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WeltverbesserInnen Aus den »WeltverbesserInnen« wurden zivilgesellschaftliche AkteurInnen, die zunehmend Gehör finden.

Die WeltverbesserInnen

Schwerpunkt

GegnerInnen der Weltverbesserung behaupten, die Welt ließe sich nicht verbessern. Fakten oder ein Blick aus dem Fenster genügten als Beweis.

Essen ist hoch politisch: Man entscheidet sich mit der Wahl der Nahrung für oder gegen Monokultur, für Umwelt- und Sozialstandards und angemessene Löhne. Kein geringer Beitrag zu einer besseren Welt: Schließlich verzehrt der Mensch (im industrialisierten Westen) im Verlauf seines Lebens zwischen zehn und 15 Tonnen Nahrung. Es ist rund 30 Jahre her, seit der damalige Jugendsekretär des ÖGB Gerhard Riess »mit dem Radl und einigen Packerln Nicaragua-Kaffee« in die volkswirtschaftliche Abteilung des ÖGB im ersten Bezirk gefahren ist. »Das waren damals die einzigen, die ihn getrunken haben«, sagt Riess, nunmehr Sekretär und Kontaktperson in der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN) für alle Fragen rund um faire Lebensmittel.

Die LOHAS und die BoBos

Heute gehören nachhaltige Lebensmittel zur Grundausstattung der »LOHAS«, jener heterogenen Gemeinschaft, die einen »Lifestyle of Health and Sustainability« anstrebt. Es sind meist besser verdienende, gut ausgebildete Menschen, viele davon werden populärwissenschaftlich zu den »BoBos«, den Bohemiens Bourgeois, gerechnet, einer Art Elite des Informationszeitalters. Sie führen zusammen, was bisher als unvereinbar galt: Wohlstand und Aufstand, beruflichen Erfolg und Nonkonformismus, ein bisschen Hippie, ein bisschen Yuppi, sie leben einen sanften Materialismus und sind idealistisch zugleich. Missionarisches, Protest oder Boykott aber ist ihnen fremd. Als solches entschlüpfen sie auch jener Form der Diffamierung, mit denen Menschen, die für ihre Überzeugungen eintreten, gerne bedacht werden.

Abwertung von »Gutmenschen«

Mit dem Begriff »Gutmensch« werden Einzelne oder Gruppen abwertend bezeichnet, denen übertrieben moralisierendes oder naives Verhalten unterstellt wird. In Österreich gibt es, meint der Philosoph Franz Schuh, »einen auffälligen Sonderweg. Hier verwenden nicht zuletzt rechtsextreme Parteimenschen und ihre Sympathisanten den Terminus, um die einfachsten moralisch-politischen Anforderungen als nicht gültig abzuwehren.« Löse man den Begriff aus dem Zusammenhang, sei er hervorragend geeignet jedem Gegner billig, und ohne dass man sich dabei etwas denken muss, ein Etikett umzuhängen.
Mit dem WeltverbesserInnen-Fest feierte die »Südwind-Agentur« im heurigen Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Das Gründungsjahr des damaligen Österreichischen Informationsdienstes für Entwicklungspolitik (ÖIE) war auch das Jahr der Sandinistischen Revolution in Nicaragua am 19. Juli 1979, der ersten Welt-Klima-Konferenz und der Wahl Margret Thatchers zur britischen Premierministerin. »Alle politischen Fragen stehen momentan im Zeichen des großen Hegemoniekampfes, in dem der ›Globalismus‹ seine Konjunktur dazu benützt, seine Sichtweise durchzusetzen«, hatte Falter-Herausgeber Armin Thurner bereits zum 25-jährigen Bestehen von Südwind geschrieben: Der Verblödungsoffensive unter dem Titel TINA (›There is no Alternative‹, © Margret Thatcher) könne man nur entgegentreten, indem man zuerst den Blick dafür schärft, dass Entscheidungen niemals alternativlos fallen.
Thurner bezieht sich auf den deutschen Soziologen Ulrich Beck, der dem neoliberalen »Globalismus« die ebenso real existierende Globalisierung gegenüberstellt. Diese Globalisierung beinhalte transnationale kulturelle und politische Erscheinungsformen, umfasst also multiethnisches Essen, NGOs als politische Akteure und Weltmusik ebenso wie Protestaktionen für die Anerkennung der Menschenrechte und den Kampf für ein weltweites Rechts- und Sozialsystem.

Eine andere Welt ist möglich

»Jute statt Plastik« (1979) war eine der ersten Kampagnen der entwicklungspolitischen AktivistInnen. Die internationale »Clean Clothes Campaign« (CCC), die in Österreich seit 2001 von der »Südwind-Agentur« und der »Frauensolidarität« koordiniert wird, ist heute eine der vielen Alternativen zur Globalisierung der Machtinteressen der privilegierten Weltminderheiten. Sie setzt sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie ein und zeigt nicht nur die Missstände, sondern auch die Handlungsmöglichkeiten für KonsumentInnen und die Wirtschaft auf.
In einem Interview mit Südwind-Redakteur Werner Hörtner berichtet die Gewerkschafterin Kalpona Akter über die Fortschritte durch die internationale Unterstützung. Sie hatte mit zwölf Jahren in einer Zulieferfabrik als Näherin begonnen. Heute ist sie Geschäftsführerin des »Bangladesh Center for Workers Solidarity«, die eng mit der CCC-Initiative kooperiert. Vieles wurde bereits erreicht.
Nun zeichnet sich ein weiterer Erfolg ab, der die Zustände in der Bekleidungs- und Textilindustrie grundlegend verändern könnte. Gewerkschaften, NGOs aus Asien, Europa und den USA haben die Basis eines Existenz sichernden Lohnes festgelegt, in Hongkong wurde ein Lenkungsausschuss gegründet, an dem auch die CCC beteiligt ist. Setzt sich die »Asia Floor Wage Campaign« durch, meint die ehemalige Näherin Kalpona Akta, »dann haben die Unternehmen keine Möglichkeit mehr, in anderen Ländern billigere Produzenten zu suchen«.

Der Weltzukunftsrat

»Die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft haben versagt«, befindet Jakob von Uexküll, Gründer des Alternativen Nobelpreises. »Mit ihrer falschen Art der Globalisierung haben sie die Welt auf den Abgrund zugesteuert.« Seine schlechte Nachricht: »Die Situation ist schlimmer als die größten Pessimisten unter uns befürchtet haben.« Drei gute Nachrichten hat Uexküll, der 2007 auch den Weltzukunftsrat (WFC) gegründet hat. 1) Es gibt für jedes der Probleme eine Lösung. 2) Das alte Finanz- und Wirtschaftssystem hat seine Glaubwürdigkeit verloren, die Menschen sind heute bereit für eine Wende. 3) Der Markt ist von Regeln abhängig. Wenn es die richtigen sind, kann er Wunder wirken.

Alternative Vielfalt

Aus den »WeltverbesserInnen« wurden zivilgesellschaftliche AkteurInnen, die zunehmend Gehör finden. »Auf allen politischen Handlungsebenen, von der lokalen bis zur globalen, mischen diese transnational vernetzten Gruppierungen mit«, schreibt der Politikwissenschafter Franz Nuscheler. »Die Ursprünge der bunten NGO-Szene liegen in der Solidaritätsbewegung, die häufig - etwa in Österreich - einen kirchlichen Hintergrund hatte. Besonders zu den Bereichen Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtspolitik betreibt sie durch eine dosierte Kooperationsbereitschaft mit dem Staat Lobbytätigkeit für ihre jeweiligen Belange und spielt dabei verschiedene Rollen, die sie aus der Schmuddelecke von notorischen KritikerInnen oder ›Gutmenschen‹ hervorholten.«
Eine völlig neue Form zivilgesellschaftlicher Organisation ist das internationale Netzwerk Attac, dessen ursprüngliches Anliegen die Besteuerung von Devisentransfers war. Heute behandelt Attac viele Fragen der ökonomischen Globalisierung, darunter die Regulierung der Finanzmärkte, des Welthandels oder die Nord-Süd-Beziehungen.

Gutes Image

Es ist lange her, dass der Gewerkschafter Gerhard Riess mit dem Fahrrad Produkte des fairen Handels unter die Leute brachte. Heute ist er - unter anderem - in Sachen faires Essen im Betrieb unterwegs. BetriebsrätInnen und KüchenleiterInnen sollen motiviert werden, möglichst Produkte aus biologischem Anbau und fairem Handel zu verwenden. »Wie argumentiere ich dem Kunden, dass das eine Produkt fair ist, das andere nicht?«, hatte ihn Herr Pfanner vor etlichen Jahren gefragt. Den Orangensaft mit dem Fairtrade-Gütesiegel der Firma gibt es mittlerweile in den meisten Supermärkten. Die Frage von Herrn Pfanner wird immer mehr KonsumentInnen beschäftigen, meint Gutmensch Gerhard Riess. »Mittlerweile sind ja sogar die Multis draufgekommen, dass Fairtrade eine gute Marketinggeschichte ist.«

Weblinks
Fairtrade im Internet:
www.fairtrade.at

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