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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Selige Weihnachtszeit

Meinung

Und plötzlich war ich arbeitslos. Ein Vertrag war ausgelaufen, ich wollte nicht verlängern. Bis zu diesem Tag hatte sich immer ein freier Dienstvertrag an den nächsten gereiht, unterbrochen von zwei Anstellungen.

Oh du fröhliche …« schallt es über den Christkindlmarkt, aber die Gesichter der Menschen strafen das Weihnachtslied Lügen. Das bisschen Fröhlichkeit, das da und dort aufblitzt, ist dem Punsch oder dem Glühwein zu verdanken. Und fast scheint es, als wäre die Krise auch auf den Weihnachtsmärkten angekommen.

»Ich sehe keine Armen«

»Überall liest man von Armut«, sagt meine Mutter, als wir durch Innsbrucks Altstadt spazieren: »Aber ich sehe keine armen Menschen.« Ich kann sie verstehen, denn auch ich sehe nur in Pelzmäntel gehüllte Italienerinnen. Mama erzählt von früher, als die Menschen gehungert haben und gefroren. Auf der Rückreise lese ich in der Zeitung: »Weil ein Elternpaar seine vier Kinder nicht versorgen konnte, brach es in einen Mülllagerraum eines Supermarktes in Wien-Liesing ein. Mit dem Obst, das nicht mehr verkauft werden durfte, wollten der Mann und die Frau die Familie ernähren.«
Beide Geschichten waren Michaela Moser von der Armutskonferenz wohl vertraut, als ich sie ihr wenige Tage später erzählte. »Österreich - Kein Weihnachtsmärchen« hieß die Veranstaltung in der ÖGB-Fachbuchhandlung, bei der sie am Podium saß.
Oh ja, viele Menschen würden ihr sagen, es gäbe keine wirkliche Armut in unserem reichen Land: »Aber Armut ist ein Verhältniswort.« Konkret bedeute Armut bei uns, dass eine halbe Million Menschen kaum Möglichkeit hat, an zentralen gesellschaftlichen Bereichen zumindest in einem Mindestmaß teilhaben zu können: Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Sozialkontakte, Bildung. Wer verarmt, verliert Freiheiten. Arme seien heute nicht mehr dünn, sondern oft dick, weil sie sich ungesund ernähren. Oder aber sie greifen zu drastischeren Maßnahmen, wie das Elternpaar, das Obst gestohlen hat.
Die Geschichte dieses Paares steht auch im Online-Standard, die Kommentare dazu sind teilweise erschütternd. Vor allem wird immer wieder angezweifelt, dass die sechsköpfige Familie nicht mit den Sozialbezügen auskommt. Die »Leistungsgesellschaft« reagiert prompt auf die Brandrede unseres Finanzministers, der damit gerade in der angeblich stillsten Zeit des Jahres eine Neiddebatte angeheizt hat.
»Sichtbar werden!« heißt ein Projekt der Armutskonferenz, für das bei der Benefizveranstaltung in der Fachbuchhandlung Punsch und T-Shirts verkauft wurden. Sichtbar wurden an diesem Abend auch Betroffene. Der Augstinverkäufer und die Langzeitarbeitslose erzählten, welche Leistung es ist, täglich mit sehr wenig Geld auszukommen, und wie schwer es ist, dabei seine Würde zu bewahren. Es ist kälter geworden in dieser unserer Leistungsgesellschaft. Solidarität wird wieder zum Fremdwort in Zeiten der Ich-AGs. Immer öfter agieren die Menschen einsam statt gemeinsam. Die Wut brodelt, aber sie wird viel zu oft gegen Schwächere oder das geschwächte Selbst gerichtet. Ihre Wertvolle Energie wird selten gebündelt und genützt.

Reichtum sichtbar machen

Dabei sollten wir statt mit dem Finger auf jene zu zeigen, die - wie wir alle übrigens irgendwann einmal in unserem Leben - Leistungen vom Sozialstaat Österreich beziehen, auf jene deuten, denen wir zu verdanken haben, dass wir SteuerzahlerInnen 450 Mio. Euro zur Rettung des Landes Kärntens zahlen. Statt den Armen Sozialleistungen zu neiden und sie zur Arbeit zu rufen, sollten wir unseren Neid auf die Reichen richten, die ihr Geld arbeiten lassen. Jetzt zu Weihnachten treten sie bei Charityveranstaltungen gerne ans Licht, wir sollten aber das ganze Jahr über auch Reichtum sichtbar machen und unseren Anteil daran fordern. Statt Sozialschmarotzer sollten wir Kapitalschmarotzer rufen. Und ich wünsch mir zu Weihnachten: Reiche Eltern für alle. Die bringt nicht das Christkind, für die müssen wir schon selbst sorgen: Gemeinsam!

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