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Ökotourismus bezieht sich oft also nur auf umweltverträgliches Verhalten am Urlaubsort - sicherlich trotz allem ein löbliches Ziel. Die tatsächlichen positiven Effekte für den Umweltschutz sind jedoch unter den gegebenen Umständen eher vernachlässigbar.

Ökonomie durch Ökologie

Schwerpunkt

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird so viel und weit gereist wie nie zuvor. Bis zu neun Prozent ist daher der Anteil des Tourismus an den Treibhausgasemissionen.

Der deutsche Schriftsteller Hermann Löns (1866 -1914) schrieb einmal: »Zukünftig wird es nicht darauf ankommen, dass wir überall hinfahren können, sondern ob es sich noch lohnt, dort anzukommen.« Der Mann war seiner Zeit weit voraus - er muss bereits geahnt haben, dass irgendwann Fernreisen zum Leben der modernen europäischen Bevölkerung gehören würden. Auf der Suche nach dem Paradies tragen wir als Reisende massiv zur Zerstörung desselben bei. Ganze Lebensräume werden abgeholzt und verbaut, um Hotelanlagen Platz zu machen. Dörfer werden umgesiedelt, um Nationalparks zu errichten, die TouristInnen zur Verfügung stehen, die von den Einheimischen möglichst unbehelligt bleiben wollen - wer beschäftigt sich schon gerne im Urlaub mit Armut?

Entwicklungszusammenarbeit

Lange Zeit war davon die Rede, dass Tourismus in den Entwicklungsländern eine gute Fördermaßnahme für die wirtschaftliche Entwicklung der Länder des Südens sein könne. Angeblich werden Arbeitsplätze geschaffen, die Infrastruktur ausgebaut und die lokale Wirtschaft angekurbelt. Allerdings sind viele Einheimische gar nicht für die Arbeit im Tourismus ausgebildet. Daher bringen internationale Hotelketten ihre MitarbeiterInnen einfach mit - das vereinfacht vieles, doch die BewohnerInnen des Landes gehen leer aus. Der Bau von Straßen wäre sicherlich ein großer Vorteil für die Länder, wo gute Straßen rar gesät sind. Allerdings finden sich die touristisch interessanten Gebiete oft weit weg von den Ballungsräumen der häufig bereisten Länder. Eine Straße, die nur in einen einsamen Nationalpark führt, wird außer von Touristenbussen kaum frequentiert, ist also keine tatsächliche Verbesserung für die BewohnerInnen des Landes.

»All inclusive«

Die TouristInnen essen, trinken und schlafen in den großen (europäischen oder nordamerikanischen) Hotelketten. Außerhalb ihrer Hotels konsumieren und kaufen sie kaum etwas - abgesehen von dem einen oder anderen Souvenir vielleicht. Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang die »All-inclusive«-Hotels. Diese Konzerne bringen den Entwicklungsländern so gut wie gar keine Vorteile. Ironischerweise verursacht diese Form des Tourismus oft sogar noch Kosten für die bereisten Länder - teure Touristenattraktionen müssen nämlich auch in der Nebensaison - oder wenn das Land gerade nicht dem gängigen Trend am Tourismusmarkt entspricht - erhalten werden. Und diese Kosten werden normalerweise nicht von den Hotelketten oder Fluglinien getragen, sondern bleiben an den jeweiligen Ländern hängen. Die Länder sind von der Willkür des Marktes und der Touristenbranche abhängig - Preisdumping ist die verheerende Folge davon.
Mittlerweile ist also klar geworden, dass insgesamt die volkswirtschaftlichen Effekte durch Tourismus enttäuschend sind - Deviseneinnahmen fließen zum Großteil wegen tourismusbedingter Importe wieder ab. Die Länder des Südens haben keine Kontrolle über die touristische Entwicklung, die geschaffenen Arbeitsplätze sind meist unqualifiziert und saisonal, Zerstörungen gewachsener Kulturen sind an der Tagesordnung, Ressourcenverschwendung die Regel. Trickle-down-Effekt - also eine Verbesserung der Lebenssituation und Verminderung der Armut der Bevölkerung - ist normalerweise kaum auszumachen. Dazu kommt, dass Tourismus ohnehin nur für wenige Entwicklungsländer in Frage kommt - wo er allerdings betrieben wird, neigt er dazu, alle anderen Wirtschaftsformen zu verdrängen und Monostrukturen zu bilden - immer ein gefährliches Spiel.

Lösung Ökotourismus?

In den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten hat sich ein Lösungsansatz herauskristallisiert - der Ökotourismus. Es soll sich dabei um eine auf Belange von Umwelt und lokaler Bevölkerung besonders Rücksicht nehmende Form des Tourismus handeln. Doch es gibt auch berechtigte Zweifel am »Öko-Prinzip«. Vor allem, da es auch keinen Konsens darüber gibt, was unter Ökotourismus nun wirklich zu verstehen ist. Darüber hinaus ist nicht klar, ob die getätigten Maßnahmen auch wirklich den gewünschten Effekt erzielen. Sprechen wir zum Beispiel im Zusammenhang mit Ökotourismus von Flugreisen in naturnahe Gebiete, wie Nationalparks, dann ist diese Form des Tourismus eigentlich gar nicht als »ökologisch« zu bewerten, denn Flugzeuge sind Klimakiller der Sonderklasse und nichts davon, was TouristInnen an ihren Urlaubszielen machen, egal wie sie sich verhalten, wird die negativen Folgen des Fluges aufwiegen können. Ökotourismus bezieht sich oft also nur auf umweltverträgliches Verhalten am Urlaubsort - sicherlich trotz allem ein löbliches Ziel. Die tatsächlichen positiven Effekte für den Umweltschutz sind jedoch unter den gegebenen Umständen eher vernachlässigbar gering.

Alles »Öko« oder was?

Ökotourismus oder nachhaltiger Tourismus hat es inzwischen aus der »Müsliecke« herausgeschafft, und weltweit geben bereits um die 30 Prozent aller TouristInnen ökologischen Angeboten den Vorzug. Meist handelt es sich dabei um Reisen in die Natur. Diese wird dabei durch übermäßigen Gebrauch jedoch häufig stark geschädigt. Beispielsweise wurden in Nepal ganze Wälder abgeholzt, um die ÖkotouristInnen auf ihren Trekkings mit Holz zu versorgen. Reisen in die Laichgebiete von Meeresschildkröten, deren Einnahmen dazu genutzt werden sollen, die Lebensräume der Tiere zu schützen, tragen indirekt dazu bei, die Ökosysteme der betroffenen Gegenden zu zerstören. Probleme gibt es auch im Kulturbereich: historische Stätten sollen von der ansässigen indigenen Bevölkerung befreit werden, um touristischen Projekten Platz zu machen. So geschehen zum Beispiel in Kuelap in Peru. Dabei schreckte die nationale Kulturbehörde übrigens nicht vor Drohungen und gewaltsamen Übergriffen auf die Bauern zurück.

Ein Fußabdruck im Paradies …

Viele EuropäerInnen leben auf zu großem Fuß - wir hinterlassen einen viel zu großen ökologischen Fußabdruck. Gemeint ist damit die Fläche der Erde, die wir verbrauchen, um unseren Lebensstandard dauerhaft zu erhalten. Würden alle Menschen auf der Erde auf ebenso großem Fuß leben wie wir - wir bräuchten 2,5 Erden! Europa und die USA beanspruchen ein Vielfaches der vorhandenen Biokapazität. Doch was hat das alles mit unseren Reisen zu tun? Die Ökosysteme der bereisten Länder werden zur Gänze verändert, Land, Luft und Bevölkerung leiden unter dem massiven Ressourcenverbrauch - dem viel zu großen Fußabdruck - der TouristInnen. Ein Beispiel dafür ist der Golftourismus als Wasser- und Landschaftsfresser Nummer 1. Die Fläche eines Golfplatzes entspricht ungefähr 40 Reisfeldern mit einer Jahresproduktion von 500.000 kg Reis. Das für die Rasenbesprenkelung verbrauchte Wasser würde den täglichen Bedarf an Trinkwasser von 15.000 EinwohnerInnen in Manila decken oder 65 ha Ackerland bewässern. Aber auch Duschen, Swimming Pools und Wassertoiletten - touristische Minimalausstattung also - verursachen Wasserknappheit, die jedoch nur die lokale Bevölkerung zu spüren bekommt.
Grundsätzlich ist es natürlich eine positive Entwicklung, Tourismus ökologisch und nachhaltig betreiben zu wollen. Wir dürfen uns jedoch nichts vormachen: Fernreisen sind grundsätzlich nicht ökologisch - die Abgase machen uns einen Strich durch die Rechnung. Und: Unser Besuch in Thailand, Indonesien oder Costa Rica wird im Moment der Bevölkerung weniger helfen, als er sie vielleicht sogar belastet.

Schauen wir genau hin!

Es wäre blauäugig zu glauben, dass immer »Öko« drin ist, nur weil es draufsteht. Definitiv bedarf es genauer Überlegungen und Diskussionen von Umweltschutzorganisation, NGOs aus Norden und Süden, um irgendwann sagen zu können, welche Möglichkeiten es gibt, um tatsächlich so ökologisch wie möglich zu reisen.

Weblinks
Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung:
www.respect.at
Ökologischer Fußabdruck:
www.mein-fussabdruck.at

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Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
ruth.bauer@gmx.net
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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