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Während Berlusconi gegen kritische JournalistInnen und Zeitungen gewohnheitsmäßig mit juristischen Mitteln vorgeht, bekämpfen seine eigenen Medien unabhängige RichterInnen und StaatsanwältInnen als UmstürzlerInnen.

Berlusconi und die Medien

Schwerpunkt

Decken JournalistInnen in Italien schmutzige Geschäfte von PolitikerInnen auf, treten diese nicht zurück, sondern verklagen die Medien wegen Rufschädigung.

Als eine Reihe italienischer und internationaler Medien berichtete, der italienische Ministerpräsident lasse sich regelmäßig mit Escortgirls auf Staatskosten zu privaten Partys in seinen Villen fliegen, sahen sie sich prompt mit einer Klage auf drei Mio. Euro Schadenersatz konfrontiert. Die internationale Organisation »Reporter ohne Grenzen« und die Europäische Journalistenvereinigung bezeichneten dieses Vorgehen Berlusconis als »virulenten Angriff auf die Pressefreiheit in Europa«. Was in Europa noch auf Irritation und ungläubiges Kopfschütteln stößt, ist in Italien Alltag. Während Berlusconi gegen kritische JournalistInnen und Zeitungen gewohnheitsmäßig mit juristischen Mitteln vorgeht, bekämpfen seine eigenen Medien unabhängige RichterInnen und StaatsanwältInnen und stellen sie als UmstürzlerInnen dar. Für viele ItalienerInnen ist längst das Maß voll. Am 3. Oktober 2009 demonstrierten daher Zehntausende in Rom für Pressefreiheit und gegen die immer dreisteren Medienmanipulationen ihres Ministerpräsidenten.

Die EU soll handeln

Nicht nur Organisationen wie »Reporter ohne Grenzen« sehen die Medienkonzentration in Italien längst als ein Problem für die Informationsfreiheit. Wenige Tage nach der Großdemonstration in Rom debattierte auch das Europäische Parlament über das Thema Informationsfreiheit in Italien. SozialistInnen, Grüne und Liberale hatten Entwürfe für eine Entschließung eingebracht, die die Europäische Kommission aufforderten, Besitzverhältnisse bei europäischen Medienunternehmen zu untersuchen und gegen Medienkonzentration vorzugehen.

Recht auf Informationsfreiheit

»Das Recht auf Informationsfreiheit muss in allen Ländern Europas nach gleichen Maßstäben garantiert werden«, daher brauche man eine EU-Richtlinie mit Richtgrößen, die für alle gelten, begründete der italienische Abgeordnete der S&D (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament) die Notwendigkeit der Entschließung. Auch der Fraktionsvorsitzende der ALDE (Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) Guy Verhofstadt forderte das EU-Parlament auf, für die Entschließung zu stimmen und die EU-Kommission zu beauftragen, Medienpluralismus in Europa sicherzustellen. Denkbar knapp gestaltete sich schließlich die Abstimmung. Für den vorgelegten Text stimmten 338 Abgeordnete, genauso viele waren dagegen. Damit ist der Text abgelehnt, weil es laut Geschäftsordnung des EP eine Mehrheit geben muss, damit eine Entschließung angenommen wird.
Der italienische Ministerpräsident ist Italiens größter Fernsehunternehmer. Er kontrolliert mittelbar oder unmittelbar 90 Prozent des italienischen Fernsehens. Er ist Eigentümer der drei privaten Fernsehkanäle Mediaset. Dazu übt er indirekte Kontrolle über die drei öffentlichen Fernsehsender aus. Er besitzt außerdem Italiens größten Filmverleih Medusa Film, den Buchverlag Mondadori, die Werbeagentur Publitalia und ein Zeitschriftenimperium. Einzig die Tageszeitungen entziehen sich bisher erfolgreich seinem Zugriff. Zwar besitzt Berlusconis Bruder die Mailänder Zeitung »Il Giornale«, doch hat diese nur eine vergleichsweise geringe Auflage von 300.000 Stück.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte wiederholt die Konzentration so vieler Medien in der Hand des Ministerpräsidenten und bezeichnete sie als eine Gefahr für die europäische Verfassungsarchitektur und ein schlechtes Beispiel für die neuen Mitgliedsstaaten. Kritik äußerte auch die UN-Kommission: Sie befürchtet, dass die Situation in Italien Selbstzensur begünstige. JournalistInnen würden in einem solchen Klima aus Angst vor Konsequenzen »freiwillig« auf eine Berichterstattung verzichten, wenn diese von der Regierung als kritisch eingestuft werden könnte.
Die Medienkonzentration in der Hand des Ministerpräsidenten hat auch handfeste Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation von Medien außerhalb des Berlusconi-Imperiums - vor allem auf die von Berlusconi intensiv bekämpften unabhängigen Tageszeitungen. Berlusconis Werbeagentur kontrolliert etwa zwei Drittel der Fernsehwerbeeinschaltungen, und in den vergangenen Jahren haben immer mehr italienische Unternehmen ihr Werbebudget statt in Printmedien oder das öffentliche Fernsehen in Mediaset investiert. Im Juni 2009 forderte Berlusconi bei einem Industriellenkongress offen dazu auf, keine Inserate in Tageszeitungen zu schalten.

Eingriffe bei der RAI

Auch Berlusconis Rolle beim öffentlichen Fernsehen sorgt immer wieder für Diskussionen. Im April 2009 legte Berlusconi den neuen Stellenplan der RAI einfach fest, anstatt dies, wie es die Satzung der RAI eigentlich vorsieht, dem Verwaltungsrat zu überlassen. Berlusconi baute so seinen Einfluss bei der RAI aus und betraute ihm nahestehende JournalistInnen und MitarbeiterInnen mit der Leitung der verschiedenen Nachrichtensendungen und Kanäle. Prominentester Handlanger Berlusconis bei der RAI ist Augusto Minzolini, der kürzlich zum Chefredakteur der Abendnachrichtensendung TG1 ernannt wurde und der in Berlusconis Tageszeitung »Il Giornale« als »Berlusconis vertrauter Interviewer« bezeichnet wurde.
Berlusconis Kontrolle über das staatliche Fernsehen führt dazu, dass negative Schlagzeilen über den Ministerpräsidenten nur in abgemilderter Form erscheinen und JournalistInnen, die zu kritisch über die Regierung berichten, mit Disziplinarmaßnahmen rechnen müssen. Auch das Fernsehprogramm wird im Bedarfsfall ganz auf die Bedürfnisse Berlusconis abgestimmt und Nachrichtensendungen, in denen der Ministerpräsident eine prominente Rolle hat, einfach ins Hauptabendprogramm verlegt.
Um dem Ministerpräsidenten bestmöglich unter die Arme zu greifen, stimmen RAI und Mediaset ihre Programmplanung im Bedarfsfall einfach miteinander ab. Etwa kommt es vor, dass Mediaset eine Sendung mit hohen Einschaltquoten cancelt, wenn zeitgleich Berlusconi in der RAI auftritt.
Eine von der Journalistin Milena Gabanelli moderierte Sendung (»Report«) wurde dagegen zum Gegenstand einer Disziplinarmaßnahme, nachdem sie die Regierungspolitik im Bereich der sogenannten »social card« zu kritisch untersucht hatte. Ähnliches passierte auch Michele Santoro, der in der Sendung »Annozero« aufgetretene Probleme nach dem Erbeben in den Abruzzen thematisierte. Er wurde zu einer »Richtigstellung« verpflichtet. Ein weiterer Journalist des RAI, Vauro Senesi wurde kurzerhand abgesetzt wegen einer Karikatur, die angeblich das Andenken an die Toten beschädige.

Repressionen haben System

In einer Demokratie inmitten der EU kann eine Regierung nicht einfach eine Zeitung schließen oder freie Meinungsäußerung generell verbieten. Offensichtlich sind solch totalitäre Methoden aber gar nicht notwendig. Die Regierung Berlusconi zeigt, dass man auch sehr viel diffiziler die politische Berichterstattung in den Medien filtern und gleichschalten kann: Indem man systematisch regierungskritischen Journalismus erschwert, die Arbeit von JournalistInnen diskreditiert und mit einer Klagsflut die Arbeit unabhängiger Medien behindert. Dass weitgehende staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit in einem EU-Mitgliedsstaat kein rein nationales Problem sind, liegt auf der Hand. Die knapp gescheiterte Entschließung des Europäischen Parlaments wäre ein wichtiges Signal gewesen, um klarzustellen, dass die EU nicht nur bei neu beitretenden, sondern bei all ihren Mitgliedern die Einhaltung der Grundrechte einfordert.

Info&News
Mediaset ist die Sendergruppe des mehrfachen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi.
Die Mediengruppe Mediaset ist eingebettet in die Fininvest-Holding, an der die Familie Berlusconi knapp 51 Prozent hält. Sie besitzt drei überregionale Privat-Fernsehsender: Italia 1, Rete 4 und Canale 5. Sie ist an der italienischen Börse notiert.

Weblink
Homepage von Mediaset:
www.mediaset.it/corporate/home_en.shtml

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