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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Vielfalt schmeckt

Meinung

Gestern war ein besonderer Abend. Ich war zur Neueröffnung eines Lokals eingeladen, das lange Zeit einer meiner absoluten Lieblingsplätze in dieser Stadt war.

 Bis vor einem halben Jahr der Wirt und Besitzer überraschend starb - Herzinfarkt.

Global Bistro

"Kokoro" - Herz auf Japanisch - hatten er, der Sepp aus Tirol, und seine Frau Sook, die Koreanerin, das winzige Restaurant genannt - "Global Bistro" im Untertitel. Das Gemälde mit der Rialto-Brücke an der Wand war wohl von den Vormietern übrig geblieben.
Der Sepp war in Alpbach geboren und aufgewachsen und hatte Koch gelernt. Auch ein bisschen, um die Welt zu sehen - und dass er die gesehen hat, davon zeugten jede Menge Fotos an den Wänden seines "Kokoro" und in dicken Alben: Afrika, die Bermudas, Hongkong, Seoul. Er hatte für Staatsoberhäupter, gekrönte Häupter, Stars und Nobelpreisträger gekocht. An so vielen Orten hatte er gelebt und gearbeitet und überall etwas mitgenommen: Spezialitäten, Rezepte, Ideen, Freunde. Vor ein paar Jahren war er dann mit seiner Frau und den beiden Kindern heimgekehrt nach Österreich - auch und vor allem wegen der Bildungsmöglichkeiten für Sohn und Tochter.
Sook hatte nie wirklich Deutsch gelernt, und so wurde im "Kokoro" vor allem auf Englisch oder in internationalem Kauderwelsch bestellt und gescherzt. Die Speisekarte war begrenzt, denn im Grunde kochte der Sepp genau das, was der Markt bei seiner morgendlichen Einkaufstour hergab. Und das waren immer köstlichste Kombinationen aus den verschiedensten Zutaten, Geschmackssymphonien mit gesunden Nebenwirkungen.
Im Laufe der Jahre hatte er sich sehr viel Wissen über Nahrungs- und Lebensmittel angeeignet, hatte sich mit traditioneller chinesischer Medizin genauso befasst wie mit der Kräuterkunde seiner Bergheimat. Die Gäste wussten das zu schätzen und kamen immer wieder. Sie waren so bunt und international wie seine Menüs.

Die Netzwerkerin

An den kleinen Tischen saßen Georgier neben Japanerinnen, Afrikaner neben Italienerinnen, Alt und Jung mischte sich, Botschaftspersonal, SportlerInnen, MusikerInnen, Pfarrer; Geschäftsleute und immer wieder - von mir vom nahen Laurenzerberg verschleppt - auch GewerkschafterInnen. Und früher oder später - oft vermittelt durch die stets netzwerkende Sook - kam man miteinander ins Gespräch. Sie hat uns auch per E-Mail eingeladen zur Neueröffnung des Kokoro. Ein chinesisches Ehepaar hat das Lokal übernommen, wenig blieb von der alten Einrichtung, nur die Rialto-Brücke. Aber noch einmal kam die bunte Runde ehemaliger Stammgäste zusammen, plauderte noch einmal quer über die Tische, erzählte sich noch einmal begeistert von Sepps Kreationen und tauschte Adressen aus. Mitten drinnen strahlte Sook und brachte Menschen zusammen, stellte sie einander vor und unterstützte die Nachfolger, die ihr bis vor kurzem fremd waren, wo es nur ging.

Ohne Vorurteile

Was das mit Diversity zu tun hat? Viel, denn vom Sepp konnte man zum Thema Vielfalt nur lernen. Rassen und Nationen waren ihm egal, er freute sich aber stets, wenn jemand Spezialitäten aus seiner Heimat mitbrachte, eine Flasche Wein, Gewürze, eine Idee. Aus all dem entwickelte Sepp neue, wunderbare Kreationen. Er beurteilte die Menschen nach dem, wie sie ihm begegneten. Vorurteile waren ihm fremd, auch und gerade beim Essen und Kochen.
"Ich mag keinen Lachs", hatte ein Gast einmal betont. "Nein", hatte der Sepp ihm entgegnet: "Du hast noch keinen Lachs gegessen, der dir geschmeckt hat."
Das ist Diversity, wie sie mir schmeckt.

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