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Verbraucherpreisanstieg in Österreich 1960-2010
Befürchtungen, es könnte zu einer »Deflation« kommen, die mit einer weiteren Verschärfung der Rezession Hand in Hand geht, und die Angst vor einer Inflationswelle, welche die Ersparnisse entwerten würde, gleichzeitig in der Bevölkerung anzutreffen sind. Befürchtungen, es könnte zu einer »Deflation« kommen, die mit einer weiteren Verschärfung der Rezession Hand in Hand geht, und die Angst vor einer Inflationswelle, welche die Ersparnisse entwerten würde, gleichzeitig in der Bevölkerung anzutreffen sind.

Kommt die Inflation?

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Die Wirtschaftskrise schürt Ängste vor einer Geldentwertung oder einer Deflation. Noch besteht kein Grund zur Panik.

Die Finanzkrise, die im Frühjahr 2007 begonnen und sich im September 2008 dramatisch verschärft hat, hat nicht nur die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst, sondern auch die Menschen verunsichert. Paradox ist die Situation insofern, als Befürchtungen, es könnte zu einer »Deflation« (sinkende Preise) kommen, die mit einer weiteren Verschärfung der Rezession Hand in Hand geht, und Angst vor einer bevorstehenden Inflationswelle, welche die Ersparnisse entwerten würde, gleichzeitig in breiteren Kreisen der Bevölkerung anzutreffen sind. In Österreich und der Eurozone pendeln seit etlichen Monaten die monatlichen Preissteigerungsraten (gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat) um null herum, mit anderen Worten: Preisstabilität. Mit welcher Entwicklung ist 2010, aber auch in den Jahren danach zu rechnen? Gibt es rationale Gründe für Ängste in der einen oder anderen Richtung?

Die Angst geht um

Die Ängste vor einer Inflation sind wahrscheinlich aktuell in der Bevölkerung stärker ausgeprägt als die Deflationsängste. Grund dafür ist ein unscharfes Bewusstsein, dass hohe Staatsschulden - genauer eigentlich: eine hohe Neuverschuldung des Staates - inflationär sein können. Die konkreten Erfahrungen liegen aber weit in der Vergangenheit zurück. Die Frage ist zunächst, wo die kritische Schwelle anzusetzen ist - keinesfalls ist jede Zunahme der Inflation in der derzeitigen Situation der Preisstabilität Grund zur Besorgnis.  Die überaus stabilitätsbewusste Europäische Zentralbank (EZB) definiert Preisstabilität damit, dass sich die Bewegungen der Verbraucherpreise innerhalb eines Spielraums von null und plus zwei Prozent halten. Im Lichte der historischen Erfahrung Österreichs ist dies eine etwas übervorsichtige Definition, denn in der langen Periode der größten Prosperität der österreichischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg (1950 bis 1975) wurde eine durchschnittliche Inflation von 3,5 Prozent in Österreich als normal angesehen. Wir galten damit als »preisstabil« im internationalen Vergleich. Weniger harmlos als diese moderate (»schleichende«) Inflation war die »galoppierende« Inflation (über 15 Prozent Jahresinflation), die einigen europäischen Ländern (Italien, Großbritannien, Schweden) in den 1970er- und 1980er-Jahren schwer zu schaffen machte. Man nannte dieses Phänomen »Stagflation«, da hohe Preissteigerungen mit Stagnation von Produktion und Beschäftigung einhergingen.

Hyperinflation 1921/22

Katastrophal in ihrer Wirkung ist eine »Hyperinflation« (50 Prozent pro Monat und mehr), wie sie Österreich 1921/22 als Folge des Ersten Weltkriegs erlebt hat. Die Kaufkraft von einer Million Kronen 1914 betrug 1922 gerade noch 70 Kronen.Was waren die Ursachen für die Beschleunigung der Inflation über jene kritischen Werte hinaus? In der Zeit der Stagflation war es ein Ineinandergreifen von Preis-/Lohnspirale und Abwertung der Währung, welches das Tempo der Inflation in den betroffenen Ländern zum Galopp beschleunigte. Durch eine restriktive Politik wurde die Inflation wieder auf ein tolerierbares Ausmaß reduziert, allerdings mit hohen Kosten bei Wachstum und Beschäftigung. In den Fällen der Hyperinflation tritt ein exzessives, nicht mehr kontrollierbares Staatsdefizit als weitere Ursache hinzu, die zu einem sehr drastischen Wechselkursverfall und zur explosionsartigen Zunahme der Geldmenge führt.

Entwarnung

Ein Vergleich dieser Erfahrungen mit der aktuellen Situation zeigt, dass heute keines der auslösenden Momente einer stärkeren Inflationsbeschleunigung vorhanden ist. In der Eurozone werden von der Lohnentwicklung in den nächsten Jahren nahezu keine Inflationsimpulse ausgehen. Seit mehr als zehn Jahren nehmen die Löhne real und nominell - wenn überhaupt - nur schwach zu. Wenn die Gewerkschaften in den nächsten Jahren trotz gestiegener Arbeitslosigkeit wieder moderate Reallohnsteigerungen erreichen sollten, so ist dies mit dem von der EZB gesetzten Inflationsziel problemlos vereinbar. Vonseiten des Wechselkurses werden sicher keine Inflationsimpulse ausgehen. Denn angesichts des immer noch hohen Leistungsbilanzdefizits der USA wird der Euro mittelfristig gegenüber dem Dollar weiter aufwerten. Vom Wechselkurs ist also keine preissteigernde, sondern eine preisdämfende Wirkung zu erwarten. Die jährlichen Staatsdefizite sind krisenbedingt zwar im Durchschnitt der Eurozone in den nächsten Jahren nach Maßstäben der jüngeren Vergangenheit hoch, aber durchaus unter Kontrolle, ihre Finanzierung ist aus den laufenden Ersparnissen möglich. Das Staatsdefizit für sich genommen, das heißt ohne Hinzutreten der beiden anderen Inflationstreiber Wechselkurse und Lohn-/Preisspirale, wirkt nicht inflationär.
Etwas anders stellt sich die Situation für die USA dar. Dort geht von einem abwertenden Dollar ein Inflationsdruck aus, der jedoch durchaus moderat ist. Dazu kommt, dass der Wettbewerb auf den Märkten der USA sehr scharf ist und die Wechselkurseffekte nur zum Teil in Form von Preissteigerungen weitergegeben werden. Daher es ist sehr unwahrscheinlich, dass daraus eine massivere Beschleunigung der Inflation resultieren könnte. Die USA werden also ziemlich preisstabil bleiben, auch wenn die Inflationsrate etwas höher sein könnte als in Euro-Europa.
Die Gefahr einer Deflation ist nicht akut. Prognosen und aktuelle Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass es zu keiner weiteren Verschärfung der Krise kommt, sondern 2010 eine gewisse Erholung zu erwarten ist. Sie sollte aber deswegen nicht bagatellisiert werden. Die negative Wirkung der Deflation besteht in der nominellen Konstanz der Schulden bei nominell sinkenden Unternehmenserträgen und - in extremeren Formen der Deflation - auch Haushaltseinkommen (Löhnen). Der Effekt auf die Schulden tritt schon deutlich vor der Null-Schwelle ein, da die Produktpreise der Unternehmungen immer um einen Mittelwert streuen, und wenn dieser z. B. nur ein Prozent ist, ist ein größerer Teil der Unternehmungen mit sinkenden Preisen konfrontiert. Daher ist ein gewisser Sicherheitsabstand notwendig (» Schmiermittel-Inflation«). Die EZB erkennt dies zwar im Prinzip an, indem sie bis zu zwei Prozent Inflation als akzeptabel betrachtet, doch ist damit der Korridor der tolerierbaren Inflation eng. Eine Obergrenze von drei Prozent würde mehr Spielraum geben.

Ängste reduzieren

Seitens der Politik wäre es wichtig, hier durch klare Aussagen die Ängste zu reduzieren. Wenn sich die Inflation nach 2010 wieder um die zwei Prozent einpendelt, ist dies nur eine Rückkehr zur Normalität. Notwendig wären klare Aussagen, dass absolute Preisstabilität kein sinnvolles Ziel ist, bzw. dass auch zwei bis drei Prozent Inflation kein Problem sind - im Gegenteil. Ein Risiko, dass einer der potenziellen Inflationstreiber virulent werden könnte, ist nicht erkennbar. Solche Aussagen wären auch deshalb wichtig, weil selbsternannte Gurus herumlaufen und im Brustton der höheren Weisheit Inflationsängste bestärken, nur durch eine kräftige Inflation sei das Staatsschuldenproblem zu lösen.

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