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Schließlich wurden die Bananenplantagen während der Weltwirtschaftskrise (1929-33) zur Wiege der gewerkschaftlichen Organisation bzw. eines gesetzlichen Mindestlohnes und eines Sozialversicherungssystems. Schließlich wurden die Bananenplantagen während der Weltwirtschaftskrise (1929-33) zur Wiege der gewerkschaftlichen Organisation bzw. eines gesetzlichen Mindestlohnes und eines Sozialversicherungssystems.

Alles Banane oder was?

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

»Bananenrepublik«, »Schweiz Mittelamerikas« und neoliberaler Touristentraum - der zentralamerikanische Staat Costa Rica hat viele Seiten.

Lange Zeit war Costa Rica, der kleine Staat in Zentralamerika, vor allem für eines bekannt: die gelbe, längliche Frucht mit der Krümmung. Seit dem 19. Jahrhundert arbeiteten landlose Bauern auf riesigen Bananenplantagen. Die USA investierten massiv in die ausländischen und costaricanischen Bananenpflanzungsgesellschaften und drängten das Land immer mehr in die Rolle der klassischen »Bananenrepublik«.
Schließlich wurden die Bananenplantagen während der Weltwirtschaftskrise (1929-33) zur Wiege der gewerkschaftlichen Organisation bzw. eines gesetzlichen Mindestlohnes und eines Sozialversicherungssystems. Massenstreiks zwangen die amtierende Regierung dieser Zeit, ein Streik- und Organisationsrecht zu billigen. Costa Rica blieb allerdings weiterhin vom Bananen-, Kaffee- und Zuckerexport abhängig, auch wenn immer wieder Versuche gemacht wurden, diese Situation zu entschärfen.

Wurzeln des neoliberalen Kurses

In den 1980er-Jahren war Costa Rica durch den Fall der Weltmarktpreise für Bananen, Kaffee und Zucker gezwungen, sich Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beugen und seine Staatsausgaben drastisch zu kürzen, um die Auslandsschulden abzutragen. Vor allem das Sozialsystem des Landes litt darunter massiv. Gleichzeitig begann in Costa Rica die groß angelegte Rinderzucht ausländischer Konzerne, die vor allem der Fast-Food-Produktion diente. Besorgniserregende Urwaldrodungen waren die Folge dieser Entwicklung. Costa Rica entwickelte sich immer mehr zum neoliberalen Musterschüler. Im Zuge der Strukturreformen kam es zur Umwandlung von der Agrar- in eine Dienstleistungs- und Industriegesellschaft. Heute ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig in Costa Rica - verständlich für jede/n, die/der einmal die traumhaften, tropischen Strände des Landes, seine Vulkane, Gebirge und Dschungel besucht hat.

Neutralität und Abhängigkeit

Als sich zu Beginn der Achtzigerjahre in Zentralamerika verschiedene Krisenherde bildeten, beschloss Costa Rica den politischen Status der permanenten, aktiven und unbewaffneten Neutralität in der Verfassung zu verankern. Schon in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hatte Präsident José Figueres Ferrer die Armee offiziell abgeschafft und frei werdende Mittel in den Aufbau des Bildungs- und Gesundheitswesens investiert.
Costa Rica stellte dadurch klar, dass es mit den Konflikten in und rund um Zentralamerika nichts zu tun hatte. Neben dem relativen Wohlstand und einem gut ausgebauten Sozialstaat trug das Costa Rica auch den Beinamen »Schweiz Mittelamerikas« ein. Da Costa Rica allerdings bis heute mit den USA einen sehr engen Kontakt pflegt und wirtschaftlich faktisch von dem mächtigen Partner im Norden abhängig ist, unterstützte das Land während des Irak-Krieges die Bush-Administration. Damit verstieß Costa Rica gegen seine eigene Verfassung, was zu zahlreichen Streiks und Protesten im Land führte.

Die Ticos und ihr Interesse an Politik

Die Ticos - so nennen sich die CostaricanerInnen selbst - sind traditionell ein an Politik interessiertes Volk. Immer wieder konnte sich im Laufe der Geschichte das costaricanische Volk durch Proteste bei den Regierenden durchsetzen. Die Ticos sind stolz auf eine demokratische Diskussionskultur und einen solidarischen Sozialstaat. Sie verhinderten wiederholt die Zerschlagung der Staatsmonopole im Versicherungs-, Elektrizitäts- und Telekommunikationssektor, die eine gute und unentgeltliche Gesundheitsversorgung und fast flächendeckende Versorgung mit Strom und Telefon garantierten.
Als im Jahre 2007 über das Freihandelsabkommen mit den USA entschieden wurde - es geschah dies international zum ersten Mal mittels einer Volksabstimmung - gab es beinahe ebenso viele GegnerInnen wie BefürworterInnen.
Schließlich ging die Abstimmung mit einer hauchdünnen Mehrheit für das CAFTA (Central American Free Trade Agreement) aus. Noch wenige Tage vor der Abstimmung hatte es so ausgesehen, als würden die Nein-Stimmen überwiegen. Dabei hatte die Regierung eine Million Dollar in die Kampagne für das Abkommen investiert, während die GegnerInnen fast ohne finanzielle Mittel auskommen mussten und vor allem auf unzählige persönliche Gespräche setzten.
Das knappe Ja zum Abkommen war schließlich das Ergebnis einer von den USA und den Massenmedien unterstützten Angstkampagne des amtierenden Präsidenten Oscar Árias, der die Ablehnung des Abkommens mit kollektivem Selbstmord gleichsetzte, während die USA damit drohten, alle Handelsprivilegien für Costa Rica zu stoppen.

Relativ hoher Lebensstandard

Das Abkommen öffnete nicht nur den USA Tür und Tor, den costaricanischen Markt zu überrollen. Die costaricanische Regierung nutzte den neoliberalen Rückenwind durch die gewonnene Abstimmung und brachte neben den für die Inkraftsetzung des CAFTA nötigen Gesetzen sofort eine Reihe weiterer Bestimmungen auf den Weg, die u. a. einen besseren Schutz für VertreterInnen ausländischer Unternehmen und Bestimmungen zur Öffnung des Versicherungs- und Telekommunikationssektors für Privatfirmen beinhalten.
Über weitere Freihandelsabkommen mit der EU, China und Singapur wird noch verhandelt.
Costa Rica hat generell einen relativen hohen Lebensstandard. In Costa Rica können beinahe 96 Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben - ein außerordentlich beeindruckender Alphabetisierungsgrad für diese Region. Es herrscht Schulpflicht, und es gibt kostenlose staatliche Bildungseinrichtungen, die beinahe von 90 Prozent der Bevölkerung besucht werden. Auch die Universitäten sind großteils kostenlos. Derzeit wohnen bereits fast 60 Prozent der CostaricanerInnen in den Städten des Landes, vor allem in der Hauptstadt San Jose - Tendenz steigend.
Der Großteil der Einheimischen ist in der Tourismusbranche beschäftigt. Trotz der relativ positiv anmutenden wirtschaftlichen Entwicklung lebt ungefähr ein Viertel der Ticos unter der Armutsgrenze. Kaum präsent ist in Costa Rica die indigene Bevölkerung. Sie macht nur etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus und lebt zurückgedrängt in unwegsamen Gebieten.
Sinkende Exportraten, steigende Arbeitslosigkeit und schwindende Kaufkraft als Folge der Wirtschafskrise dominierten auch in Costa Rica 2009 die politische Diskussion. Neben einer Reihe von Konjunkturprogrammen, reagierte die Regierung mit einem großen Arbeitsmarktflexibilisierungspaket.

12-Stunden-Tag erlaubt

KritikerInnen sprachen von einer »Zentralamerikanisierung« der Arbeitsrechte. Der 12-Stunden-Tag - bisher nur in Ausnahmefällen erlaubt - wurde damit an vier Tagen in der Woche zur Norm. Arbeitszeit kann damit in Zukunft flexibel an die Auftragslage angepasst werden: Zwischen zehn und 16 Stunden darf die tägliche Arbeitszeit variieren - mit entsprechend angepasster Bezahlung. Auch »Kurzarbeit« gehört zum Flexibilisierungspaket - anders als bei uns aber ohne Lohnausgleich. Das bestehende Arbeitsgesetzbuch sei bereits mehr als 60 Jahre alt und damit nicht mehr geeignet, um der aktuellen Krise beizukommen, argumentierte Präsident Árias seine Flexibilisierungsmaßnahmen. Costa Rica setzt damit auch in der Wirtschaftskrise seinen eingeschlagenen Weg fort.

Sonderweg ist Geschichte

Nicht ein wirtschaftspolitischer Neuanfang, sondern flexibilisierte Arbeitsgesetze und weitere Freihandelsabkommen sollen das Rezept gegen die Krise sein. Der Sonderweg Costa Ricas, der dem Land im 20. Jahrhundert nicht nur seinen Spitznamen, sondern auch bescheidenen Wohlstand und ein relativ gut ausgebautes soziales Netz beschert hatte, scheint damit Geschichte zu sein.

Weblink
Costa Rica auf Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Costa_Rica

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