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Wechselfälle wie Arbeitslosigkeit und Krankheit treffen fast jeden einmal im Laufe seines bzw. ihres Lebens. Daher ist die Teilung zwischen ZahlerInnen und EmpfängerInnen mehr als künstlich: Jede und jeder ist irgendwann eines von beiden. Wechselfälle wie Arbeitslosigkeit und Krankheit treffen fast jeden einmal im Laufe seines bzw. ihres Lebens. Daher ist die Teilung zwischen ZahlerInnen und EmpfängerInnen mehr als künstlich: Jede und jeder ist irgendwann eines von beiden.

Eine Frage der Verteilung

Schwerpunkt

Anlass zur Neiddebatte? Vermögen tragen nirgends in der westlichen Welt so wenig zur öffentlichen Finanzierung bei wie in Österreich.

Wer arbeitet wird bestraft!«, titelten die Medien in den vergangenen Wochen. Der Anlass: Finanzminister Josef Pröll hatte mit der Forderung nach der Einführung eines Transferkontos eine Verteilungsdebatte losgetreten. Durch ein solches würde endlich klar werden, wer - und hier schwingt mit: zu viel - Sozialleistungen bezieht. Keine Neiddebatte, nein: Es müsse nur erlaubt sein, zu fragen, wer zahlt und wer bekommt, und ob die richtigen Anreize gesetzt werden, assistierte Klubchef Karl Heinz Kopf.
Die Fragen sind nicht unberechtigt: Wer den Sozialstaat lebendig halten will, muss sie immer wieder stellen. Allein, hier war eine/die Antwort schon gefunden: Immer weniger Fleißige müssen immer mehr dafür zahlen, dass es sich unwillige MinderleisterInnen in der »sozialen Hängematte« bequem machen. Vor dem Hintergrund von Finanzkrise, Konjunkturpaketen und dräuender Budgetkonsolidierung bekommt diese Debatte einen besonderen Drall: Hier wird der Boden aufbereitet, wer die Kosten der Krise wirklich zahlen soll.

Richtige Fragen - falsche Antworten

Die BefürworterInnen des Sozialstaates haben natürlich schnell begriffen, dass hier dem Sozialabbau das Wort geredet wird. Die Reaktionen fielen jedoch recht zurückhaltend aus, dabei besteht kein Grund defensiv zu sein. Arbeit soll sich lohnen? Ja, genau! Aber auch für die Handelsangestellte, die bei Vollzeit mit ihrem Nettogehalt gerade mal über die Armutsschwelle kommt. Und dann muss auch die Frage erlaubt sein, warum jene, die ihr »Geld für sich arbeiten« lassen können, und damit Einkommen ganz ohne Leistung beziehen, den geringsten Beitrag zur öffentlichen Finanzierung leisten.
Eine Diskussion über den Sozialstaat? Gerne! Aber nicht auf einer Basis wie jener des neunseitigen Papiers aus dem Joanneum Graz, das Finanzminister Pröll zur Grundlage seiner Forderung nahm. Dieses arbeitet, polemisch formuliert, mit schlecht recherchierten Zahlen und völlig realitätsfernen Beispielfamilien. Nachdem es harsche Kritik an den Berechnungen hagelte, korrigierten sich die StudienautorInnen selbst so massiv, dass die Schlussfolgerungen hätten revidiert werden müssen (siehe Kasten: Die »Studie« des Joanneum Graz von Franz Prettenthaler und Cornelia Sterner). Passiert ist das freilich nicht. Das wäre nicht im Sinne der Neiddebatte.
Der Sozialstaat spielt im Leben der Menschen in Österreich eine wichtige Rolle, und das keineswegs nur für die »Armen«. Wir alle profitieren in vielfältiger Weise von seinen Leistungen.
Wechselfälle wie Arbeitslosigkeit und Krankheit treffen fast jeden einmal im Laufe seines bzw. ihres Lebens. Daher ist die Teilung zwischen ZahlerInnen und EmpfängerInnen mehr als künstlich: Jede und jeder ist irgendwann sowohl das eine als auch das andere. Der Sozialstaat hilft, wenn Risiken wie Krankheit, Unfälle, Arbeitslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit schlagend werden. Die Förderung von Familien mit Kindern - dazu gehören auch Kinderbetreuung und Schule - sind gerade für arbeitende Menschen besonders wichtig.
Und am Ende des Erwerbslebens ist es nur berechtigt, wenn diese auf die (Pensions-)Leistungen zurückgreifen, die sie selbst zu erwirtschaften mitgeholfen haben.

Reiches Österreich

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Niemand sollte in Armut leben müssen. Aus diesem Grund sorgt der Sozialstaat für eine Umverteilung von Reich zu Arm. Kinder nicht in Armut aufwachsen zu lassen, und auch Kindern aus sozial schwachen Familien den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung zu sichern, sollte auch ein konservatives Anliegen sein.
Das bedeutet nicht, dass der österreichische Sozialstaat in seiner derzeitigen Form der Weisheit letzter Schluss ist. Soziale Problemlagen verändern sich, daher gilt es, den Sozialstaat immer weiterzuentwickeln. Eine Neiddebatte verstellt jedoch den Blick auf die Fakten und verhindert, dass Lösungen für die kommenden Herausforderungen gefunden werden.
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Eine Debatte darüber, dass jene, die ohnehin wenig haben, zu viel vom Staat bekommen, geht am eigentlichen Problem vorbei. Diese muss in die andere Richtung gehen. Vermögen tragen nirgendwo in der westlichen Welt so wenig zur öffentlichen Finanzierung bei wie in Österreich. Dabei profitieren gerade Menschen mit sehr großem Vermögen vom Sozialstaat.
Er stellt die Infrastruktur zur Verfügung, die notwendig ist, um Reichtum zu schaffen und zu vermehren. Er sichert den sozialen Frieden und macht es möglich, viel zu besitzen, ohne sich täglich darum sorgen zu müssen, ausgeraubt oder gar enteignet zu werden.
Wie einseitig die Debatte geführt wird, zeigt eine Reihe von Widersprüchen. Wer dafür eintritt, dass »Leistung sich lohnen muss«, müsste auch dafür eintreten, dass Geld arbeiten zu lassen zumindest steuerlich nicht günstiger sein soll als tatsächliche Arbeit: Vermögen geschenkt oder vererbt zu bekommen müsste entsprechend besteuert sein. Aber gerade die vermeintlichen Leistungs-AdvokatInnen sprechen sich laufend gegen eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen aus und frohlocken über die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer.
Wer Transparenz will, der sollte konsequent sein: Transferkonto ja, Abschaffung Bankgeheimnis nein? Durchsichtig wird spätestens an dieser Stelle etwas anderes: Es geht nicht um Transparenz, sondern um Interessenpolitik.

Wer zahlt?

Wem an Verteilungsgerechtigkeit gelegen ist, der muss sich zuerst fragen, ob die, die wirklich viel haben, einen angemessenen, solidarischen Beitrag leisten, bevor er/sie anfängt bei jenen zu sparen, die auf die Leistungen unseres Sozialsystems angewiesen sind.
Ansonsten könnte der Eindruck entstehen, dass jene, die am meisten von der staatlichen Politik in der Krise profitiert haben, deren Kosten auf die Schwächsten abwälzen wollen.

Info&News
Die »Studie« des Joanneum Graz (Franz Prettenthaler und Cornelia Sterner)
Die Idee des Transferkontos beruht auf einem neunseitigem Bericht des Joanneum Graz. Die StudienautorInnen Franz Prettenthaler und Cornelia Sterner vom Institut für Technologie und Regionalpolitik weisen dort scheinbar nach, dass es sich in Österreich nicht auszahlt, arbeiten zu gehen, da durch die Sozialleistungen für die unteren Einkommen letztlich alle Einkommensunterschiede aufgehoben würden. Um das zu »beweisen«, stellen die AutorInnen drei Beispielfamilien vor, die sich außer durch ihr Erwerbseinkommen nicht unterscheiden.
Die Berechnungen halten einer Überprüfung nicht stand. So sind (Landes- bzw. Gemeinde-)Sozialleistungen berücksichtigt worden, die den angeführten Familien nicht oder nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zustehen. Der Kinderabsetzbetrag wurde doppelt berücksichtigt. Die Grundannahmen sind völlig realitätsfremd (zwei Erwachsene pendeln täglich 45 km für 475 EUR brutto im Monat und geben ihr einjähriges Kind ganztags in eine Kinderkrippe). Gestaltungsmöglichkeiten wie beim Kinderbetreuungsgeld werden völlig ignoriert. Nicht zuletzt sind (steuerliche) Begünstigungen, von denen hohe Einkommen stärker profitieren, (absichtlich?) nicht berücksichtig worden.
Die Kritik ließ die StudienautorInnen nicht unberührt: In der im Oktober 2009 publizierten Langfassung korrigierten sie ihre eigenen Werte zum Teil massiv. Die Nachrechnung der AK ergibt allerdings, dass das Gefälle zwischen den Familien noch größer ist, als vom Joanneum Graz dargestellt.

Weblink
Mehr Infos:
wien.arbeiterkammer.at/online/jetzt-den-sozialstaat-ausbauen-51249.html

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