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Die TrainerInnen sitzen zwischen den Stühlen: Sie müssen sowohl dem Leistungsdruck der jeweiligen Bildungseinrichtung als auch dem Frust und Widerstand der Arbeitssuchenden standhalten. Die TrainerInnen sitzen zwischen den Stühlen: Sie müssen sowohl dem Leistungsdruck der jeweiligen Bildungseinrichtung als auch dem Frust und Widerstand der Arbeitssuchenden standhalten.

Zwischen den Stühlen

Schwerpunkt

Frustrierte KursteilnehmerInnen, Sparmaßnahmen, kaum soziale Absicherung und knappe Ressourcen. Viele AMS-TrainerInnen arbeiten nahe am Burn-out.

Die gute Nachricht zuerst: Zumindest punkto sozialer Absicherung wurde einiges erreicht. In einem unabhängigen Rechtsgutachten wurde vor kurzem festgestellt, dass TrainerInnen in AMS-Maßnahmen durch die Art und Weise der Beschäftigung in der Regel weder freie DienstnehmerInnen noch Werkvertragspartner sein können, sondern angestellt werden müssen. Das AMS hat seine Vergabekriterien entsprechend angepasst. Werkverträge und Ähnliches wird es nur noch in Ausnahme-fällen geben.

80 Prozent Qualifizierungskurse

150 unterschiedliche Bildungsträger führen im Auftrag des AMS Schulungen für Jobsuchende durch. Der Wettbewerb um die vom AMS ausgeschriebenen Bildungsmaßnahmen ist naturgemäß groß - und läuft wie überall sonst zum Teil über den Preis. Rund 80 Prozent der AMS-Kurse sind Qualifizierungsmaßnahmen, die der fachlichen Aus- und Weiterbildung dienen (Computer- oder Sprachkurse u. ä.). Selbst in diesem Bereich ist mitunter das Lernziel durch unzureichendes Equipment und Platzmangel gefährdet. Hinzu kommen frustrierte Jobsuchende, Verständigungsschwierigkeiten mit MigrantInnen oder extrem unterschiedliches Ausgangswissen der KursteilnehmerInnen. Nicht selten besuchen Langzeitarbeitslose Kurse mehrmals und daher widerwillig, gesundheitlich schwer angeschlagene 57-Jährige müssen zum Bewerbungstraining usw. Theoretisch werden die Kurse vom AMS-Berater und den Arbeitssuchenden gemeinsam ausgewählt. Praktisch landet so mancher Jobsuchender dann dort, wo grad ein Platz frei ist. Überlastete AMS-BeraterInnen, System- und Organisationsmängel führen unter anderem dazu, dass ein vom AMS ausgebildeter 54-jähriger Berufsorientierungstrainer keine fixe Anstellung findet (weil er zu alt ist) - und dann vom AMS in einen Berufsorientierungskurs geschickt wird!

Im »Deppenkurs«

Fälle wie dieser - vom AMS als bedauerliche Einzelfälle bezeichnet - kommen gar nicht so selten vor. Dementsprechend sind TrainerInnen täglich mit Widerstand konfrontiert. Trainerin Helga S., 48: »Das gibt sich zwar manchmal nach kurzer Zeit, weil dann doch das Positive überwiegt - die Tage bekommen wieder eine Struktur, Kontakte, Erfolgserlebnisse etc. Trotzdem, manche TeilnehmerInnen bleiben einfach weg oder sind die meiste Zeit im Krankenstand. Oder sie sabotieren auf die eine oder andere Weise den Unterricht.« Was außerdem die Arbeit erschwert: In den meisten Kursen sind die Leute bunt zusammengewürfelt, AkademikerInnen sitzen neben HilfsarbeiterInnen, BerufsanfängerInnen neben 55-Jährigen. »Das ist rein gruppendynamisch schon eine Herausforderung, wenn man den Leuten dann noch was beibringen soll …«
Um ihre Arbeitswilligkeit zu beweisen, müssen Arbeitssuchende alle sechs Monate einen der Aktivierungs-Kurse besuchen. Vor diesen sogenannten »Deppenkursen« flüchten nicht wenige in die Krankheit. Wer zum dritten Mal persönliches Telefonmarketing oder Lebenslauf schreiben übt, seine Stärken und Schwächen analysiert, ist verständlicherweise nicht mehr besonders motiviert. Karl F., 61, seit fünf Jahren arbeitslos: »Zusätzlich bekommt man immer wieder vermittelt, dass ich irgendwas falsch machen muss, weil ich keinen Job finde. Und wenn ich Erfolgsmeldungen des AMS lese, frag ich mich, wer das glauben soll. So lange die Arbeitslosenzahlen nicht wirklich sinken, ist das keine Vermittlungs-, sondern eine Rotationsquote. Die Firmen stellen billigere Leute ein und zum AMS kommt dann der, der mehr verdient hat.«
Auf der Internet-Plattform für Erwerbsarbeitslose www.soned.at können Betroffene ihren Frust loswerden. So schreibt dort eine Doris: »Heute sitz ich von 12.45 bis 16.45 da rum außer kartenspielen und mensch ärger dich nicht am pc 5 rauchpausen sonst nix produktives …« Die TrainerInnen sitzen zwischen den Stühlen: Sie müssen sowohl dem Leistungsdruck der jeweiligen Bildungseinrichtung als auch dem Frust und Widerstand der Arbeitssuchenden standhalten.

Supervision als Luxus

In vielen Kursen werden die TrainerInnen (und KursteilnehmerInnen) mit schwerwiegenden Problemen und Schicksalsschlägen konfrontiert. Trainerin Sabine K., 42: »Viele haben eigentlich gar nicht die Kraft zur Arbeitssuche. Sie sind depressiv, stehen noch unter dem Schock des Jobverlustes oder sind traumatisiert, wie manche MigrantInnen, die flüchten mussten und deren Ausbildung hier nicht anerkannt wird.« So mancher Jobsuchende ist aber auch einfach froh, unter Gleichgesinnten über seine Probleme reden zu können, weil Arbeitslosigkeit überall anders stigmatisiert ist. Um einen Kurs halbwegs am Laufen zu halten, sehen sich viele TrainerInnen in die Sozialarbeiter- oder Therapeuten-Rolle gedrängt. Trotzdem ist bei den meisten Einrichtungen die früher übliche Supervision dem Sparstift zum Opfer gefallen. Diese professionelle Unterstützung müssten sich die TrainerInnen dann bei Bedarf selbst finanzieren.

Anstellung ist besser

Nach wie vor sind sehr viele TrainerInnen (noch) nicht angestellt - zum Teil durchaus freiwillig. Viele haben ein zweites Standbein, freier Coach oder TrainerIn. Katja S., 43, hat sieben Jahre mit Jobsuchenden gearbeitet: »Einen Fulltime-Job mit Fixanstellung wollte ich nie, das hätte ich unter diesen Bedingungen auf die Dauer nicht verkraftet. So hatte ich zwischen den AMS-Projekten immer wieder ein paar Wochen Pause.« Außerdem befürchten viele, bei einer Fixanstellung finanziell schlechter auszusteigen.
»Diese Mär höre ich immer wieder«, meint Anita Stavik, Sekretärin im Bereich Interessenvertretung der GPA-djp, »aber man kann in einer aktuellen Broschüre von work@education konkrete Einkommensvergleiche zwischen Angestelltenverhältnis und freiem Dienstvertrag nachlesen. Die Vorteile: 20 Prozent der 38,5 Stunden werden für Vor- und Nachbereitung eingerechnet, Urlaubsanspruch, fünf Tage Bildungsfreistellung etc.«

Knappe Ressourcen

So mancher fragt sich jetzt schon, woher das Geld für diese »Anstellungswelle« kommen soll bzw. wo dieses eingespart werden wird. Denn die Situation ist jetzt schon keineswegs rosig. Computer und Drucker funktionieren wochenlang gar nicht, aus Platzmangel müssen Einzelgespräche zu viert geführt werden. »Ich musste mir dann mit einer Kollegin und ihrem Klienten einen Raum teilen«, erzählt Sabine K., die schon für mehrere Bildungseinrichtungen tätig war. »Und in die Cafeteria durften wir aus versicherungstechnischen Gründen nicht gehen.«
Mit einem Zehn-Punkte-System für TrainerInnen, Zielvorgaben, Standards und Feedbackmöglichkeiten für alle TeilnehmerInnen will das AMS Qualität garantieren und gibt einen guten Teil der Verantwortung für drastische Sparmaßnahmen an die Bildungseinrichtungen weiter. AMS-Sprecherin Dr. Beate Sprenger: »Unsere Kurse wurden von den TeilnehmerInnen auf einer Skala von 1 bis 6 im Durchschnitt mit der guten Note 1,9 bewertet. In Einzelfällen verläuft vielleicht nicht immer alles optimal. Das muss man dann thematisieren. Wenn tatsächlich einmal jemand in einem ungeeigneten Kurs sitzt, dann sollte sich der Trainer oder die Trainerin an den Vorgesetzten wenden.« Selbstverständlich finden sich nicht alle TrainerInnen sofort stillschweigend mit der Situation ab, wenden sich zum Teil sogar direkt an die AMS-BetreuerInnen. Sabine: »Nur wenn du dann jedes Mal hörst, tut mir leid, aber das geht eben nicht anders, mir sind die Hände gebunden, dann gibst du‘s irgendwann auf und versuchst eben, das Beste daraus zu machen.« Einen formellen, direkten Draht zum AMS, ähnlich wie jener für die KursteilnehmerInnen in Form der Feedbackbögen, gibt es für TrainerInnen nicht. Die guten Noten für das AMS können sich viele Jobsuchende leicht erklären: »Nach mehreren Wochen gemeinsam im Kurs kennt man schließlich die Schrift der TeilnehmerInnen. Von Anonymität kann da keine Rede sein.« Theoretisch kann die Bewertung auch online auf der AMS-Website erfolgen. Tatsächlich werden, so eine Trainerin »die Bögen vorzugsweise dann ausgeteilt, wenn die Stimmung in einem Kurs gerade gut ist.«

Weblink
Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at

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Kommentare
Herr Bernhard Kleemann 04.12.2009 15.07 Zwischen den Stühlen Die Stellungnahme von Frau Stavik ist zynisch und realitätsfern - denn welches Institut gewährt Vor- und Nachbearbeitungszeit? Ja, es steht im BABE-KV, aber umgesetzt wird es nicht und wenn überhaupt werden KollegInnen mit administrativen Belangen beschäftigt. Würde man die KV-Einstufungen nur für die Unterrichtszeiten heranziehen, dann wäre der BABE-KV interessant, so erhöht der BABE-Kollektivvertrag den Frust, weil angeblich sozialpartnerschaftlich und kollektivvertragsrechtlich abgesichert - der Stundensatz im BABE-KV entspricht nicht den geleisteten und geforderten Qualifikationen. Manchmal habe ich das Gefühl und die Wahrnehmung dass Systemvertreter von Gewerkschaft und AMS sich gerne selbst in die Tasche lügen und Befragungen und Umstände als Argumente heranziehen, die zumindest unter fragwürdigen Umständen der Qualitätssicherung zustande gekommen sind. Von TrainerInnen wird Qualität verlangt, wer spricht über die Qualität der AMS-Beratung in vielen Fällen und von der Qualität der Zubuchung? Meiner Meinung nach und ich bin hier nicht alleine muss sich in Österreich im Bildungssystem, in der langfristigen Positionierung der Erwachsenenbildung viel ändern, um zu einer notwendigen Bildungs- und Wissensgesellschaft zu werden. Kurse und Rahmenbedingungen wie derzeit beim AMS sind vergangenheitsorientiert, hinken den Anforderungen der Gegenwart nach und lassen zu große Lücken für den Bedarf der Zukunft - Um Österreich und ÖsterreicherInnen zu Wissenden zu machen, braucht es professionelle Begleitung und Beratung sowie auch Angebote.
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