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Natürlich setzt Renate Blauensteiner auch auf Erfahrungen und Kenntnisse von KollegInnen anderer Werke, beispielsweise auf den Opel-Europabetriebsrat: »Man ist ja Teil des Ganzen, deshalb muss man sich gerade in der Krise vernetzen.« Natürlich setzt Renate Blauensteiner auch auf Erfahrungen und Kenntnisse von KollegInnen anderer Werke, beispielsweise auf den Opel-Europabetriebsrat: »Man ist ja Teil des Ganzen, deshalb muss man sich gerade in der Krise vernetzen.«

Opel Rekord, auf und ab

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Seit über 25 Jahren kommen Motoren und Getriebe der Traditionsmarke aus Wien-Aspern. Jetzt herrschen auch hier schwierige Zeiten für den Betriebsrat.

Die Mutter von Opel ist seit 1929 US-amerikanisch, die Marke Opel einer der größten Fahrzeughersteller der deutschen Automobilindustrie. Opelwerke sind auf fünf Staaten der EU verstreut, eines davon in Österreich. Seit die »Mutter« im Laufe der Finanzkrise erkrankt ist, geht es auch den Töchtern schlecht. Eine schwierige, aufreibende Zeit für den Betriebsrat.

Goldene Zeiten bis 2008

»Bis 2008 haben wir trotz aller Schwierigkeiten eigentlich goldene Zeiten gehabt«, blickt Renate Blauensteiner, Arbeiterbetriebsratsvorsitzende von General Motors Powertrain in Wien-Aspern zurück. Sie kennt »ihr Werk« seit 27 Jahren, ein Jahr nach Inbetriebnahme hat sie dort zu arbeiten begonnen. Jetzt weht ein eisiger Wind, denn Opel kommt nicht mehr aus den Schlagzeilen.
Die finanzielle Situation der amerikanischen Muttergesellschaft verschlechterte sich dermaßen, dass der jetzige Eigentümer General Motors sich von seiner deutschen Tochter trennen wollte. Im Vorfeld wurden Werksschließungen angedroht, Lohnkürzungen angekündigt und staatliche Bürgschaften gefordert. Zu guter Letzt wurden nach monatelangen Verhandlungen der Verkauf abgeblasen, viele Köpfe ausgetauscht und Sanierungsmodelle vorgelegt, die zumeist auf staatliche Garantien, Lohnverzicht der MitarbeiterInnen und immer wieder Werksschließungen, wie jetzt in Antwerpen, setzten. Auch wenn in Aspern keine Fahrzeuge, sondern nur Motoren und Getriebe hergestellt werden, so war und ist man im Wiener Werk dennoch ebenso besorgt, wie in den anderen Schwesterwerken der Opelfamilie. Ein Zustand der seit 2008 anhält und an den Nerven zehrt, aber auch, wie Renate Blauensteiner es nennt, viel »Fingerspitzengefühl« verlangt. »Alle haben Angst um den Arbeitsplatz und man muss der Belegschaft immer wieder die Lage erklären, soweit man sie selbst kennt, geht das Unternehmen in Insolvenz oder nicht. »Irgendwie fühlt man sich machtlos, versucht aber möglichst viele Sozialleistungen zu halten. Gleichzeitig aber wird von dir verlangt und gefordert, auch das Unternehmen zu retten.«
Manchmal komme man sich in der Krise schon wie ein Laufbursche der Geschäftsführung vor. »Wir haben eigentlich immer die schlechte Nachricht überbringen müssen, da unsere Geschäftsleitung sehr lange nicht an die Belegschaft gegangen ist. Die MitarbeiterInnen haben nur von unserer Seite die Information bekommen was wirklich läuft und nicht von der Geschäftsleitung, die immer gute Auslastung und hohes Volumen hervorstreicht und versichert, Aspern sei von Kürzungen nicht betroffen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn wir sind ein Teil des Ganzen, und wenn Opel insolvent wird, sind auch wir davon betroffen.«
Ungewissheit gepaart mit Ungereimtheiten zehrt an den Nerven aller. Schlimmer noch, wenn man in der Krise Menschen nichts sagt demotiviert das mehr, als ihnen die Wahrheit zu sagen. Aus der Alltagserfahrung im Betrieb weiß Renate Blauensteiner, dass »man aufpassen muss, damit die Leute nicht resignieren«. Anfangs waren es Existenzängste und Zukunftssorgen: Wie geht es weiter? Gibts noch ein Geld am Monatsletzten? Je länger diese Unsicherheit dauert, umso mehr ist das der Belegschaft egal. »Viele sagen sich halt, wenn du das Monat für Monat mitmachst, wie es bei uns war, dann ist es halt aus und vorbei. Für die Leute ist das eine Art von Selbstschutz, sonst schnappt man über, wenn man immer daran denken muss, krieg ich noch ein Geld oder krieg ich keines, hab ich noch einen Arbeitsplatz im nächsten Monat oder nicht.« Umso mehr drängt sie darauf, ihren rund 1.450 KollegInnen reinen Wein einzuschenken, weil es zu ihren Grundsätzen gehört, alles mit der Belegschaft abzustimmen und zu erklären, »was da läuft und was passiert«.

Wollen nicht die Zeche zahlen

»Wenns schwierig wird bekommt der Betriebsrat die Schuld zugeschoben, weil die Arbeitnehmer ja zu viel gefordert haben«, ist Renate Blauensteiner verärgert: »Das sollte man unterlassen.« Vielmehr wünscht sie sich, Entscheidungsprozesse würden demokratischer ablaufen, »weil wir wollen als Arbeitnehmer nicht immer die Zeche zahlen«. Auch das Management mache Fehler, und oft frage man sich, ob es wirklich billiger sei, die Lohnverrechnung nach Spanien auszulagern, wenn MitarbeiterInnen oft wochenlang auf eine simple Gehaltsbestätigung warten müssen. Aber das Schuldbewusstsein von Managern halte sich in Grenzen.
Eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen in einem Unternehmen dieser Größenordnung und internationalen Verflechtungen ist eine funktionierende, gemeinsame Gesprächsbasis. Wie schnell diese verloren gehen kann, zeigen jüngste Ereignisse. Nach einem Treffen von BetriebsrätInnen, Gewerkschaft und Management in der Opelzentrale Rüsselsheim sind wieder einmal neue Entscheidungen auf den Tisch gekommen: Mehr Arbeitsplätze als verhandelt sollen dem Rotstift zum Opfer fallen, vertragliche Vereinbarungen seien gebrochen worden. Geht es nach dem Vize-Chef des europäischen Opel-Betriebsrates Rudi Kennes sei ein europaweiter Streik denkbar.

Betriebsrat unter Druck

Nicht ganz das, was sich Renate Blauensteiner vorstellt, denn für sie ist ein strikter Konfrontationskurs nicht hilfreich. »Man kann es schon machen, aber dann ist einer der Sieger und ein anderer der Verlierer, ich glaube, das ist die schlechteste Gangart.« Unternehmer oder Manager sollten aber wissen und verstehen, dass sie den Betriebsrat nicht aushebeln und gegeneinander ausspielen, sondern ihn mit einbeziehen sollen. »Manchmal, so hat man den Eindruck, agieren Manager weit weg von der Realität.« Immer und immer wieder erklärt die Geschäftsleitung, was alles nicht mehr leistbar ist. Wie stark derzeit der Betriebsrat unter Druck gesetzt wird, zeigt die Diskussion um ein neues »Schichtmodell«, in dem der Samstag zum Regelarbeitstag erklärt werden soll. Gebetsmühlenartig ist immer wieder zu hören, wie dringend dieses neue Modell eingeführt werden müsse, um Kosten zu senken und Überstunden zu reduzieren. Für die Arbeitnehmervertreterin eigentlich absurd, wenn einerseits mit der Krise argumentiert wird, andererseits derzeit das Volumen, die Stückzahlen hoch sind.
Natürlich ist man von der Belegschaft gewählt, um verschiedene Sozialleistungen auszuhandeln, und nicht um sie abzuschaffen. Andererseits muss man auch die wirtschaftliche Lage der Firma im Auge haben. Gerade die freiwilligen Sozialleistungen werden in der Krise immer in Frage gestellt. »Da muss man dann herausfiltern, wie weit man da mitgehen kann, wie wirkt sich das auf jeden einzelnen der Belegschaft aus, wie wirkt sich das auf das Unternehmen aus.« Nicht immer ganz einfach. Hilfreich ist es jedenfalls, wenn die Belegschaft ausführlich informiert wird und Versprechen eingehalten werden. Nur dann sind die KollegInnen für Zugeständnisse bereit.
»Als Betriebsrat ist man kein Wunderwuzzi«, deshalb greift die Gewerkschafterin in solchen Situationen auf ExpertInnen und AnsprechpartnerInnen in Gewerkschaft und Kammer zurück. Eine wichtige Stütze für sie, eigentlich »das Um und Auf, das braucht man«. Natürlich setzt Renate Blauensteiner auch auf Erfahrungen und Kenntnisse von KollegInnen anderer Werke, beispielsweise auf den Opel-Europabetriebsrat, zu dem beste Kontakte bestehen: »Man ist ja Teil des Ganzen, deshalb muss man sich gerade in der Krise vernetzen, um nicht ausgespielt zu werden, und als Arbeitnehmervertreterin nicht unter die Räder zu kommen.«

Monate der Unsicherheit

Wie nach Redaktionsschluss bekannt wurde, hat am 9. Februar das Opel-Management das lange angekündigte Sanierungskonzept veröffentlicht und die Katze aus dem Sack gelassen. Europaweit sollen 8.300 Stellen - 7.000 in der Produktion und 1.300 in der Verwaltung - abgebaut und das Werk in Antwerpen geschlossen werden. Von den Standortländern will man dafür noch Geld einsammeln. Das Werk in Aspern ist nicht von Kündigungen betroffen, doch werden auch hier die verbleibenden MitarbeiterInnen zur Kasse gebeten. Sie sollen auf einen Teil ihres Lohnes verzichten, steht im Papier. Da es derzeit keine Verhandlungen, geschweige denn eine Einigung über den Sanierungsbeitrag der Belegschaft gibt, stehen den Betriebsräten noch harte Zeiten ins Haus.

Weblink
Opel Austria Powertrain:
www.gm-powertrain.at

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