topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
In der Landwirtschaft wird mehr als die Hälfte des aktiven Erwerbseinkommens aus Staatssubventionen erzielt, dazu kommen Pensionen und andere Sozialleistungen. In der Landwirtschaft wird mehr als die Hälfte des aktiven Erwerbseinkommens aus Staatssubventionen erzielt, dazu kommen Pensionen und andere Sozialleistungen.

Um-Fair-teilung

Schwerpunkt

UnternehmerInnen- und Kapitaleinkommen haben in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen, während die Lohnquote gesunken ist.

In der vor kurzem veröffentlichten Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) "Umverteilung im Wohlfahrtsstaat" wurde versucht, ein möglichst umfassendes Bild der Verteilung der Einkommen bzw. des wirtschaftlichen Wohlstandes zu geben. Der unzweifelhafte Wert dieser Studie liegt darin, dass sie zeigt, dass durch die Umverteilungsfunktion des Staates (Steuern und Abgaben einerseits, Sozialtransfers und Dienstleistung andererseits) die wirtschaftliche Ungleichheit deutlich reduziert wird.

Kapitaleinnahmen sind gestiegen

Die WIFO-Umverteilungsstudie bezieht sich jedoch ausschließlich auf die unselbstständig Beschäftigten (inklusive PensionistInnen). Begründet wird diese Beschränkung mit der unzureichenden Qualität der Einkommensdaten für Selbstständige und Kapitalerträge. Gleichzeitig wird behauptet, dass sich das Bild unter Einbeziehung dieses Teils der Bevölkerung nicht wesentlich ändern würde. Gerade die letztere Behauptung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Einerseits wird durch die Einschränkung auf die Löhne und Gehälter bei der primären personellen Einkommensverteilung das Ausmaß der Einkommensungleichheit in der Gesellschaft erheblich unterschätzt, da der überwiegende Teil der hohen Einkommen von Einkünften aus Gewerbebetrieben, freiberuflicher Tätigkeit und aus Kapital- und Grundbesitz stammt. Von den gesamten Einkommen der 1.369 Personen, die 2006 lt. Einkommensteuerstatistik in Österreich ein Einkommen von mehr als 500.000 Euro im Jahr bezogen haben, entfielen mehr als 80 Prozent auf diese Einkunftsarten. Die Daten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigen, dass UnternehmerInnen- und Kapitaleinkommen in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen haben, während die Lohnquote gesunken ist (funktionelle Einkommensverteilung).
In der WIFO-Studie wird aufgezeigt, dass sich in diesen zehn Jahren Löhne und Gewinne noch weiter auseinanderentwickelt haben. Die Steuerbelastung der Löhne ist von 14,5 Prozent 2000 auf 15,4 Prozent 2007 gestiegen, während die Belastung der Selbstständigeneinkommen und der Kapitalerträge von 13,5 Prozent auf 10,3 Prozent gesunken ist.
Aus Einkommens-, Körperschafts- und Kapitalertragssteuern konnten vor zehn Jahren noch acht Prozent der gesamten Staatsausgaben finanziert werden, 2009 waren es nur noch 6,7 Prozent - und das, obwohl die wirtschaftliche Bezugsgröße dieser Steuern deutlich überproportional zugenommen hat.

Selbstständige und Sozialstaat

Die jüngste Wirtschaftskrise hat wieder gezeigt, dass die Unternehmerseite in solchen Situationen keine Scheu hat, vom Staat finanzielle Hilfe zu verlangen, während sie bei der Bewältigung der budgetären Folgekosten für die Kürzung von Staatsausgaben, bevorzugt von Sozialtransferzahlungen, und gegen Steuererhöhungen plädiert.

Subventionen und Sozialleistungen

Aufseite der Industriellenvereinigung, welche die Interessen der Kapitalgesellschaften vertritt, liegt dem ein klareres Kalkül zugrunde, da Kapitalgesellschaften nicht Empfängerinnen von Sozialleistungen sind. Sehr wohl sind diese Unternehmungen aber Empfänger von Unternehmenssubventionen. Anders geartet sind hingegen die Interessenlagen der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Landwirtschaftskammer. Die WKÖ vertritt die Gesamtheit der etwa 300.000 Gewerbetreibenden, die nicht nur in Krisenzeiten staatliche Subventionen erhalten und stark von Sozialleistungen profitieren. In der Landwirtschaft wird mehr als die Hälfte des aktiven Erwerbseinkommens aus Staatssubventionen erzielt, dazu kommen Pensionen und andere Sozialleistungen. Wenn WKÖ und Landwirtschaft dennoch immer wieder für "Einsparungen bei den Sozialleistungen" eintreten, so geschieht dies in der Hoffnung, dass die eigenen Sozialleistungen davon nicht betroffen sein werden - was bisher in erstaunlichem Maß der Fall war.
Dass es den Interessenvertretungen der Selbstständigen bisher weitgehend gelungen ist, aus den wiederholten Spardiskussionen relativ ungeschoren davonzukommen, hängt vor allem damit zusammen, dass es bei ihren Sozialleistungen um absolut gesehen geringere Beträge geht als bei den Unselbstständigen, und sie sich immer wieder als ärmer darstellen als es ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Lage entspricht.

Beispiel Selbstständigenpensionen

Von den 2,15 Mio. Pensionen (Pensionsversicherung, exkl. Beamtenpensionen, alle Zahlen für 2008) entfielen fast 350.000 auf früher selbstständig Erwerbstätige (Gewerbetreibende, FreiberuflerInnen, Bauern). Mit 16 Prozent aller Pensionen liegt der Anteil der Selbstständigen hier höher als ihr Anteil an den Erwerbstätigen (10,8 Prozent). Die Altersversorgung der Selbstständigen beruht also ebenso auf einem staatlich organisierten, selbstverwalteten System wie jene der ArbeitnehmerInnen. Eine offenkundige Ungleichheit zu den ArbeitnehmerInnen besteht allerdings in der Finanzierung der Pensionen. Bei den ArbeitnehmerInnen kommt diese zu etwa 87 Prozent aus lohnbezogenen Abgaben. Bei den Selbstständigen werden nur etwa 30 Prozent der Pensionen aus einkommensbezogenen Beiträgen finanziert, dagegen 70 Prozent aus allgemeinen Steuermitteln (sog. "Bundeszuschuss"). Ein gewisser Teil des Unterschieds kann durch die hohe und immer noch steigende Pensionsbelastungsquote (PensionsbezieherInnen in Prozent der aktiven BeitragszahlerInnen) in der Landwirtschaft und durch die Auswirkung der "Wanderversicherung"1 erklärt werden. Ein erheblicher Teil des Bundeszuschusses resultiert jedoch daraus, dass die Beitragsprozentsätze der Selbstständigen geringer sind als jene der ArbeitnehmerInnen. Während 22,8 Prozent vom Lohn und Gehalt (bis zur Höchstbeitragsgrundlage) als Beitrag zur Pensionsversicherung zu entrichten sind, beträgt der entsprechende Prozentsatz 2010 für Gewerbetreibende (nach GSVG) 16,25 Prozent, für Bauern sogar nur 15 Prozent. Der Beitragssatz nach GSVG wird bis 2015 auf 17,5 Prozent angehoben, würde aber dann dauerhaft deutlich unter jenem nach ASVG (Unselbstständige) bleiben. Eine solche Bevorzugung entbehrt jeder ökonomischen oder sozialpolitischen Begründung, seit die früher für die Pensionsversicherung der Selbstständigen gewidmete Gewerbesteuer abgeschafft wurde.
Wenn die Unternehmerseite derzeit das hohe Defizit des Familienlastenausgleichsfonds kritisiert, ist dazu zu bemerken, dass die Leistungen des Fonds immer stärker auch von Selbstständigenhaushalten in Anspruch genommen werden können, während bei der Finanzierung des Fonds der Anteil der lohnbezogenen Beiträge mit über 75 Prozent heute deutlich höher ist als vor zehn oder 20 Jahren.

Landwirtschaft

Die Beurteilung der Einkommenssituation in der Landwirtschaft ist deshalb besonders schwierig, weil fast zwei Drittel aller 187.000 landwirtschaftlichen Betriebe nur eine Nebenerwerbsquelle sind. Allerdings gibt es unter den hauptberuflichen Landwirten eine wachsende Zahl mit guter Einkommenssituation, denen gegenüber der Anspruch gerechtfertigt ist, dass sie so viel Steuer und Sozialversicherungsbeiträge von ihrem Einkommen zahlen wie unselbstständig Beschäftigte. Allein die Sonderform der pauschalierten Einkommensermittlung bringt den Landwirten einen Vorteil von 200 Mio. Euro pro Jahr und reduziert ihre Einkommensteuerleistung auf nur 35 Mio. Landwirte zahlen demnach nur 15 Prozent von dem an Einkommensteuer, was NormalbürgerInnen bei gleichem Einkommen zahlen.

Resümee

Seit dem Jahr 2000 sind die Kapitaleinkommen und die Einkommen der Selbstständigen viel stärker gestiegen als die Löhne und Gehälter. Die soziale Sicherheit der Selbstständigen beruht ebenso auf staatlich organisierten Systemen wie jene der ArbeitnehmerInnen, wird aber in weit geringerem Ausmaß durch eigene Beitragsleistungen finanziert. Dies sind wesentliche Fakten, die bei kommenden Diskussionen über Budgetkonsolidierung gebührend zu berücksichtigen sein werden.

Weblink
WIFO-Umverteilungsstudie:
tinyurl.com/yazm6es

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
guenther.chaloupek@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 Die meisten Gewerbetreibenden beginnen ihre Berufslaufbahn als ArbeitnehmerInnen, z. B. im Betrieb der Eltern.

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum