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Fast immer rechnet sich die Mehrheit zur Mittelschicht. Kaum jemand deklariert sich als Angehöriger oder Angehörige der Oberschicht und auch nicht als Angehörige oder Angehöriger der Unterschicht. Fast immer rechnet sich die Mehrheit zur Mittelschicht. Kaum jemand deklariert sich als Angehöriger oder Angehörige der Oberschicht und auch nicht als Angehörige oder Angehöriger der Unterschicht.
Anteile am österreichischen Vermögenskuchen

Die Goldene Mitte

Schwerpunkt

Nach Berechnungen der Statistik Austria gehören mehr als sechs Mio. Menschen in Österreich zum sogenannten Mittelstand.

"A jeda gheat zu ana Minderheit" singt Wolfgang Ambros seit 1977. Heute hat man oft den Eindruck, dass die Zeile lauten müsste "a jeder gheat zur Mittelschicht". Unabhängig von der Gruppe in der man sich befindet, fast immer rechnet sich die Mehrheit zur Mittelschicht. Kaum jemand deklariert sich als Angehöriger oder Angehörige der Oberschicht und auch nicht als Angehörige oder Angehöriger der Unterschicht. In einer deutschen Befragung (für Österreich gibt es leider keine vergleichbare Untersuchung) bezeichnen sich knapp vier Prozent als Angehörige der Unterschicht, und nur 0,4 Prozent als Angehörige der Oberschicht, Selbst der oberen Mittelschicht fühlen sich nur neun Prozent zugehörig. Die große Masse also fühlt sich der Arbeiterschicht oder der Mittelschicht zugehörig.

IV vertritt die Mittelschicht?

Kein Wunder also, dass selbst die Industriellenvereinigung nun meint, sich als Vertreterin der Mittelschicht profilieren zu müssen. Die Zahl der Personen, die Industriebetriebe, und/oder eine Privatstiftung besitzen, dürfte mittelfristig wohl nicht ausreichen, um politische Mehrheiten für Steuerprivilegien aufrecht zu erhalten. Wer ist nun die Mittelschicht? Verwendet man das bedarfsgewichtete verfügbare Jahreseinkommen, so kann man rein statistische Grenzen ziehen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnet in seinen Untersuchungen jene Gruppe als Mittelschicht, die mehr als 70 Prozent aber weniger als 150 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Die Statistik Austria teilt die Personen ebenfalls in drei Gruppen: Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle (60 Prozent des Medianeinkommens) gelten als niedrig, Einkommen bis zur dreifachen Armutsgefährdungsschwelle (180 Prozent des Medians) als mittel, und Einkommen darüber als hoch.
Nach dieser Rechnung waren 2007 in Österreich 1,018.000 Personen (zwölf Prozent) armutsgefährdet, 6,474.000 (79 Prozent) im mittleren Bereich und 749.000 (neun Prozent) reich.  Man sieht bereits, dass es sich bei der großen mittleren Gruppe nicht um eine homogene Masse handelt. Was diese Gruppe jedoch verbindet ist ihre Abhängigkeit von ihrem Arbeitseinkommen. Sie ist definiert durch den engen Zusammenhang zwischen ihrer Arbeitsfähigkeit und ihrem Lebensstandard. So lange sie arbeiten können, geht es ihnen und ihren Kindern gut. Sobald sie ihren Arbeitsplatz oder ihre Arbeitsfähigkeit verlieren, sind sie massiv von sozialem Abstieg bedroht.

Kein Einkommen ohne Arbeit

Mittelschichtangehörige verfügen im Gegensatz zu Teilen der Oberschicht nicht über ein Vermögen, das groß genug ist, um ihnen auch ohne Arbeit ein dauerhaftes Einkommen zur Erhaltung ihres Lebensstandards zu sichern. Zur Entlastung der Mittelschicht wären also eine Entlastung von Arbeitseinkommen und ein fairer Beitrag von Vermögenseinkommen deutlich besser geeignet als Senkungen von Grenzsteuersätzen.
Schließlich unterscheidet sich die oberste Einkommens- und Vermögensgruppe deutlich von der Mittelschicht. Und selbst in der Gruppe der Reichen haben die Reichsten der Reichen noch deutlich mehr (meist arbeitsloses) Einkommen und Vermögen als jene, die es gerade zu den Besserverdienenden geschafft haben.

Durchschnitt mal 100

So zeigt die Grafik die Anteile am österreichischen Vermögenskuchen. Die drei fast gleich großen Stücke gehören aber keineswegs drei gleich großen Gruppen. Im Gegenteil: 90 Prozent der Bevölkerung und damit auch die gesamte Mittelschicht besitzen zusammen etwas weniger (31,7 Prozent) als das reichste Prozent der Bevölkerung (33,7 Prozent). Das oberste Prozent der ÖsterreicherInnen besitzt damit im Mittel etwa hundertmal so viel wie der Durchschnitt der breiten Bevölkerung. Das restliche Drittel des Vermögens teilen sich die "armen Reichen", die zwar zum obersten Zehntel aber nicht zum reichsten Prozent gehören, im Schnitt haben sie aber immer noch das Zehnfache der unteren 90 Prozent.
Eine selbst moderate Vermögenssteuer würde also nur zu weniger als einem Drittel die Mittelschicht betreffen, während die Lohnsteuer sowie die Sozialversicherungsabgaben praktisch ausschließlich von der Mittelschicht aufgebracht werden. Die Abhängigkeit von ihrer Arbeitsfähigkeit trennt die Mittelschicht nicht nur von den Reichen, sie verbindet sie auch mit großen Teilen der Unterschicht. Letztere sind allerdings aus verschiedensten Gründen - Krankheit, schlechter Ausbildung, ererbter Armut, usw. - nicht in der Lage, ausreichende Einkommen zu erzielen. Die Bereitstellung von guten öffentlichen Leistungen und entsprechender Absicherung ist für beide Gruppen wichtig. Daher werden Beiträge für die Erhaltung des Sozialsystems auch akzeptiert, so lange dieses System auch die Leistungen erbringt, die erwartet werden.
Ein Gesundheitssystem, das gute medizinische Betreuung nicht nur mit Zuzahlungen bereitstellt, ein öffentliches Bildungssystem, das den Kindern eine gute Ausbildung bietet, eine Arbeitslosenversicherung, die den unmittelbaren Abstieg in die Armut bei Arbeitslosigkeit verhindert, und nicht zuletzt eine funktionierende öffentliche Infrastruktur sind für die Mittelschicht von zentraler Bedeutung.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Während sich viele Debatten über den Sozialstaat auf die Umverteilung von Einkommen von hohen zu niedrigen Einkommen konzentrieren, wird die viel wichtigere Funktion der Umverteilung zwischen Lebensphasen und zwischen guten und schlechten Zeiten innerhalb einer Gruppe, aber auch im individuellen Lebenslauf übersehen.
So ist etwa die Phase der Familiengründung eine Phase, in der mehr sozialstaatliche Leistungen in Anspruch genommen werden. Beginnend von den vermehrten Besuchen bei Ärzten, über Wohnbeihilfen oder Wohnbauförderungen bis hin zu den Familienbeihilfen. Anschließend stabilisiert sich wenn alles gut geht das Einkommen, und die Mittelschichtangehörigen leisten Beiträge in die Sozialsysteme und Steuern zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen. Im Idealfall bis zum Pensionsalter, wo durch Pensions-, später auch Pflegeleistungen wieder Unterstützung in Anspruch genommen wird.
So ist es auch bei der Umverteilung von guten zu schlechten Lebensphasen. Wer das Glück hat, gesund zu sein und seine Arbeit zu behalten zahlt Beiträge, auch um im Fall von Krankheit oder Arbeitslosigkeit Unterstützung zu erhalten.

Besser NettozahlerIn als krank

Die Debatte um NettozahlerInnen oder NettoempfängerInnen ist in diesem Zusammenhang völlig widersinnig. NettoempfängerInnen von Leistungen des Sozialstaates wird man, wenn einem das Leben übel mitspielt, man arbeitslos, krank oder invalide wird. Eine Situation mit der kaum ein gesunder Mensch mit sicherem Arbeitsplatz tauschen wollte, nur um nicht NettozahlerInnen zu sein.
Es ist immer besser andern helfen zu können, als auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.

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