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»JournalistInnen brennen für das, was sie tun. Im Notfall kann man sie anrufen, und wenn sie nicht grad in den Wehen liegen oder auf Urlaub sind, dann kommen sie und arbeiten auch 30 Stunden durch«. Andrea Tretter APA-BRin »JournalistInnen brennen für das, was sie tun. Im Notfall kann man sie anrufen, und wenn sie nicht grad in den Wehen liegen oder auf Urlaub sind, dann kommen sie und arbeiten auch 30 Stunden durch«. Andrea Tretter APA-BRin

Unter Druck

Schwerpunkt

Wirtschaftskrise, sinkende Werbeeinnahmen, Konkurrenz via Internet sorgen bei GewerkschaftsvertreterInnen in Österreichs Medien für schlaflose Nächte.

Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen: Nach Fusionen und Verlagszusammenschlüssen nahmen Österreichs Medienunternehmen zuletzt die Wirtschaftskrise zum Anlass für Auslagerungen, KV-Flucht, Null-Lohnrunden und Personalreduktion. Von Wien bis Vorarlberg wurden mitunter ganze Redaktionsteams ausgegliedert. So gründete die Moser Holding AG (Tiroler Tageszeitung, Weekend-Magazin, Life Radio Tirol etc.) nach Massenkündigungen bei der Oberösterreichischen Rundschau das MOHO-Newscenter. Die »Presse« (Styria Media Group AG) transferierte im Jänner 2009 im Zuge von Umstrukturierungen und der Einführung der »Presse am Sonntag« 26 JournalistInnen und FotografInnen sowie rund ein Dutzend freie MitarbeiterInnen in die sogenannte Content Engine (CE).

Leere Worte

Michael Lohmeyer, Betriebsratsvorsitzender und stv. Vorsitzender Styria Konzernvertretung: »Offizielle Begründung für die Ausgliederung war, dass diese KollegInnen auch für den Online-Bereich arbeiten. Tatsächlich werden die meisten Print-Texte in die Online-Ausgabe übernommen und nach wie vor arbeiten auch andere KollegInnen außerhalb der Content Engine für den Online-Bereich. Nach welchen Kriterien das CE-Team zusammengestellt wurde, ist bis heute unklar.« Der Zweck der Übung allerdings ist offensichtlich: Die betroffenen MitarbeiterInnen wurden nicht nach dem Journalisten-KV, sondern nach dem Gewerbe-KV eingestuft, was den Unternehmen Kosten erspart. Lohmeyer: »Es geht nicht nur um den Verlust wohlerworbener Rechte, sondern um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Der Gewerbe-KV kennt beispielsweise auch kein Redaktionsgeheimnis. Hier geht es um die Zukunft des Journalismus.«

Klage bei Arbeits- und Sozialgericht

Da sowohl die Gespräche mit der Styria- als auch mit der Presse-Geschäftsführung im Sande verliefen, reichte der Betriebsrat Ende Juni die Klage beim Arbeits- und Sozialgericht ein. Erklärtes Ziel ist, die Ausgliederung rückgängig zu machen. Mittlerweile hat »Presse«-Geschäftsführer Reinhold Gmeinbauer in einem Interview mit der Zeitschrift »Der österreichische Journalist« anlässlich seiner Wahl zum Medienmanager des Jahres konstatiert, dass »mit der derzeitigen Form der Content Engine einige Mitarbeiter, der Betriebsrat und auch der Verlag nicht zufrieden sind. Das sollten wir raschest ändern …« Bleibt abzuwarten, in welcher Form und wie rasch diese Veränderungen tatsächlich stattfinden werden.
Im übrigen kritisieren GewerkschaftsvertreterInnen die allgemein verbreitete Praxis, dass die Online-Redaktionen von Anfang an ausgegliedert wurden. Eine von der Gewerkschaft in Auftrag gegebene Umfrage hat ergeben, dass knapp 80 Prozent der Online-RedakteurInnen eigene Geschichten schreiben, 60 Prozent Interviews führen und rund 30 Prozent regelmäßig Pressekonferenzen besuchen. Doch nur 13,5 Prozent sind nach dem Journalisten-KV angestellt.
Judith Reitstätter, Sekretärin der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp: »Auch wir sehen die Notwendigkeit von Reformen bei den bestehenden Journalisten-KV und sind seit einiger Zeit in Verhandlungen mit dem Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber (VÖZ). Auslagerungen von Redaktionsteams durch verschiedene Medienhäuser sind hier alles andere als hilfreich. Im Gegenteil, die GPA-djp fordert, dass auch Online-JournalistInnen und freie MitarbeiterInnen einbezogen werden.«
Immerhin haben die aktuellen Veränderungen zum Teil auch positive Nebeneffekte, erzählt Michael Lohmeyer: »Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben mir zwar einige schlaflose Nächte beschert, aber insgesamt sind die Belegschaft und das Betriebsrat-Team dadurch näher zusammengerückt.
Und im vergangenen Halbjahr sind 26 freie und angestellte MitarbeiterInnen der Gewerkschaft beigetreten, bei einem Redaktionsteam von insgesamt rund 300 ständig Beschäftigten.«

Billige LohnschreiberInnen

Keineswegs neu, aber immer noch aktuell ist das Thema der freien MitarbeiterInnen, die nicht selten wie Angestellte arbeiten, aber schlechter bezahlt werden und von Sozialleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld meist nur träumen können. Nach einer anonymen Umfrage unter den freien MitarbeiterInnen einer großen europäischen Tageszeitung sind knapp 80 Prozent täglich in der Redaktion, 70 Prozent machen Wochenenddienste im Haus.
Die Situation all dieser MitarbeiterInnen, aber auch die der wirklich Freien, die für mehrere Medien tätig sind, wurde in letzter Zeit immer schwieriger. Im Rahmen von Sparmaßnahmen wird deren Arbeit zum Teil den angestellten KollegInnen zugeteilt. Zusätzlich ist der Konkurrenzdruck durch StudentInnen bzw. JungakademikerInnen, die zum Teil gratis arbeiten (müssen), immer stärker spürbar.
Einem Arbeitsmarkt von derzeit 7.000 journalistisch Tätigen (Tendenz sinkend) stehen jährlich 1.300 AbsolventInnen einschlägiger Ausbildungen gegenüber, zehnmal so viele, wie eigentlich gebraucht werden. Honorarreduktionen von zehn Prozent und mehr sind keine Seltenheit.
»Die meisten JournalistInnen brennen für das, was sie tun«, so Andrea Tretter, BR-Vorsitzende bei der Austria Presse Agentur (APA). »Im Notfall kann man sie Tag und Nacht anrufen, und wenn sie nicht grad in den Wehen liegen oder weit weg auf Urlaub sind, dann kommen sie und arbeiten falls nötig auch 30 Stunden durch. Diese Mentalität wird natürlich von vielen Medienunternehmen auch ausgenützt.« Bei der APA sollen die ständigen freien MitarbeiterInnen übrigens in naher Zukunft angestellt werden. Die Bedingungen stehen noch nicht fest, angestrebt wird der KV für Tageszeitungen.

Leerstellen

Beim ORF wurden 2004 mehr als 1.200 Freie mit einem neuen Kollektivvertrag angestellt, darunter auch der jetzige Zentralbetriebsrat-Vorsitzende Gerhard Moser: »International werden wir um dieses Modell beneidet, das damals unter anderem durch den Druck der Betroffenen, die auch bei der Betriebsratswahl wahlberechtigt waren, erst möglich wurde.«
Wie sähe der Journalismus ohne freie MitarbeiterInnen aus? Das demonstriert derzeit in Deutschland ein Verband freier JournalistInnen. Die Initiative »Freischreiber« stellt bis Ende Jänner jede Woche ein neues Medium vor: In einer Vorher-Nachher-Grafik werden jeweils die Original-Seiten gezeigt und anschließend dieselben Seiten - nur ohne die Beiträge der freien MitarbeiterInnen. In manchen Medien bleiben so über 60 Prozent der Seiten weiß!
In Österreich sind derzeit rund 50 Prozent der JournalistInnen angestellt. Keineswegs alle Freien wünschen sich unbedingt ein fixes Arbeitsverhältnis, viele wären beispielsweise schon mit adäquater Bezahlung zufrieden, die gründliche Recherche und unabhängige Berichterstattung ermöglicht.
Die GPA-djp nennt konkrete Möglichkeiten für Verbesserungen der freien MitarbeiterInnen: regelmäßige Honorarerhöhungen, Honoraranpassung an die Gehälter der angestellten KollegInnen (hier wird die Schere immer größer), Stellenausschreibungen auch für Freie, Pensionsvorsorgemodelle etc.

Info&News
Der ORF-Redakteursrat
Entsprechend dem Mediengesetz gibt es beim ORF abseits des BR eine weitere Form der Personalvertretung für die RedakteurInnen, die unter anderem für Verhaltensregeln punkto Trennung von Werbung und Redaktion zuständig ist, ein Vetorecht bei der Einsetzung der Chefredakteure hat etc.: Die RedakteurInnen eines Betriebsbereiches (Landesstudios, Hauptabteilung), aber auch der ORF-Töchterfirmen mit journalistischen MitarbeiterInnen bilden die sogenannte Redakteursversammlung. Für jeweils zehn RedakteurInnen wird ein Redakteurssprecher für zwei Jahre gewählt. Diese SprecherInnen müssen seit mindestens drei Jahren für den ORF tätig sein. Die RedakteurssprecherInnen bilden den Redakteursausschuss, der aus seiner Mitte den Redakteursrat mit drei Mitgliedern plus Ersatzmitglieder wählt. Vorsitzender des Redakteursrats ist Fritz Wendl.

Weblink
Berufsverband freier JournalistInnen:
www.freischreiber.de

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afadler@aon.at
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aw@oegb.at

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