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Ich spreche Hochdeutsch Was dem einen die Grundbirn ist für andere die Kartoffel oder der Erdapfel.

Ich spreche Hochdeutsch

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Fast jeder Mensch hat ein emotional bewertendes Verhältnis zu Dialekten und schließt damit auf den/die SprecherIn. Wie wirkt sich das im Berufsleben aus?

Deutsch ist die meist gesprochene Muttersprache der Europäischen Union, allerdings klingt ein Tiroler ganz anders als ein Schweizer oder ein Norddeutscher, selbst wenn sie "nach der Schrift" sprechen. Dabei sind Unterschiede nicht nur durch den Akzent hörbar, auch der Gebrauch unterschiedlicher Vokabeln kann das gegenseitige Verstehen erschweren. Was dem einen die Grundbirn ist für andere die Kartoffel oder der Erdapfel. Und sobald richtiger Dialekt gesprochen wird, kann es schon innerhalb Österreichs zu Verständnisproblemen kommen.

Deutsch und Österreichisch

Als deutsche Sprache wird heute die auf der Basis von mitteldeutschen und oberdeutschen Mundarten entstandene deutsche Standardsprache bezeichnet, also das, was allgemein Hoch- oder Schriftdeutsch genannt wird sowie sämtliche dazu gehörende Mundarten. Dabei ist etwa österreichisches Deutsch kein Dialekt des in Deutschland gesprochenen, sondern eine eigene, sogenannte Standardvarietät. Als Umgangssprache wird die Alltagssprache bezeichnet, in der Regel meist eine Zwischenstufe zwischen Hochdeutsch und Dialekt, landschaftlich gefärbt und zum Teil auch geprägt durch soziale Herkunft und Bildungsstand.
Weder Dialekt noch Standardsprache sind immer und überall erwünscht oder sinnvoll, die meisten Menschen passen sich hier bis zu einem gewissen Grad der aktuellen Umgebung an. Vor allem im Berufsleben stellt sich allerdings manchmal die Frage, wie weit soll oder kann man sich anpassen? Schließlich empfehlen Jobcoaches und Ratgeber, dass man sich beispielsweise bei Bewerbungsgesprächen nicht verstellen und möglichst authentisch bleiben soll. Aber wie viel Dialekt verträgt der Chef? In welchen Bereichen ist es sinnvoll, auch Mundart zu sprechen? Während entscheidende Faktoren wie aussagekräftige Bewerbungsunterlagen, Pünktlichkeit, angemessene Kleidung, Körpersprache u. ä. häufig thematisiert werden, gibt es zum Thema Mundart oft keine ganz eindeutigen Aussagen. Schließlich haben Dialekte auch heute noch ihre Bedeutung - trotz fortschreitender Standardisierung durch die Massenmedien und allgegenwärtiger Anglizismen.
An sich dient Sprache der gegenseitigen Verständigung, sie kann aber auch eine Barriere sein. Wer das in der jeweiligen Branche übliche Wording nicht drauf hat, wird vermutlich schon beim Bewerbungsgespräch eher negativ auffallen. Wer Sportschuhe statt Sneakers sagt, wer nicht weiß, was ein iPad ist oder twittern, der gilt in manchen Bereichen als hoffnungslos altmodisch. Noch viel schneller (und instinktiver) wird beim Dialekt bzw. der Sprachfärbung geurteilt. So stehen der kärntnerische und der Tiroler Dialekt/Akzent an der Spitze der Beliebtheitsskala bei den ÖsterreicherInnen. Wienerisch und steirisch dagegen rangieren ganz unten. Dialekt kann einerseits Nähe herstellen, andererseits kann vor allem im beruflichen Umfeld Distanz durchaus sinnvoll sein. Ein aus dem Südburgenland stammender Installateur muss mit einem Kunden nicht unbedingt hochdeutsch sprechen, um professionell zu wirken. Es kann allerdings durchaus sinnvoll sein, seine Sprache entsprechend anzupassen, sobald er es mit einem Wiener Universitätsprofessor zu tun hat.

Karriere trotz Dialekt?

So lautete 2007 der etwas provokante Titel der Diplomarbeit von Barbara Kellner, die sich mit der Rolle von Standardsprache und Dialekt bei der Personalauswahl beschäftigte. Acht PersonalistInnen im Banken- und Versicherungssektor standen dazu Rede und Antwort. Im Grunde ist es von der Position abhängig, ob BewerberInnen auch Standardsprache können sollen. Wer allerdings auf der Karriereleiter nur ein Stück weit nach oben will, der muss Hochdeutsch sprechen können und darf dabei nicht gekünstelt wirken. Wer etwa beim Bewerbungsgespräch von Anfang an Dialekt spricht, wird meist instinktiv erst einmal in die Kategorie "weniger gebildet/soziale Unterschicht" eingereiht. Kommunikative Kompetenz, auch punkto Anpassung der Sprache an das soziale Umfeld und die Situation, ist in Führungspositionen Grundvoraussetzung. Spricht ein Kunde Dialekt, so ist es besser, nicht konsequent Hochdeutsch zu sprechen. Das schafft Nähe und Vertrauen (diesen Effekt nützen auch PolitikerInnen und Werbefachleute). Einen fremden Dialekt nachzuahmen kommt allerdings meistens nicht gut an. In solchen Fällen ist es besser, Umgangssprache zu wählen, also authentisch zu bleiben.
Die branchenbedingten Unterschiede sind manchmal nicht zu überhören. Eva K., heute Berufs- und Bildungsberaterin bei einer öffentlichen Einrichtung, war fünf Jahre lang bei einem renommierten Consulting-Unternehmen tätig: "Dort wurde mit Kunden/-innen und in der Regel auch mit den KollegInnen Hochdeutsch gesprochen. Hier ist das doch etwas anders. Generell führe ich meine Beratungen auf Hochdeutsch, vor allem dann, wenn ich mit MigrantInnen spreche. Sobald allerdings KlientInnen im Dialekt sprechen, passe ich mich dem Sprachniveau an, einfach um die Betreffenden so besser zu erreichen."

Ost-West-Verständigungsprobleme

Österreich ist ein kleines Land, aber Verständigungsprobleme zwischen West und Ost wird es immer wieder geben. Diese sorgen immerhin manchmal auch für Heiterkeit und Gesprächsstoff - auch im eher privaten Bereich wie beispielsweise in der Kantine. Stefan M. kommt aus Tirol und lebt seit 25 Jahren in Wien: "Wenn ich etwa nach einem Besuch bei meinen Eltern dann in Wien irrtümlich zwoa Semmeln verlange, werd‘ ich oft nicht verstanden. Aber an sich arbeiten hier in Wien ohnehin so viele Leute aus den Bundesländern, da fällt man mit irgendeinem Akzent nicht weiter auf. Ansonsten hab ich beruflich sehr viel mit Deutschen zu tun, meinen Akzent hab ich aber nie als Nachteil empfunden." Etwas mehr Anfangsschwierigkeiten und meist auch Vorurteile müssen deutsche ArbeitnehmerInnen in Österreich überwinden. Nicht nur, dass ihnen viele Ausdrücke wie Erlagschein, Lade, Pickerl, Tixo anfangs völlig neu sind, man kann ihnen ihre Herkunft auch noch nach etlichen Jahren in Österreich anhören. Trotzdem fühlen sich viele in Österreich rasch heimisch und denken mit Schmunzeln an die ersten Kommunikationsprobleme zurück. "Als ich hier das erste Mal in einem Drogeriemarkt war und die Kassiererin murmelte Gratissackerla, hab ich ihr höflich einen schönen Tag gewünscht - und mich still gewundert, wie seltsam die Österreicher grüßen …!" erzählt die Regieassistentin Ute aus Frankfurt.
Aktuell sind Deutsche die zweitgrößte Gruppe ausländischer ArbeitnehmerInnen in Österreich. Sie gelten als zuverlässig, pünktlich und professionell. Die Sprache ist im Job erst mal ein Bonus, beliebt sind Deutsche aber eher nicht. Doch in Zeiten von Globalisierung und transnationalen Unternehmen werden wir auch mit unseren deutschen Nachbarn zurechtkommen müssen. Eva, 27, kommt aus Essen, hat einige Jahre in Bayern studiert und arbeitet seit zwei Jahren in Wien: "Ich habe überwiegend positive Erfahrungen, eventuelle Meinungsverschiedenheiten über Bezeichnungen, Aussprache oder das grammatikalische Geschlecht sind nach wie vor eher amüsant. Und mit der typisch deutschen Gründlichkeit kann ich mich identifizieren. Weniger witzig finde ich es, wenn jemand über die ›PiefkesÜ herzieht, aber danach mich als die große Ausnahme bezeichnet."
In der Schweiz sind Deutsche derzeit ebenfalls ziemlich unbeliebt. Dass sie den SchweizerInnen die Jobs wegnähmen, war in den vergangenen Monaten Thema in vielen Medien. Im Februar hat der Schweizer Soziologe Marc Helbling vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eine Studie veröffentlicht, nach der die Deutschen an vierter Stelle der Unbeliebtheitsskala unter den MigrantInnen liegen - nicht zuletzt wegen der gemeinsamen Sprache, die in der Praxis dann doch sehr unterschiedlich ausfällt und eher als Trennlinie erlebt wird.

Gute Noten für Leistung

Punkto Leistung erhalten die Deutschen allerdings immer wieder gute Noten. So fanden bei einer globalen Umfrage im Auftrag der BBC 61 Prozent der Befragten den Einfluss der Bundesrepublik in der Welt positiv, nur 15 Prozent verbanden mit Deutschland eher negative Empfindungen.

Weblink
Die Schule des Sprechens:
www.sprechen.com

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