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Allen Anstrengungen zum Trotz wirtschaften wir nicht nachhaltig. Wir befriedigen unsere Bedürfnisse noch immer zu einem guten Teil auf Kosten der kommenden Generationen. Allen Anstrengungen zum Trotz wirtschaften wir nicht nachhaltig. Wir befriedigen unsere Bedürfnisse noch immer zu einem guten Teil auf Kosten der kommenden Generationen.

Wachstum im Wandel

Gesellschaftspolitik

Nachhaltigkeit ist das Schlagwort unserer Tage. Nachlese zu einer Konferenz über nachhaltige Entwicklung, die Ende Jänner in Wien stattgefunden hat.

In den fast 40 Jahren seitdem der erste Bericht des Club of Rome zu den «Grenzen des Wachstums” erschienen ist, hat die Frage danach nichts an Aktualität verloren. Gleichzeitig führt uns die Finanz- und Wirtschaftskrise eindringlich vor Augen, wie abhängig unser Wirtschaftssystem von einem kontinuierlich größer werdenden Bruttoinlandsprodukt ist. Bleibt uns also nur die Wahl zwischen Pest (Vernichtung unserer Lebensgrundlagen) und Cholera (sich zuspitzende Verteilungskämpfe als Folge einer schrumpfenden Wirtschaft)? Eine vor kurzem in Wien abgehaltene internationale Konferenz hat eine Reihe von aufschlussreichen Debatten dazu geführt.

Prognosen des »Club of Rome«

Anfang der 1970er-Jahre veröffentlichte der »Club of Rome« einen weltweit aufsehenerregenden Bericht zu den »fünf wichtigsten Trends mit weltweiter Wirkung« (beschleunigte Industrialisierung, rapides Bevölkerungswachstum, weltweite Unterernährung, Ausbeutung der Rohstoffreserven und Zerstörung des Lebensraumes). Auf Basis von computergestützten Modellsimulationen wurde eindrucksvoll demonstriert, wie ein exponentielles Wachstum (= stetige Zunahme um einen bestimmten Prozentsatz) menschlicher Aktivitäten im endlichen System Erde unvermeidlich an seine Grenzen stößt.
Der Bericht und die Erdölkrisen der 1970er- und Achtzigerjahre haben zu einem Bewusstseinswandel geführt, der seither in den verschiedensten politischen Initiativen seinen Niederschlag gefunden hat. Intensive Forschungsanstrengungen und massive Umweltschutzinvestitionen als deren Folge haben jedoch lediglich zu einer relativen Entkoppelung von wirtschaftlicher Aktivität und Ressourceneinsatz und Umweltbelastung geführt. Letztere sind zwar weniger stark als das BIP insgesamt, aber doch gestiegen. Weltweit wurden die vornehmlich auf die Industrieländer konzentrierten Maßnahmen noch zusätzlich durch den immer größer werdenden Ressourcenbedarf der rasch wachsenden Volkswirtschaften der Schwellenländer konterkariert.
Allen Anstrengungen zum Trotz wirtschaften wir nicht nachhaltig. Wir befriedigen unsere Bedürfnisse noch immer zu einem guten Teil auf Kosten der kommenden Generationen. Der Klimawandel aufgrund gestiegenen CO2-Ausstos-ses ist nur der augenscheinlichste Ausdruck dafür. Er ist gleichzeitig die Bestätigung einer der Kernaussagen des Club-of-Rome-Berichts, der festgestellt hatte, dass technologische Maßnahmen (z. B. effizientere Energienutzung) zwar einzelne Wachstumsbeschränkungen aufheben können, bei anhaltendem exponentiellem Wachstum das System aber sehr bald an seine nächste Grenze (z. B. durch weiter steigende Umweltbelastung) stößt.
Sind nun alle Konzepte eines »nachhaltigen« oder »grünen« Wachstums zum Scheitern verurteilt, weil sie bestenfalls den Kollaps etwas hinauszögern können? Müssen wir auf Wirtschaftswachstum vollkommen verzichten, um eine drohende Katastrophe zu vermeiden? So einfach, wie ein Ökologe diese Fragen beantworten würde, stellen sie sich in der gesellschaftlichen Realität leider nicht. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass in unserem Wirtschaftssystem zumindest zwei höchst unerfreuliche Dinge eintreten, wenn das BIP nicht mehr ausreichend wächst oder sogar schrumpft: Es steigen sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Budgetdefizite und damit die Staatsschuld.

Verteilungsungerechtigkeit

Längerfristig ist eine weitere Konsequenz unausweichlich: Während bei stetig wachsender Wirtschaft zumindest theoretisch jedes Mitglied der Gesellschaft von Jahr zu Jahr wohlhabender werden kann, gehen bei Stagnation Einkommenszuwächse einzelner Gruppen automatisch zulasten anderer. In den reichen Industrieländern mag es noch irgendwie vorstellbar sein, dass dies ohne verschärfte Verteilungskämpfe abgeht, weil die oberen Einkommensschichten freiwillig etwas von ihrem Überfluss abtreten und die unteren nicht aufbegehren, so lange sie ihre Grundbedürfnisse befriedigt sehen - auch wenn die empirische Erfahrung dagegen spricht. Im globalen Maßstab ist es jedoch einfach illusorisch zu glauben, die Bevölkerungen der aufstrebenden Schwellenländer würden sich damit abfinden, dass die weltweite Einkommenshierarchie für alle Zeiten einzementiert wird. Die grundsätzliche Frage, ob unser Wirtschaftssystem nicht auch aufgrund seiner inneren Logik längerfristig gar keinen Gleichgewichtszustand erreichen kann, ist dabei noch gar nicht gestellt. Im Kapitalismus ist letztlich Profitstreben die Triebfeder für wirtschaftliche Aktivität. Voraussetzung dafür ist allerdings der Einsatz von Kapital, das gegen Zinsen zur Verfügung gestellt wird. Diese wiederum müssen durch steigenden Umsatz und Gewinn erwirtschaftet werden. Kann das von den Unternehmern wegen fehlenden Wirtschaftswachstums nicht erwartet werden, werden sie auch nicht mehr investieren - und die Stagnation droht in Rezession umzuschlagen. Der Vergleich mit einem Fahrrad, das ohne Vorwärtsbewegung umfällt, drängt sich auf.

Die Bestie zähmen

Die Debatten und Konzepte der Vergangenheit zu einer nachhaltigen Entwicklung litten oft darunter, dass sie zu sehr an ökologischen Anforderungen und Zielsetzungen orientiert waren und die komplexe gesellschaftliche Realität nicht genügend reflektierten. Sie blieben daher oft auf Postulate nach einem generellen Umdenken beschränkt, oder sie präsentierten sich in so janusköpfiger Gestalt wie der Zugang der EU. Diese propagiert in der Lissabon-Strategie dynamisches Wachstum als Priorität der Wirtschaftspolitik und versucht gleichzeitig, die Bestie mit einer Nachhaltigkeitsstrategie zu zähmen.
Insofern erwarb sich die Ende Jänner vom Landwirtschafts- und Umweltministerium gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt, anderen Ministerien, der Nationalbank, den Ländern Wien und NÖ, Interessenvertretungen und NGOs sowie der Bank Austria veranstaltete Konferenz »Wachstum im Wandel« zweifachen Verdienst. Sie hatte einerseits einen wirklich breiten multidisziplinären Ansatz gewählt, und begnügte sich andererseits nicht nur mit Symptombeschreibung, sondern analysierte auch die hinter den Umweltproblemen liegenden Strukturen.

Zehn Arbeitskreise

In insgesamt zehn Arbeitskreisen wurden sowohl »klassische« ökologische wie ökonomische und soziale, politische wie statistische Aspekte des Themas behandelt und damit Nachhaltigkeit wirklich in einem umfassenden Sinn betrachtet. Die zweitägigen intensiven Debatten konnten und sollten kein Patentrezept für eine bessere und langlebigere Welt präsentieren. Sie zeigten aber, dass jenseits des Gegensatzes Zwang zum Wachstum - Zerstörung des Planeten Alternativen formuliert werden können, wenn man bereit ist, populäre Lehrmeinungen zu hinterfragen und Strukturen und Anreizsysteme unseres Wirtschaftssystems neu zu gestalten. Produktivitätssteigerungen können auch durch Arbeitszeitverkürzungen kompensiert werden, das steuerliche Anreizsystem kann viel radikaler zuungunsten umweltschädlicher Produktionen und Verhaltensweisen gestaltet werden, Wirtschaftswachstum überhaupt anders definiert werden. Es wird dabei allerdings notwendig sein, wieder verstärkt Verteilungsfragen anzusprechen, damit nicht jene die Zeche der Umstrukturierung zahlen, die schon jetzt zu den Unterprivilegierten zählen.

Eine Frage des Willens

Ob dies gelingt, und ob es nicht nur zu einer umweltgerechten Form des Wirtschaftens führt, sondern auch zu einer, die menschlicher und gerechter sein wird, wird eine Frage des politischen Willens und der Machtverhältnisse sein. Das große Interesse an der Konferenz (mehr als 500 in- und ausländische TeilnehmerInnen) beweist jedenfalls, dass nachhaltige Entwicklung ein Thema geworden ist, das breite Bevölkerungsschichten beschäftigt und auch nicht so bald von der politischen Tagesordnung verschwinden wird. In diesem Sinne ist es schade, dass ArbeitnehmerInnenorganisationen (wie auch die politischen Parteien) nur sehr spärlich vertreten waren.

Weblink
Mehr Infos unter:
www.wachstumimwandel.at/konferenz

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