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Ich machte diese heftige Kritik des ÖGB im Pressefoyer nach dem Ministerrat zum Thema und wollte von Kanzler wissen, wie er sie entkräften könne. Daraufhin warnte mich Schüssel, ich solle nicht die Kampfparolen des Gewerkschaftsbundes übernehmen. Ich machte diese heftige Kritik des ÖGB im Pressefoyer nach dem Ministerrat zum Thema und wollte von Kanzler wissen, wie er sie entkräften könne. Daraufhin warnte mich Schüssel, ich solle nicht die Kampfparolen des Gewerkschaftsbundes übernehmen.
Buchtipp

Die Demoralisierung

Schwerpunkt

Vor zehn Jahren ließ Finanzminister Grasser "einen guten Tag mit einem sanierten Budget beginnen". Eine Top-Journalistin erinnert sich an die Wende.

Der Blick auf die Ereignisse, die sich vor vielen Jahren abgespielt haben, ist oft mit Unschärfen sowie Verklärungen verbunden und trägt meist wenig zum tiefen Verstehen des Geschehenen bei. Der Blick zurück ist folglich ein wenig lohnender - außer es handelt sich um Ereignisse, die, wie in unserem Fall, den Kodex einer politischen Ordnung in Frage gestellt haben und deren Nachhall noch immer spürbar ist. Diese Vorgänge sind das Werk von zwei Männern, die ihren persönlichen politischen Ehrgeiz über die Interessen eine Landes und seiner Menschen gestellt haben: Wolfgang Schüssel und Jörg Haider haben sich Österreich zu Willen gemacht - ohne Rücksicht darauf, welche Werte, Haltungen und Interessen verletzt wurden.

Von langer Hand vorbereitet

Der 4. Februar 2000, Tag der Angelobung des Kabinetts Wolfgang Schüssel I, hat eine lange Vorgeschichte. Schwarz-Blau war von langer Hand vorbereitet. Auch die Inhalte, die die Rechtsaußen-Regierung in den Jahren bis 2006/07 umsetzen sollte, waren strategisch vorbereitet. Zerschlagung der Sozialpartnerschaft und Privatisierungsexzesse waren gewollt.
1999 waren zwischen ÖVP und FPÖ die Grundlagen der künftigen Zusammenarbeit längst besprochen. Indiz dafür ist eine Sitzung des freiheitlichen Bundesparteipräsidiums im Sommer 1999. Damals analysierte Parteichef Jörg Haider die politische Lage und kam zum Schluss, dass die FPÖ in jedem Fall nach der kommenden Nationalratswahl in der Regierung vertreten sein werde. Dass die Weichen in Richtung Schwarz-Blau gestellt waren, hatte sich im Sommer 1999 auch unter den Funktionären der ÖVP herumgesprochen.

Die große Pokershow

So sollte es auch kommen und alle "Offenlegungen" sowie Beteuerung von Wolfgang Schüssel, Andreas Khol und anderen in der ÖVP, die Geschehnisse um die Jahreswende 1999/2000 hätten sich einfach "entwickelt" sind grober geschichtskittender Unfug. Das Versprechen von Schüssel, die ÖVP werde im Fall, dass sie bei den Nationalratswahlen nur auf dem dritten Platz lande in Opposition gehen, war nur zur Wählermaximierung gedacht. Es reichte dennoch nicht für die ÖVP, Platz zwei bei den Wahlen am 3. Oktober 1999 zu erobern. An diesem Abend begann für den Gambler Schüssel die großer Pokershow.
Wochenlang verweigerte er sich konstruktiven Gesprächen, um eine Regierungsbildung möglich zu machen mit dem Hinweis auf seine Aussagen im Wahlkampf. Wohl wissend, dass er sein angeschlagenes Gegenüber, Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) in eine ausweglose Situation trieb. Erst als Frust und Druck in der Öffentlichkeit über die Verweigerungshaltung der ÖVP so groß wurden, dass neuerliche Wahlen im Raum standen, gab Schüssel nach und bequemte sich zu sogenannten Sondierungsgesprächen mit der SPÖ. Im Zuge dieser Gespräche schraubte er die Forderungen an die SPÖ immer höher, bis sie schließlich scheiterten. In Rekordzeit wurde das schwarz-blaue Regierungsprogramm "ausverhandelt". Ende Jänner präsentierten Schüssel und Haider ihr Regierungsprogramm, das noch von den Parteigremien abgesegnet werden musste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Wende einen neuen autoritären Ton im Land bringen würde.
Dieser wurde erstmals in jenen Nachtstunden manifest, als der ÖVP-Bundesparteivorstand zusammentrat, um das Koalitionspapier mit der FPÖ abzusegnen. Es war wenige Tage vor dem 4. Februar 2000. Der schwarze Parteivorstand war in den Klubräumen der ÖVP im Parlament zusammengekommen, um das Programm zu diskutieren und für 22 Uhr wurde eine Pressekonferenz einberufen. Die Diskussionen im ÖVP-Vorstand zogen sich bis nach Mitternacht in die Länge, und die Pressekonferenz konnte erst gegen 0.30 Uhr beginnen. Schüssel und seine engsten Vertrauten traten vor die nur noch spärlich anwesende Journalistengruppe und der damalige Außenminister verkündete stolz, dass der Parteivorstand mit nur einer Stimmenthaltung das schwarz-blaue Paket angenommen habe.

Rauschen im Blätterwald

Die nationale und internationale Empörung über die Vorgangsweise von Schüssel, Haider und Co. war bereits groß. Untertags hatten zwei vorab bekanntgewordene Interviews für große Aufregung gesorgt. Zum einen hatte Jörg Haider in einem Interview mit der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" heftige Attacken gegen die Staats- und Regierungschefs der EU geritten, vom Ende der Vergangenheitsbewältigung und mehr gefaselt. Der ORF meldete ununterbrochen und in den internationalen Presseagenturen jagte eine Eil-Meldung die andere. Wohl kaum ein Vorgang, der dem österreichischen Außenministerium und seinem Chef Schüssel verborgen bleiben konnte. Fast zeitgleich veröffentlichte die Austria Presse Agentur ein Interview von Bundespräsident Thomas Klestil mit dem News-Redakteur Alfred Worm. Klestil übte darin heftige Kritik an Schüssel und warf ihm einen Zick-Zack-Kurs bei den Sondierungsgesprächen vor, was nichts anderes heißt, als dass Schüssel den Präsidenten getäuscht hatte.
Das alles war Schüssel naturgemäß bekannt, als er zur Geisterstunde die JournalistInnen über das Ergebnis der ÖVP-Vorstandssitzung informierte. Diese wussten es ebenso und wollten von Schüssel wissen, wie er die Vorgänge einschätze. Der Mann, der sich bereit machte ins Kanzleramt einzuziehen, war aber in jenen Nachtstunden nicht gewillt, der demokratischen Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen. Als eine Journalistin hartnäckig blieb und versuchte, den Außenminister auf die internationalen Auswirkungen anzusprechen, wurde er unwirsch und meinte, die Kollegin habe ohnedies schon eine Frage gestellt und beendete die Pressekonferenz unvermittelt. Die wenig verbliebenen JournalistInnen erfuhren zum ersten Mal, was die kommenden Jahre bringen sollten: Schweigen, Ignorieren, Untertauchen gegenüber kritischen Fragen der Öffentlichkeit, und wenn dies alles nichts nütze Einschüchterung und ökonomischer Druck auf die Verlage, die JournalistInnen beschäftigten, die "nicht mehr ins neue Regime passten." Der neue autoritäre Ton im Land wurde in den turbulenten Tagen besonders deutlich: Gerhard Marschall, damals Redakteur der Oberösterreichischen Nachrichten wurde von seinem Arbeitgeber Rudolf Cuturi mit den Worten gekündigt, er Marschall, passe nicht mehr ins neue Regime, weil er es gewagt hatte die neue Konstellation zu kritisieren.

Ein neuer Ton im Land

Der neue autoritäre Ton im Land sollte sich in den kommenden Wochen weiter verschärfen. Beim ersten inhaltlichen Ministerrat begann Schüssel, offen Druck auf kritische JournalistInnen auszuüben. In diesen Tagen ging es um die Beurteilung des Regierungsprogramms u. a. durch den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Dieser hatte in Analysen des Programms heftig kritisiert, dass es ein Umverteilungsprogramm zulasten der ArbeitnehmerInnen sei.
Ich machte diese heftige Kritik des ÖGB im Pressefoyer nach dem Ministerrat zum Thema und wollte vom Kanzler wissen, wie er sie entkräften könne. Daraufhin warnte mich Schüssel, indem er meinte, ich sei die Innenpolitikchefin einer nicht unwichtigen österreichischen Tageszeitung, und ich solle nicht die Kampfparolen des Gewerkschaftsbundes übernehmen. Eine unverhohlene Drohung gegenüber einer Journalistin, deren Aufgabe es schließlich ist, den Regierenden kritische Fragen zu stellen. Nicht nur in meinem Fall, auch im ORF und gegenüber anderen kritischen Journalisten wurde massiver Druck ausgeübt, der dazu führte, dass sie ihrer Funktionen enthoben wurden, wenn sie sich nicht dem neuen Regime anpassten. Die in den folgenden Jahren manifest gewordene Demoralisierung der österreichischen Öffentlichkeit hat damals ihren Anfang genommen. Sie war und ist die Grundlage für viele Fehlentwicklungen in Österreich, die heute in ihrer gesamten Tragweite sichtbar werden (Stichwort System K. H. Grasser) und massiv nachwirken.

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