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Mit anderen Worten, eine bestimmte Quantität an Arbeitlosen ist günstig, wenn nicht sogar notwendig, diese Anforderungen zu bedienen. Vergleichbar etwa mit einem Wühlkorb für Textilien, je mehr im Korb ist umso eher findet sich die richtige Größe etc. Mit anderen Worten, eine bestimmte Quantität an Arbeitlosen ist günstig, wenn nicht sogar notwendig, diese Anforderungen zu bedienen. Vergleichbar etwa mit einem Wühlkorb für Textilien, je mehr im Korb ist umso eher findet sich die richtige Größe etc.

Am Arbeits-Markt

Schwerpunkt

Jeder ist seines Glückes Schmied sagt ein altes Sprichwort. Aber ist das so, oder ist Arbeitslosigkeit nur das Glück des Schmiedes?

Gesellschaftsmodelle vergangener Zeiten haben Arbeitslosigkeit noch etwas abgewinnen können. Maschinen sollten die Arbeit übernehmen und das haben sie mittlerweile auch weitestgehend. Der ursprüngliche Denkansatz von der Aufteilung des materiellen Wohlstands unter den Menschen hat sich verflüchtig, weggespült von neoliberalen Modellen.
Heute weiß man zwar, dass der technische Fortschritt gewaltige Produktionsschübe ermöglicht hat, sodass sich der Wohlstand im Vergleich zu den Vorzeiten industrieller Produktion vervielfacht hat. Der Arbeitsaufwand, die Grundbedürfnisse zu bedienen, ist weniger geworden. Neue komplizierte Produktionsstrukturen haben sich etabliert, beispielsweise Erwerbsarbeit durch immaterielle Güter wie etwa Dienstleistungen. Besonders erfinderisch: Die virtuellen Produkte der Finanzmärkte, in denen die »klassische« Lohnarbeit eine strategische Rolle spielt.

Diskrepanzen am Arbeitsmarkt

Eine Studie über Diskrepanzen am regionalen Arbeitsmarkt im Ballungsraum Hamburg stellt beispielweise fest, dass, »je größer die Zahl der Arbeitslosen und/oder der offenen Stellen in einer Region ist, desto größer wird auch die Zahl der neuen Beschäftigungsverhältnisse sein, weil aus der Sicht der Arbeitsnachfrage (d. h. der Unternehmen) die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass innerhalb kurzer Frist geeignete BewerberInnen gefunden werden. Aufgrund sinkender Erträge führt eine anhaltende Zunahme der Arbeitslosenzahl bei konstanter Zahl der offenen Stellen allerdings zu einer immer geringeren Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse.«

Entlassungswelle rollt

Bei vielen Konzernen rollt trotz guter Konjunktur eine neue Entlassungswelle. Der Kapitalmarkt erwartet satte Renditen. InvestorInnen schauen nicht auf die Zahl der MitarbeiterInnen, sondern auf den Gewinn. Wenn man von Unternehmensführern hört »Strukturen müssen schlanker und effektiver werden«, ist meist Feuer am Dach. So sollten etwa bei der deutschen Firma Henkel mit weltweitem Abbau von Arbeitsplätzen pro Jahr 150.000 Mio. Euro eingespart werden. Um die Rendite zu steigern, hat der Konzern zwischen 2001 und 2004 schon einmal insgesamt 4.500 Jobs abgebaut.
»Die Gier des Kapitalmarktes ist unersättlich und zwingt die Unternehmen zu handeln«, sagt Gustav Horn, vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen deutschen Hans-Böckler-Stiftung, und schlägt vor, das Kapital langsamer zu machen, den Kapitalverkehr stärker als bisher besteuern, um einen schnellen Abzug von Kapital kostspieliger zu machen und das kurzfristige Denken in Quartalen müsste langfristigen Planungen und Entscheidungen weichen.
Viele produzierende Unternehmen haben ihren »Unternehmenszweck« verlassen und sind in erster Linie zu Finanzkapitalisten geworden. Sie setzen bei stagnierender Wirtschaft auf Bewertungsgewinne als Profitquelle, etwa wenn es einem Investor gelingt, durch Lohnkürzungen den Unternehmenswert zu steigern. So stellt Wirtschaftsexperte Stephan Schulmeister fest: »Das Profitstreben des ›non-financial business‹ hat sich somit in den vergangenen 25 Jahren von der Realkapitalbildung zu Finanzveranlagung und -spekulation verlagert. Dieser ›schleichende‹ Prozess stellt die ›strukturelle‹ Hauptursache für das langsame Anwachsen der Arbeitslosigkeit dar.«
Arbeitslosigkeit kann nur dann verringert werden, so Schulmeister weiter, »wenn der Kapitalstock rascher wächst als das Arbeitsangebot«. Läuft es umgekehrt, sind Arbeitsproduktivität und Realeinkommen entsprechend niedriger. Reallohnsenkungen oder Ausweitung von Niedriglohnsektoren setzen eine entsprechende Nachfragestruktur sowie ein entsprechend hohes Angebot an schlecht qualifizierten Arbeitskräften voraus.

Durch die neoliberale Brille

Die Wirtschaftseliten betrachten die Welt mit »neoliberaler Brille« mit mehreren gravierenden Folgen. Um nur eine zu nennen: Steigende Arbeitslosigkeit wird nicht als Mangel an Arbeitsplätzen infolge unzureichender Realkapitalbildung wahrgenommen. Zudem wird die »Abstinenz« des Staates von einer aktiven Wirtschaftspolitik nicht als zusätzliche Krisenursache erkannt. Schulmeister führt als Beispiel dafür die Politik in Deutschland an, die auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit mit der Reduktion der Arbeitslosenunterstützung (Hartz IV) und der massiven Förderung prekärer Arbeitsverhältnisse reagiert hat (Ich-AGs, Ein-Euro-Jobs etc.).
»Die Arbeitslosen wurden dadurch billiger, die Arbeitenden auch, die Zahl sozialversicherter Jobs sank, jene der atypischen Jobs stieg. Mit all diesen Maßnahmen passte sich das System an den Mangel an (produktiven) Arbeitsplätzen als Folge unzureichender Realkapitalbildung an. Produktionstheoretisch betrachtet: Die Arbeitslosigkeit soll durch Schaffung von ›workingpoor-Arbeitsplätzen‹ verringert werden, welche mit wenig Kapital ausgestattet auch wenig produktiv sind.
Für einen nachhaltigen Erfolg dieses Rezepts sind allerdings Sozialstaat und Gewerkschaften in Deutschland (noch) zu stark, das Bildungssystem (noch) zu gut, die Einkommensverteilung (noch) nicht ungleich genug und die Wirtschaft generell (noch) nicht ›finanzkapitalistisch‹ genug.«

Matchingprozess am Arbeitsmarkt

Die »Fürsorge« des Staates, eine bestimmte Zahl von Arbeitslosen in Weiterbildungsprogrammen unterzubringen, ist gerechtfertigt. Unternehmen klagen über den Mangel an qualifizierten «freien« Arbeitskräften in ausreichender Zahl. Letztlich verhilft die staatliche Weiterbildung, dass Unternehmen auf einen gut »gewachsenen« Topf an Humankapital zurückgreifen können, ohne selbst Mittel in die Hand nehmen zu müssen. Leiharbeitsvermittler Trenkwalder beschreibt die Zukunft der Arbeit als eine »neue Herausforderung an den Matchingprozess am Arbeitsmarkt - entscheidend ist der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Ort«. Mit anderen Worten, eine bestimmte Quantität an Arbeitlosen ist günstig, wenn nicht sogar notwendig, diese Anforderungen zu bedienen. Vergleichbar etwa mit einem Wühlkorb für Textilien, je mehr im Korb ist umso eher findet sich die richtige Größe, die gefällige Farbe oder das gewünschte Muster.

Unternehmen in Warteposition

Stellt sich die Frage, ob nicht auch Betriebe in der Qualifizierung zukünftig eine deutlich veränderte Rolle übernehmen und sich an der Entwicklung von lokalen arbeitsmarktpolitischen Qualifizierungsprogrammen beteiligen sollten. Geht man davon aus, dass Abeitslosenzahlen steigen und so die Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme aufgefüllt werden, dann sind Unternehmen jetzt in »Warteposition«. Verbessert sich nämlich die Wirtschaftslage steht ein mit staatlichen Mittel besser ausgebildetes »Arbeitslosenheer« zur Verfügung. Je größer die Zahl der BewerberInnen auf eine offene Stelle ist, desto größer ist im Regelfall auch die Vielfalt, und umso eher wird der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin seine/ihre speziellen Vorstellungen in einem/einer der BewerberInnen wiederfinden.
Arbeitslosigkeit wird aus staatlicher und wirtschaftlicher Perspektive mit »verlorenem« Konsumpotenzial verknüpft. Einmal sind es die sinkenden Steuereinnahmen dann die schleppende Konjunktur. Nicht Einzelschicksale spielen eine Rolle, sondern die Gesamtmenge an Arbeitslosen ist strategisch von Bedeutung.
Einerseits ist der Konsum die Zentrifuge der Rendite, andererseits kann man die Arbeitslosigkeit nicht so weit treiben, dass der Konsum verflacht, denn Arbeitslose sind keine guten KäuferInnen. Auch die Gefahr, dass zu viel Arbeitslosigkeit den sozialen Frieden, das soziale Gleichgewicht aus der Balance bringen könnte, wird das Gewissen der Jobkiller nicht »beunruhigen«, denn schon Paul. F. Lazarsfeld hat in seiner berühmt gewordenen Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« festgestellt, dass «Arbeitslose, vor allem Langzeitarbeitslose, nicht aufrührerisch sind, sondern dass die Arbeitslosigkeit auf sie eine lähmende Wirkung ausübte und den psychologischen Raum des Arbeiters noch weiter einengte.«

Weblink
Homepage von Stephan Schulmeister:
stephan.schulmeister.wifo.ac.at

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