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Heute leben wir schon mit der Rufdatenerfassung, der Vorratsdatenspeicherung bei der Internetnutzung, der Auslieferung unserer Bankdaten an die USA, also mit einer kommerziellen und staatlichen Datensammelwut in nie gesehenem Ausmaß. Heute leben wir schon mit der Rufdatenerfassung, der Vorratsdatenspeicherung bei der Internetnutzung, der Auslieferung unserer Bankdaten an die USA, also mit einer kommerziellen und staatlichen Datensammelwut in nie gesehenem Ausmaß.

Das Internet der Dinge

Schwerpunkt

Das Bürgerservice entwickelt sich mehr und mehr zum Selbstbedienungsladen, wir bezahlen mit unseren Daten. Die EU arbeitet an einem entsprechenden Aktionsplan.

Verfolgt man die Entwicklung der staatlichen Einrichtungen in Österreich zeigt sich, dass das Bürgerservice zurückgenommen wird. Der Zugang zu diesen Einrichtungen wird immer bürgerferner, entweder kommerziell oder im Selbstbedienungsverfahren geregelt. Auf der anderen Seite gibt die EU eine Entwicklung vor, die technikbegeistert ganz massiv in das Grundrecht der Unverletzbarkeit der Wohnungen und der Privatsphäre der Menschen eindringt. Beides sind gefährliche Entwicklungen.

Der Do-it-yourself-Staat

»Österreich liegt im Bereich E-Government in der öffentlichen Verwaltung europaweit an der Spitze«, aber: »Zufriedengeben werde man sich damit nicht«, bejubelte der damalige Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) im Juni 2008 die Erfolge bei der Einführung der Selbstbedienung. In Bereichen wie Gesundheit (E-Help), Klimaschutz (Kampf gegen CO2) und Bildung »werden wir in Zukunft noch Gas geben müssen«. Hier sei noch finanzielles Einsparungspotenzial möglich, meinte er.
Das Wort »Einsparungspotenzial« zeigt recht gut, worum es geht. Nämlich, Sparen an den Serviceleistungen gegenüber den BürgerInnen. E-Government ist Selbstbedienung - d. h. der/die Einzelne soll keine Beamten belästigen, sondern wenn er/sie schon was benötigt, das automatisiert selbst tun. Wie schon beim Lebensmitteleinzelhandel, den Tankstellen oder bei den Banken vorexerziert: sich selbst bedienen, Arbeit selbst verrichten, um diesen Unternehmen Personalkosten (= Arbeitsplätze) zu ersparen.

Weitere Selbstbedienungsformen

Und nach diesem betriebswirtschaftlichen Modell wird nun auch in der öffentlichen Verwaltung gearbeitet. Da gibt es die Bürgerkarte, mit der Menschen ihre Amtsgeschäfte teuer und kompliziert von zu Hause aus in Selbstbedienung durchführen sollen, etwa den Lohnsteuerausgleich automatisiert einbringen, oder Anfragen elektronisch durchführen.
Aber das ist erst der Anfang: Die Wiener Polizei hat bei Diebstahlsmeldungen das Selbstausfüll-Formular eingeführt, beim Grundbuch wurde - geschickt vom Justizministerium versteckt im Budgetbegleitgesetz 2009 - die Möglichkeit, mündlich sein Gesuch vorzubringen abgeschafft. Ein jahrhundertealtes Recht übrigens. Wenn man als WohnungseigentümerInnen oder HäuslbauerInnen seine Hypothek abgezahlt hatte, konnte man mit der Löschungserklärung von der Bank zum Grundbuchsgericht gehen und dort mündlich die Löschung eintragen lassen. Jetzt geht es nur noch schriftlich. Wegen der strengen Schriftform braucht man einen Notar und das kostet ein paar Hundert Euro. So verschiebt man das Geld der BürgerInnen zu den Rechtsberufen. Ähnliches passierte ja auch mit der Geschworenengerichtsbarkeit. Dieses republikanische Recht der Mitwirkung der BürgerInnen an der Rechtsprechung wurde auf Schwerstdelikte reduziert, weil das der Verwaltung Zeit und Personal sparen hilft.
Das arrogante Selbstverständnis des Staates, welches hier hervorkommt, hat mit der »Res publica« und ihrem Prinzip, dass der Staat den BürgerInnen zu dienen hat, nichts mehr zu tun. BürgerInnen werden zu Selbstbedienungskunden/-innen reduziert. Die Ämter und Behörden erscheinen wie Kafkas Schloss und der Ratsuchende wird zum lästigen Subjekt, mit dem man nicht mehr auf Augenhöhe verkehrt, und der anonym verwaltet wird.

Der EU-Plan des »Internet der Dinge«

Und es kommt noch weit mehr auf uns zu. Im heurigen Juni hat die EU-Kommission einen Aktionsplan veröffentlicht, das »Internet der Dinge«. Das Internet spielt in diesem visionären Rahmenplan die zentrale Rolle - es soll »von einem Computernetz zu einem Netz untereinander verbundener Gegenstände, von Büchern und Autos über Elektrogeräte bis hin zu Lebensmitteln« werden.
Ein solches Internet der Dinge soll angeblich die Lebensqualität verbessern. Etwa mit Gesundheitsüberwachungssystemen den Alten helfen, »dem Stromversorger die Fernüberwachung elektrischer Geräte zu ermöglichen«, VerbraucherInnen informieren, wenn bei einem Tiefkühlprodukt die Kühlkette unterbrochen wurde, das Auto sicherer zu machen und sogar der Natur helfen, indem Bäume vernetzt werden, um etwa ihre Abholzung zu vermelden.

Ein Märchen

Wie hübsch diese schöne neue Welt werden soll, zeigt ein konkretes Beispiel in einer vier Jahre alten Studie der ITU (International Telecommunication Union, eine Teilorganisation der UNO) kurz nacherzählt: Die spanische Studentin Rosa streitet sich im Jahr 2020 mit ihrem Freund. Im Zorn beschließt sie übers Wochenende in die französischen Alpen zum Schifahren zu brausen. Ihr Auto sagt ihr auf dem Weg dahin, dass sie die Reifen tauschen muss, einer droht schadhaft zu werden. Sie fährt also in ihre Lieblingswerkstätte und sogleich wissen die dortigen Roboter, was mit dem Auto zu tun ist. Währenddessen hat die Getränkemaschine schon Eiskaffee - Rosas Lieblingsgetränk - vorbereitet und von ihrem Konto abgebucht. An der Grenze werden Führerschein- und Reisepassdaten automatisch an die Grenzkontrolleinrichtungen übertragen.
Um allein zu sein, hat Rosa vorher alle Verbindungen auf »privat« gestellt, ihr Freund kann so keine Geoinformationen über sie abfragen. Auf einmal erhält sie einen Videoanruf von ihrem Freund. Da er sich bei ihr entschuldigt, hebt Rosa die Geoinformationensperre auf. So kann sie ihr Freund, der mit seinem Auto nachkommen will, automatisiert geführt finden, und beide können ein schönes Wochenende genießen. Die UNO und all die Regierungen stellen sich unser Leben in zehn Jahren als eine wunderschöne Konsumgüterwelt vor. Die Technik dahinter ist nicht neu, wir kennen sie von Zutrittskarten, Diebstahlssicherungen und den fälschungssicheren biometrischen Reisepässen: Sensorbestückte RFID-Chips in mikroskopischer Form, die mit passenden Lese- und Schreibgeräten (Tag Reader) auch aus einer Distanz von 100 Metern noch maschinengerecht »kommunizieren« können.
Die Reisepässe waren ein erster Türöffner, ein zweiter Türöffner in die Haushalte hinein wird bald kommen: das »Smart Metering«, also der fernauslesbare, fernsteuerbare Elektrozähler, mit dem alle Haushalte in der EU zwangsbeglückt werden.

Privatsphäre wird sich ändern ...

Natürlich sieht die EU-Kommission auch gewisse Gefahren im Internet der Dinge, das massiv in die Privatsphäre der Menschen eindringt. Welcher ethische und rechtliche Rahmen gilt? So ein Vorgehen ist nämlich an sich verfassungswidrig, das Recht auf die eigene Wohnung wird damit ausgehebelt. Artikel 9 StGG (Staats-Grundgesetz) sagt: »Das Hausrecht ist unverletzlich« und Artikel 8 der Menschenrechtskonvention ebenso: »Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.«
Aber: »Andererseits wird sich mit dem Aufkommen des Internet der Dinge sicherlich auch unsere Vorstellung von der Privatsphäre ändern«, heißt es aus der EU-Kommission. Als Beleg dient hier die Nutzung der Mobiltelefone und sozialer Internet-Netzwerke durch die jüngeren Generationen.

Die Auswirkungen

Tatsächlich könnte das alles sehr problematisch werden. Heute leben wir schon mit der Rufdatenerfassung, der Vorratsdatenspeicherung bei der Internetnutzung, der Auslieferung unserer Bankdaten an die USA, also mit einer kommerziellen und staatlichen Datensammelwut in nie gesehenem Ausmaß. Bei einer Maschine-zu-Maschine-Fernüberwachung im eigenen trauten Heim wird das alles noch weitaus problematischer. Wenn Dritte in den Wohnungen der BürgerInnen sammeln und herumschalten können, vielleicht durchaus in vorgeschobener wohlgemeinter Absicht, läuft das auf eine kollektive Zwangsentmündigung hinaus. Gute Nacht republikanische Demokratie!

Weblinks
EU Aktionsplan Internet der Dinge:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0278:FIN:DE:DOC

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