass der beste Platz, die Welt zu ändern, in einer Gewerkschaft ist.

Offen für neue Ideen

Interview

Der Schutz der ArbeitnehmerInnenrechte auch in Zeiten der Krise ist für IGB-Präsidentin Sharan Burrow ein ebenso wichtiges Thema wie der Klimawandel.

Arbeit & Wirtschaft: Sharan Burrow, Sie sind seit dem Gründungskongress im November 2006 Präsidentin des Internationalen Gewerkschaftsbundes, IGB. Seit 2000 sind Sie Präsidentin des Australischen Gewerkschaftsbundes, ACTU. Wie sind Sie zur Gewerkschaftsbewegung gekommen, wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Sharan Burrow: Ich bin in einer Familie mit starken gewerkschaftlichen Werten im ländlichen New South Wales (NSW), an der australischen Südküste aufgewachsen. Mein Urgroßvater war am Streik der Schafscherer von 1891/92, beteiligt. Er war einer Gründer der australischen Gewerkschaftsbewegung und kandidierte bei den Parlamentswahlen 1896 für die neue Australische Arbeiterpartei. Ich selbst habe für das Lehramt studiert und Ende 1970 begonnen, an Sekundarschulen in NSW zu unterrichten. Dann wurde mir die Vertretung meiner Gewerkschaft angeboten, und ich wurde eine der OrganisatorInnen der NSW-Lehrerföderation. 1992 wurde ich zur Präsidentin der australischen Lehrergewerkschaft, 2000 zur Präsidentin von ACTU und 2004 vom IGB gewählt.

Der ÖGB ist ein überparteilicher Zusammenschluss von Fachgewerkschaften der wichtigsten Branchen Österreichs. Jedes Jahr handeln die Gewerkschaften über 700 Kollektivverträge aus. Wie sind die australischen Gewerkschaften organisiert?

Australiens Gewerkschaftsbewegung entstand im späten 19. Jahrhundert aus Handwerkszünften und größeren Gewerkschaften, die aus den Arbeitskämpfen der 1890er hervorgegangen waren. Im Lauf der Zeit wurden Dutzende Gewerkschaften gegründet. Ende 1980, Anfang 1990 fusionierten viele Gewerkschaften derselben Branchen. Heute hat der ACTU 45 Mitgliedsorganisationen, die insgesamt über zwei Mio. Beschäftigte repräsentieren.

Österreichs Gewerkschaften arbeiten viel mit NGOs zusammen. Wie ist die Beziehung zu den NGOs in Australien?

Der ACTU hat sehr gute Beziehungen zu NGOs. Wir fördern den Dialog der Zivilgesellschaft und sind Mitglied des Steuerforums »Community Tax Forum«, dem auch der Australische Rat für Soziale Dienstleistungen, der Konsumentenverband und die Stiftung »Conservation Foundation« angehören. Eine ähnliche Allianz wurde zum Kampf gegen den Klimawandel gegründet. Die Verbindungen zu NGOs und Bürgerinitiativen wurde in den vergangenen Jahren durch die Kampagne »Deine Rechte bei der Arbeit« gegen die unfairen Arbeitsgesetze der früheren Regierung Howard gestärkt, durch die quer durch die Gesellschaft eine massive Mobilisierung für eine gemeinsame Sache stattgefunden hat.

Trotz der Krise ist es für europäische Gewerkschaften nicht immer leicht, neue Mitglieder zu gewinnen. Wie ist das für den ACTU?

Ein Viertel der australischen ArbeitnehmerInnen sind Gewerkschaftsmitglieder - das ist seit Jahren konstant geblieben, obwohl der Verlust von Arbeitsplätzen durch die globale Finanzkrise in bestimmten Bereichen auch die Mitgliederzahl betroffen hat. Erst vor wenigen Monate haben wir neue Arbeitsgesetze bekommen, mit denen viele Rechte wieder eingesetzt wurden, die wir in den letzten zwölf Jahren verloren hatten.

Sind Gewerkschaften noch zeitgemäß?

Gewerkschaften passen sich sehr gut an die Verhältnisse in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt an. Wir haben als erste die Finanzkrise zu spüren bekommen und bieten Ideen, um Arbeitsplätze zu schützen. Das ist unsere Kernaufgabe. Sicher gäbe es immer mehr zu tun, um junge Menschen und Frauen zu gewinnen und die Basis zu organisieren - Gewerkschaften sind immer offen für neue Ideen.

Müssen sich Gewerkschaften verändern. Wenn ja, wie?

Wie jede Organisation müssen sich auch die Gewerkschaften an den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft anpassen. Unsere Organisationsform ändert sich durch Internet und Globalisierung. Einige grundlegende Dinge aber verändern sich nicht - Gewerkschaften werden immer für Fairness, angemessene Löhne und gerechten sozialen Wandel einstehen.

Welche Rolle spielen Internet und neue Medien für die internationale Gewerkschaftsbewegung?

Internet und neue Medien sind enorm wichtig für die internationale Gewerkschaftsbewegung. Sie eröffnen einen völlig neuen Weg zur Verbreitung von Information und zum Aufbau von Unterstützung, nicht nur unter Gewerkschaftsmitgliedern. Mit der Web-2.0-Technologie kann die internationale Gewerkschaftsbewegung online mit Mitgliedern und Unterstützern in Kontakt treten und Themen der Arbeitswelt ansprechen. Möglichkeiten, sich zu organisieren und politisch zu handeln sind unbegrenzt.

Was sind aktuelle Anliegen des IGB?

Der IGB steht für Förderung und Schutz der ArbeitnehmerInnenrechte. Diese Prämisse wird in die Politik, die Kampagnen und in die Arbeit der Interessenvertretung und der solidarischen Praxis übertragen. Wir greifen die Folgen der Finanzkrise für die Beschäftigten auf und üben Einfluss auf die internationalen Entscheidungsträger aus, um Reformen durchzuführen und Arbeitsplätze zu schaffen. Wir agieren in den politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen für Gleichheit und gleichen Lohn. Wir fordern gleiche Behandlung für WanderarbeiterInnen und arbeiten mit den Globalen Gewerkschaftsföderationen (GUF), um ungeschützte Beschäftigte zu organisieren. Priorität des IGB ist auch, die gewerkschaften weltweit in ihren nationalen Kampagnen zu unterstützen.

Was sind die spezifischen Probleme und Interessen aufgrund der Finanzkrise?

Arbeitsplätze haben erste Priorität, wobei ohne Reformen des Finanzsystems diese Bemühungen untergraben werden. Weiters: Im Einsatz für Entwicklung, insbesondere in den ärmsten Ländern und konkreten Schritten für »grüne« Arbeitsplätze und den gerechten Übergang zu einer Zukunft mit niedrigem CO2-Verbrauch.In der Erklärung von Pittsburg an die G-20 legen die Gewerkschaften detaillierte Pläne gegen die Bankeninsolvenz und exzessive Managergehälter, für Steuerreformen und effektive Finanzmarktregulierungen vor. Wir arbeiten an einer globalen Steuer auf Finanztransaktionen zur Senkung von Spekulationen und Schaffung von Mitteln für Entwicklung. Arbeit und Einkommen müssen im Zentrum der globalen Wirtschaft stehen. Wirtschaftswachstum muss von produktiver Investition und Beschäftigung und nicht von Finanzspekulation getragen werden. Selbst am Höhepunkt der Krise stellen Banker und Manager neue Rekorde der Gier auf und teilen sich selbst enorme Zahlungen zu. Die Saat der nächsten Krise ist schon gelegt.

Schwerpunkt dieser Ausgabe von A&W ist die Globalisierung. Dabei steht die WTO oft im Zentrum der Kritik. Wie ist die Position des IGB zur Rolle dieser mächtigen Organisation?

Gewerkschaften fordern Reformen der internationalen Finanzinstitutionen, die Entwicklungs- und Schwellenländern oft Arbeitsplatz vernichtende Bedingungen mit verheerenden Folgen für Gesundheit, Ausbildung und soziale Sicherheit stellen. Seit langem führen wir Kampagnen durch, damit bei WTO und Handelsabkommen im Allgemeinen Arbeitsstandards respektiert und insbesondere eine Sozialklausel aufgenommen wird, und damit Arbeits- und Menschenrechte und Umweltstandards berücksichtigt werden.

Welche Rolle hat der IGB bei der ILO-Strategie »decent work - decent life«?

»Angemessene Arbeit« ist bei der Planung der künftigen Strategien für Regierungen, Investoren und Unternehmen von vitaler Bedeutung. Der »Global Jobs Pact« der ILO wurde im Juni 2009 ausgehandelt und beinhaltet Arbeitsrechte, Beschäftigungs- und Einkommenschancen, soziale Sicherheit, den sozialen Dialog und Drei-Parteien-Verhandlungen sowie wirtschaftliche Entwicklung. Regierungen und Zusammenschlüsse wie die G-20, müssen nun tatkräftige Aktionen setzen.

Welchen Einfluss auf Ihre Karriere hatte es, dass sie eine Frau sind?

Frauen stellen rund die Hälfte der Weltbevölkerung und der Erwerbstätigen. In Australien und weltweit sind unsere Rechte, Gleichbehandlung und gleiche Chancen weit von dieser Tatsache entfernt. Sogar in den Gewerkschaften müssen Frauen immer noch um gleiche Repräsentation und für das Recht, Kollektivverträge und Gesetze mit auszuhandeln, kämpfen. Ich war immer Feministin und Kämpferin für die Frauenrechte, leider ist der Job noch nicht getan. Für mich steht außer Frage, dass der beste Platz, die Welt zu ändern, in einer Gewerkschaft ist.

In Österreich ist der 27. September der »Equal Pay Day«. In Australien ist bereits am 1. September der Tag, an dem Frauen - im Vergleich zur gleichen Arbeit von Männern - keinen Lohn mehr erhalten. Was unternehmen ACTU und der IGB diesbezüglich?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit hat während der arbeitnehmerfeindlichen vorigen Regierung einen Rückschritt erfahren. In Australien gibt es nun eine Allianz für gleichen Lohn aus Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Frauenorganisationen und der Geschäftswelt. Wir erstellen diesbezüglich Empfehlungen für die Regierung. Neben der Schaffung flexiblerer Gestaltung bei der Arbeit und qualitativ besserer Kinderbetreuung, fordern die Gewerkschaften weitere Maßnahmen, darunter: verpflichtende Berichte seitens der Arbeitgeber in Bezug auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Beschäftigungschancen, weiters unabhängiges Monitoring und Einkommensberichte oder die entsprechende Bewertung und Finanzierung von Löhnen für Arbeit, die traditionell von Frauen erledigt wird.

Weiteres Thema unseres Magazins ist der Klimawandel. Was haben die Gewerkschaften damit zu tun?

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir Gewerkschaften können auf eine stolze Geschichte im Kampf für Umweltfragen verweisen. Aber noch nie lag die Latte so hoch wie jetzt. Aktionen gegen den Klimawandel sollten in unsere Arbeit integriert werden. Schließlich gibt es keine Jobs auf einem toten Planeten. Unsere Gewerkschaftsbewegung unter-stützt das Engagement der Regierung zur Einführung eines Planes für erneuerbare Energie und CO2-Senkung. Aber wir müssen noch mehr tun.

Weltweit gibt es bereits einen Billionen-Markt für ökologische Produkte, Millionen von Arbeitsplätzen im Bereich sauberer Energie können durch nationale und globale Anstrengungen geschaffen werden. Eine unserer Aufgaben ist es, die Arbeitsplätze während des Übergangs zu einer umwelt-verträglichen Wirtschaft und die Umschulung der Arbeitskräfte für die Jobs der Zukunft zu sichern. Wir müssen dafür kämpfen, dass auch Entwicklungsländer ihren Anteil an diesen Technologien und Arbeitsplätzen bekommen.

Was waren Ihre bisher größten Erfolge?

Das ist eine schwierige Frage. Ich nenne drei der jüngsten Erfolge, an denen ich teilnehmen durfte: 1) Die Kampagne »Deine Rechte bei der Arbeit« in Kooperation mit den BürgerInnen, die zur Abwahl der Anti-Gewerkschaftsregierung Howards führte. 2) Das erfolgreiche Ende eines 30-jährigen Kampfes um Karenzgeld für alle australischen Frauen. 3) Das Eintreten der australischen Gewerkschaften - und des IGB - für den Übergang zu einer ökologischeren Wirtschaft.

Zur Person
Sharan Burrow
Geboren: 12. Dezember 1954 in Warren, New South Wales (NSW), Australien
1976 Lehrabschluss an der Universität von NSW
1992 Präsidentin der Australian Education Union (AEU)
1995-2000 Vizepräsidentin der Education International (EI) - der Bildungsinternationale, die die Bildungsgewerkschaften auf internationaler Ebene vertritt und weltweit 24 Millionen Mitglieder hat.
Seit Mai 2000 ist Sharan Burrow Präsidentin des australischen Gewerkschaftsbundes (Australian Council of Trade Unions - ACTU).
Im Oktober 2000 wurde sie zur Präsidentin der IBFG-Regionalorganisation für Asien und den pazifischen Raum (APRO) gewählt.
Im Dezember 2004 wurde sie zur Präsidentin des Internationalen Bundes freier Gewerkschaften (IBFG - International Confederation of Free Trade Unions, ICFTU) gewählt.
Seit November 2006 erste IGB-Präsidentin. Damals haben sich in Wien der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), der Weltverband der Arbeitnehmer (WVA) sowie acht bisher keinem internationalen Dachverband angeschlossene Gewerkschaften zusammengeschlossen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) vertritt 168 Mio. ArbeitnehmerInnen in 305 Mitgliedsorganisationen und 153 Ländern.
Burrow ist außerdem Vorsitzende des Internationalen Zentrums für Gewerkschaftsrechte (ICTUR) sowie Mitglied des Verwaltungsrates der Internationalen Arbeitsorganisation und des Stakeholder-Rates der Globalen Berichterstattungsinitiative (GRI). Im Rahmen ihrer IAO-Aufgaben führt sie den Vorsitz in der Arbeitnehmergruppe des Unterausschusses für multinationale Unternehmen.

Weblinks
IGB-Homepage:
www.ituc-csi.org/spip.php?rubrique1&lang=de

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