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Gleich doppelt so viele potenzielle Schwarzarbeiter wie in der Herbststraße stehen hier am Straßenrand. Ihre meist privaten Auftraggeber besorgen sich im Baumarkt Werkzeug und Material, und gleich um die Ecke wählen sie die entsprechenden Hilfskräfte aus. Gleich doppelt so viele potenzielle Schwarzarbeiter wie in der Herbststraße stehen hier am Straßenrand. Ihre meist privaten Auftraggeber besorgen sich im Baumarkt Werkzeug und Material, und gleich um die Ecke wählen sie die entsprechenden Hilfskräfe aus.

Am "Arbeitsstrich"

Schwerpunkt

Es gibt noch immer Tagelöhner. Sie kommen aus Polen und Rumänien. Tag für Tag bieten sie ihre Arbeitskraft auf der Straße an.

Vor kurzem meldete sich bei mir ein ARD-Redakteur, der eine Dokumentation über den »Arbeitsstrich« machen will, ein Phänomen, das es seinen Angaben zufolge so nur in Wien geben würde. Nirgendwo sonst würden sich Männer am helllichten Tag auf die Straße stellen und damit Arbeitsbereitschaft signalisieren. Ein paar Tage später bat mich »Arbeit &Wirtschaft« um einen Artikel zum »Arbeitsstrich«. Da ich mich mit diesem Thema in letzter Zeit nur am Rande beschäftigt habe, begab ich mich, um mir einen aktuellen Überblick zu schaffen, in die Herbststraße. Dort hatte sich Ende der 80er-Jahre der »Arbeitsstrich« rund um das damals größte Arbeitsamt Österreichs etabliert. Rund 200 Männer und einige Frauen, überwiegend aus Polen, standen damals täglich am Straßenrand und hofften auf einen Job. Auch ich stellte mich damals als »Rumäne« auf die Straße und machte viele Erfahrungen, die ich im Buch »Arbeitsstrich - Unter polnischen Schwarzarbeitern« 1992 veröffentlicht habe. Heute steht das rundum erneuerte Bürogebäude in der Herbststraße leblos da. An den beiden Ecken des Komplexes setzen an diesem sonnigen Freitagmittag rund zwanzig Männer die alte Tradition des Arbeitsstriches fort.
Noch am gleichen Tag suche ich den zweiten »Arbeitsstrich« auf, der inzwischen dem in der Herbststraße den Rang abgelaufen hat. Er befindet sich in der Triesterstraße stadtauswärts, unmittelbar vor einem großen Baumarkt. Gleich doppelt so viele potenzielle Schwarzarbeiter wie in der Herbststraße stehen hier am Straßenrand. Ihre meist privaten Auftraggeber besorgen sich im Baumarkt Werkzeug und Material, und gleich um die Ecke wählen sie die entsprechenden Handwerker und Hilfskräfte aus. Kein Wunder, dass sich gerade hier ein neuer »Arbeitsstrich« entwickeln konnte.

Lokalaugenschein

Ein eisiger Wind weht durch die Herbststraße, dennoch stehen rund zwei Dutzend Männer an den verschiedenen Kreuzungen. Ich geselle mich zu einer Gruppe von acht Männern, stelle mich kurz vor und frage, ob jemand Deutsch spricht und sich mit mir unterhalten will. Kaum miteinander ins Gespräch gekommen, laufen meine Gesprächspartner plötzlich weg. Ich schaue auf und erkenne weit entfernt einen Streifenwagen, der sich nähert. Zwei Männer winken mir, ihnen zu folgen. Sie haben keine Lust kontrolliert zu werden, obwohl sie sich ausweisen können. Wenn sie in der Herbststraße ihre Papiere zeigen müssen, ist dies mit einer Strafe von sieben Euro verbunden. Deswegen ziehen sie sich lieber in die Seitengassen zurück. Die Verwaltungsstrafe, das erfahre ich später, wird ihnen wegen »Störung der öffentlichen Ordnung« verhängt.
Nach einer kurzen Runde um den Häuserblock gelangen wir zum Ausgangspunkt zurück. Meine Gesprächspartner kommen aus Rumänien und Serbien, sie halten sich bereits ein halbes bis eineinhalb Jahre in Österreich auf. Alle verfügen über eine Schlafgelegenheit bei Verwandten, die ihren ordentlichen Wohnsitz in Wien haben. Für die Lebenshaltungskosten braucht der 35-jährige Samel  500,- pro Monat, alles was er darüber hinaus verdient, schickt er seiner Familie in Rumänien, wo seine Frau mit dem 16-jährigen Sohn lebt.
In Rumänien liegt der Durchschnittslohn bei 200 EUR. Dieses Einkommen reicht nicht aus, um sich eine Zukunft aufzubauen. Ein 24-jähriger Mann erzählt: »Wenn ich in Rumänien arbeite, kann ich mir nichts leisten und muss immer bei meinen Eltern wohnen. Wenn du eine eigene Familie gründen, ein Haus bauen und ein Auto kaufen willst, musst du nach Österreich oder sonst wohin. Ich bin hierher gekommen, weil meine Tante hier wohnt, und ich ein halbes Jahr in einer Firma arbeiten konnte. Leider hat mir der serbische Chef in den letzten zwei Monaten kein Geld bezahlt, und so habe ich dort aufgehört und versuche seither so Arbeit zu finden. Ein-, zweimal die Woche bekomme ich einen Job.«

»Arbeiten nicht Zapzarap«

Ein anderer, der frühmorgens eine Dose Bier in der Hand hält, beschwert sich: »Wir wollen hier arbeiten und nicht Zapzarap machen. Wir stellen uns in der Kälte auf die Straße, weil wir ehrliche und fleißige Leute sind. Leider gibt es für uns keine legale Arbeit. Das verstehen wir nicht. Wir leben alle in der EU. Gehört die Türkei zur EU? Gehört China zur EU? Gehört Afrika zur EU? Die dürfen hier arbeiten, aber wir nicht. In Italien dürfen wir arbeiten, in Spanien, in Finnland und Dänemark, aber sonst nirgendwo. Erst 2011 wird es für uns erlaubt sein, normal in Österreich zu arbeiten, bis dahin müssen wir schwarz arbeiten.«
Ein rund 40-jähriger Mann aus Polen, den ich am nächsten Tag treffe, erzählt: »Ich bin Elektriker, ich kenne eine Firma, die mich sofort aufnehmen würde, aber leider bekomme ich keine Beschäftigungsbewilligung. In der Zeitung habe ich gelesen, dass Schwarzarbeit die Wirtschaft ruiniert. So ein Blödsinn. Wir arbeiten schnell und billig. Wenn eine Firma ein Haus baut, arbeitet einer und zwei schauen zu, das ist sehr teuer. Viele Österreicher können sich keine Firma leisten, sie wären ruiniert, wenn sie uns nicht hätten. Wenn ich für Österreicher arbeite, vereinbare ich eine Pauschale, wenn ich für andere arbeite, rechne ich nach jedem Arbeitstag ab, weil ich sonst kein Geld bekomme.
Wir verlangen für eine Stunde acht bis zehn Euro, je nach dem was zu tun ist. Für weniger arbeiten wir nicht. Wir leben hier, zahlen für Wohnung und Essen. In der Triesterstraße stehen fast nur Rumänen, die arbeiten sogar für vier Euro pro Stunde. Die können nichts, können nur einfache Arbeiten machen, wie Gipsplatten in den 4. Stock tragen.«

Hoffnung auf 2011

Aus diesen und ähnlichen Gesprächen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Der »Arbeitsstrich« ist männlich. Die Männer sind zwischen 20 und 45 Jahre alt und kommen gegenwärtig überwiegend aus Rumänien, aber auch aus den anderen EU-Staaten Osteuropas.
    Auf den »Arbeitsstrich« sind vor allem unqualifizierte Arbeiter und Neuankömmlinge angewiesen. Qualifizierte Facharbeiter und Allroundkräfte, die schon länger hier sind, verfügen meist über gute Kundenkontakte. Alle haben ein Handy, über welches sie Arbeitsaufträge lukrieren. Einige Facharbeiter stellen sich manchmal bei einer Auftragspause kurz auf den »Arbeitsstrich«.
  • Alle sehnen das Jahr 2011 herbei, dann wird der Arbeitsmarkt in Österreich für die neuen EU-BürgerInnen geöffnet. Vor allem Facharbeiter geben an, bereits Zusagen für normale Arbeitsverhältnisse zu haben. Bis dahin arbeiten sie schwarz und versuchen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.
  • Die Schwarzarbeiter vom »Arbeitsstrich« sehen nicht ein, warum Menschen aus Nicht-EU-Ländern in Österreich im Vergleich zu ihnen bevorzugt werden. Einige führen ihren katholischen Glauben an, der ihnen in Österreich ein Vorzugsrecht vor Menschen mit anderen Religionsbekenntnissen einräumen sollte.
  • Schwarzarbeiter aus Polen sehen sich als Avantgarde. Sie haben den »Arbeitsstrich« etabliert und fühlen sich im Vergleich etwa zu den Rumänen sehr gut qualifiziert.
  • Österreich liegt derzeit, was die Arbeitslosenrate im EU-Vergleich anlangt, hinter den Niederlanden auf Platz zwei. Schwarzarbeiter registrieren das ganz genau. Sie ziehen daraus den Schluss, es mit ihrem Zielland gut getroffen zu haben und sind voll des Lobes über die gute Wirtschaftspolitik unseres Landes.
  • In ihren Herkunftsländern verdienen sie im Durchschnitt vier- bis fünfmal weniger als in Österreich, die Preise vieler Waren unterscheiden sich jedoch kaum von unseren. Ihrem politischen System stellen sie durchwegs schlechte Noten aus.
  • Von der freien Arbeitsplatzwahl im Jahr 2011 werden vor allem diejenigen Schwarzarbeiter profitieren, die sich bereits jetzt in Österreich aufhalten und aufgrund ihrer guten Kontakte normale Arbeitsverhältnisse begründen werden können. Der »Arbeitsstrich« erfüllt für Neuankömmlinge eine wichtige Funktion. Über ihn kann sich eine langfristige berufliche Perspektive in Österreich entwickeln, eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.

Weblink
IQUAL - Institut für qualitative Arbeits- und Lebensweltforschung:
iqual.rokell.com

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