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In jüngerer Vergangenheit versucht man allerdings Fair Trade auch auf Bekleidung (Clean Clothes), Öl, Computer und Diamanten auszuweiten. In jüngerer Vergangenheit versucht man allerdings Fair Trade auch auf Bekleidung (Clean Clothes), Öl, Computer und Diamanten auszuweiten.

Es ist nicht alles fair …

Gesellschaftspolitik

Grundsätzlich ist fairer Handel gut und wichtig. Manchmal jedoch liegt der faire Handel in unfairen Händen - in denen von Billig-Discountern.

Wer kennt sie nicht, die Bananen, die mit dem Fairtrade-Siegel immer häufiger in der Supermarktkette verkauft werden. Auch Kaffee und Schokolade stechen ins Auge, und bewusst und nachhaltig denkende KonsumentInnen kaufen gern - nicht zuletzt aus einem schlechtem Gewissen gegenüber dem Rest der Welt heraus - die angebotenen, oft attraktiv verpackten, wenn auch deutlich teureren Produkte.

"Trade not Aid"

Der Gedanke des fairen Handels entwickelte sich in den 60er-Jahren. Die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von Hilfsleistungen aus den Ländern des Nordens sollte endlich beendet werden, Hilfe zur Selbsthilfe - "Handel statt Hilfe" war der neue Slogan.
Den kontrollierten Handel, bei dem den ProduzentInnen ein höherer - angemessenerer - Preis gezahlt wird, bezeichnet man als fairen Handel (Fair Trade). Das Einkommen von ProduzentInnen und ArbeiterInnen soll nicht nur höher, sondern auch verlässlicher sein und dadurch die Armut reduzieren. Diese Handelsbewegung konzentriert sich auf Produkte, die aus den Ländern des Südens in den Norden exportiert werden. Meist umfasst fairer Handel Produkte aus Landwirtschaft und traditionellem Handwerk. In jüngerer Vergangenheit versucht man allerdings Fair Trade auch auf Bekleidung (Clean Clothes), Öl, Computer und Diamanten auszuweiten. Man denkt derzeit auch darüber nach, "faire Preise" für europäische Milchbauern und -bäuerinnen zu garantieren. Die Preise werden im Dialog mit den ProduzentInnen festgelegt, sind also nicht am Weltmarktpreis ausgerichtet und liegen häufig deutlich über dem Preis des freien Marktes. Biologisch müssen die Produkte in der Regel nicht produziert werden, bestimmte Pestizide sind allerdings verboten und mehr und mehr geht "Bio" mit Fair Trade Hand in Hand. Soweit die Kriterien der internationalen Dachorganisation des fairen Handels (FINE).
Fairer Handel versteht sich als HandelspartnerInnenschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Soziale Rechte für benachteiligte ProduzentInnen und ArbeiterInnen sollen gesichert werden - d. h. gerechte Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsfreiheit. Sklaverei und Kinderarbeit sind verboten. Was daran zu bedenken ist: Gewerkschaftsfreiheit und gute Arbeitbedingungen sind wichtige und löbliche Grundsätze, die eingehalten werden müssen. Bleibt die Frage, ob die euro-amerikanischen Discounter, die vermehrt Fair-Trade-Produkte anbieten, auch Arbeitsbedingungen bieten, die diesen "fairen Kriterien" immer entsprechen.  Bedenkt man die Praktiken mancher dieser Ketten - gerade was die Gründung von Betriebsräten etc. anbelangt - kommt man ins Zweifeln. Offenbar kümmert Fair Trade der Kaffee nur, so lange er noch nicht im Sackerl abgefüllt wurde. Natürlich ist es wichtig, dass viele Fair-Trade-Produkte verkauft werden. Ursprünglich wurden fair gehandelte Produkte nur in sogenannten Weltläden angeboten, in denen meist eine fix angestellte Halbtagskraft ca. sechs bis 20 ehrenamtliche MitarbeiterInnen koordiniert. Allerdings werden diese Läden nur von einer bestimmten Schicht - meist weiblich, gebildet, zwischen 30 und 50 - frequentiert. Möchte fairer Handel mehr KonsumentInnen ansprechen, dann bleibt wohl keine Wahl, als der Gang in die Billig-Discounter - wenn es auch noch so unmoralisch anmutet. Fair Trade muss sich früher oder später darüber klar werden, ob sich die Organisation breiter am Markt etablieren möchte, oder ob faire Handelsgüter zwar Nischenprodukte bleiben, jedoch konsequent und bis auf den Tisch der VerbraucherInnen fair gehandelt werden. Tatsache ist und bleibt, dass heute ungefähr 50 Prozent der Produkte mit dem Fair-Trade-Siegel in den Discountern gehandelt werden. (Nur zehn Prozent in Weltläden, etwa 25 Prozent in Bio- und Alternativläden und der Rest in der Gastronomie.)

Trotz Erfolgen in der Krise?

NGOs und JournalistInnen kritisieren die Deals, die Transfair (Deutschland) und Fairtrade (Österreich) mit LIDL, Air Berlin oder sogar NestlÈ geschlossen haben. Doch auch in den Ländern des Südens, wie zum Beispiel in Mexiko, sind Bauern und Bäuerinnen über die Entwicklungen im fairen Handel beunruhigt. Mehr und mehr verkaufen KleinbäuerInnen wieder an die ZwischenhändlerInnen der Kaffeekonzerne, die den Spitznamen "Coyotes" tragen. Obwohl Fair Trade eigentlich hohe Abnahmepreise garantiert, sind sie mittlerweile oft doch geringer als versprochen. Es fehlt Klarheit darüber, wo genau dann das Geld bleibt, das von den KonsumentInnen im Norden zusätzlich zum "Normalpreis" gezahlt wird. Was passiert wirklich am Weg von der Bohne in die Kaffeetasse?
Dazu kommt, dass die Bio-Zertifizierung hohe Gebühren kostet, ebenso wie die Labels "Fairtrade" oder "Transfair" selbst. Klein- und Kleinstbetriebe werden dadurch mehr und mehr von Fair Trade ausgeschlossen. Der faire Handel und seine Dachorganisation liebäugeln mittlerweile auch mit Großkonzernen der Regionen und mit den GroßgrundbesitzerInnen. Da scheint es den KleinproduzentInnen oft sicherer, auf die altbekannten HandelspartnerInnen zu setzen, mögen sie noch solche "Koyoten" sein.

Und noch mehr Kritikpunkte

Immer öfter wird kritisiert, dass die garantierten Preise für landwirtschaftliche Produkte zur Überproduktion führten. Überproduktion führt aber stets zum Preisverfall. Der faire Handel motiviere Bauern und BäuerInnen dazu, weiterhin Armut fördernde Produkte herzustellen, noch dazu großteils typische Waren aus der Zeit der kolonialen Unterdrückung. Außerdem impliziere der Begriff Fair Trade, dass jeder andere Handel unfair sei - die Märkte sollten viel mehr ganz generell für ProduzentInnen aus Entwicklungsländern geöffnet werden. Von manchen werden die auferlegten Umwelt- und Sozialstandards auch als Diskriminierung der Entwicklungsländer gesehen, ja sogar als versteckter Protektionismus.

Und doch

Insgesamt gibt es sie doch, die positiven Auswirkungen von fairem Handel. Loraine Ronchi von der "Poverty Research Unit" der Universität Sussex hat festgestellt, dass "der faire Handel seine Ziele erreicht" und die "Einnahmen kleiner HerstellerInnen verbessert hat". Dazu kommt, dass sich deren Lebensqualität deutlich verbessert hat.
Zu ähnlichen Schlüssen kam eine ForscherInnengruppe der Colorado State University - das Wohlbefinden der kleinen Kaffeebauern und -bäuerinnen in Lateinamerika habe sich verbessert. Des Weiteren habe sich der Zugang zu Krediten und auswärtigen Entwicklungsfinanzierungen, ebenso wie der Zugang zu Bildung und Ausbildung deutlich verbessert. Es war sogar möglich, die Qualität des Kaffees zu steigern und auch die Kaffeepreise in der Region haben sich im Allgemeinen positiv entwickelt. Dies sind erfreuliche Ergebnisse, die nicht von der Hand zu weisen sind und ohne die viele ProduzentInnen immer noch ein karges Los fristen würden.
Ist fairer Handel nun richtiger Handel oder doch Entwicklungspolitik? Ist fairer Handel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und werden dadurch nicht neue Abhängigkeiten geschaffen? Wird die soziale Ungleichheit im Süden nicht durch den fairen Handel noch vergrößert? Nicht alle haben Zugang dazu! Und bedenkt man die ökologischen Auswirkungen von langen Transportwegen: Sind die positiven sozialen Auswirkungen groß genug, um die negativen ökologischen Auswirkungen aufzuwiegen? Letztlich fragt sich noch - ist die Produktpalette nicht viel zu stark von klassisch kolonialen Produkten geprägt?
All diese Fragen können hier nicht beantwortet werden - und sind teilweise auch vom fairen Handel selbst noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden. Es bleibt also vieles offen - klar ist aber: Es ist sicherlich nicht alles fair was glänzt.

Weblinks
Fairtrade bei Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel
Faire Organisationen: (Hier kann man auch die Erfolgsgeschichten nachlesen.)
www.fairtrade.at/
www.cleanclothes.at/
Faire Bekleidung, die auch noch organisch ist - die ökofaire Modekollektion:
www.goettindesgluecks.com
Wien und Fair Trade:
not.priv.at/konsumacht/links.html

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ruth.bauer@gmx.net
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aw@oegb.at

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