topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Noch fühlen sich ältere ArbeitnehmerInnen im hart umkämpften Joballtag selten als "Das verborgene Gold in Unternehmen", wie es der idealistische Titel einer Sozialpartner-Broschüre nahelegt. Noch fühlen sich ältere ArbeitnehmerInnen im hart umkämpften Joballtag selten als "Das verborgene Gold in Unternehmen", wie es der idealistische Titel einer Sozialpartner-Broschüre nahelegt.

»Das verborgene Gold«

Schwerpunkt

Eine Handvoll Firmen erhalten Jahr für Jahr Auszeichnungen wie das Prädikat "Nestor Gold" für altersgerechte Arbeitsbedingungen. Es sind bloße Versuchsprojekte.

Unflexibel sollen die SeniorInnen sein, bisweilen sogar faul. Menschen im besten Alter gelten als "Bedenkenträger", wenn sie nicht gleich jeden Geistesblitz des Bosses abnicken. Umfragen zum Thema klingen wenig erfreulich: Ein Großteil der UnternehmerInnen, PersonalleiterInnen und GeschäftsführerInnen hegt eine negative Einstellung gegenüber graumelierten Untergebenen. Jahrzehntelang wurde Altern mit Leistungsabfall gleichgesetzt. Richtig ist, dass die körperliche Leistungsfähigkeit schon vom 20. Lebensjahr an sinkt, psychische Belastbarkeit und soziale Skills nehmen in der Phase aber zu. Dass menschliche Ressourcen daher häufig brachliegen, weil der Anteil von DienstnehmerInnen über 50 in den Betrieben viel zu niedrig ist, blieb auch den Unternehmenshierarchien nicht verborgen.

Gütesiegel Nestor Gold

Einzelne Vorzeigeprojekte sollen dem Trend entgegenwirken. Vor zwei Monaten verlieh Sozialminister Rudolf Hundstorfer wieder einmal das Gütesiegel "Nestor Gold", diesmal an ein Geriatriezentrum sowie die Firmen "Sabtours Bustouristik" und "Sonnentor", weil sich diese laut Zuerkennungstext "erkennbar für ältere MitarbeiterInnen zur Steigerung der Bindung und längeren Verweildauer engagiert" hätten. Die Beispiele sind keinesfalls repräsentativ für die Mehrheit der österreichischen Brötchengeber. Denn kurzfristiges Betriebsinteresse steht nachhaltigen volkswirtschaftlichen Strategien entgegen. Die sind auch für UnternehmerInnen wichtig, falls sie über ihre Jahresbilanz hinaus denken. Schließlich bewirkt betriebliche Gesundheitsförderung weniger Krankenstände, und hält die Produktivität auf hohem Niveau.

Immer mehr immer Ältere

Noch nehmen Belastungen im Arbeitsalltag eher zu. Bei genauem Blick besteht durchaus Grund für Alarmismus: Ab 2020 werden ältere Beschäftigte (45- bis 64-Jährige) in Österreich erstmals den größten Anteil der Menschen im Erwerbsalter ausmachen. Zu dieser Zeit sinkt die Zahl der 15- bis 24-Jährigen, die im Arbeitsprozess stehen, um 90.000 Kräfte. Keine Frage: ArbeitgeberInnen werden auf die Generation 50-plus zurückgreifen müssen, weil ihnen förmlich die Jungen ausgehen.
Bis 2030 wird das Durchschnittsalter in Österreich noch steigen. Für OptimistInnen ergibt sich daraus eine Chance, anderen Staaten als Beispiel zu dienen, wie das Zusammenleben der Generationen erfolgreich zu gestalten wäre. Die Eingeweihten klingen aber verhältnismäßig pessimistisch.
Fachleute drängen die EntscheidungsträgerInnen in Unternehmen darauf, ihre Denkmuster an die Realität einer alternden Gesellschaft anzupassen. Zumal der demografische Wandel hierzulande besonders deutlich sichtbar wird. Immigration könnte Mangel an jungen Menschen zwar statistisch abmildern, doch in der Praxis klingt das Thema Zuwanderung im tagespolitischen Hickhack bekanntermaßen geradezu anstößig. Zuwanderung findet offiziell nicht statt.

Gigantische Aufgaben

Die Aufgaben für den Arbeitsmarkt sind daher gigantisch: WissenschafterInnen versuchen begreiflich zu machen, wie sich Jobs wandeln müssen, damit auch noch 70-Jährige Geld verdienen können. Das Vorhaben wird mit einer Verschärfung des Pensionszuganges kaum gelingen, ohne sich mit den gesundheitlichen Jobrisiken und der unerfreulichen Lage auf dem Arbeitsmarkt zu befassen. Vielmehr wird sich das Arbeitsleben von Grund auf verändern müssen.
SozialforscherInnen haben Pläne erarbeitet, was geschehen muss, damit der demografische Wandel nicht zum Desaster wird. Die Transformation kann gelingen, so das Fazit der Experten, wenn das Land zu einer Gemeinschaft heranreift, in der SeniorInnen bis ins hohe Alter gerne arbeiten, weil ihr Job qualitätsvoll und mit sozialer Anerkennung verbunden ist. Dann ist es möglich, Wohlstand und Sozialstaat in Österreich auch bei einer älteren Bevölkerungsstruktur aufrecht zu erhalten. Ansonsten sollten wir damit rechnen, dass unser Lebensstandard sinkt. Detaillierte Prognosen mag sich keiner ausmalen.
So viele Ältere wie möglich in Beschäftigung zu halten, ist einerseits ein hochgestecktes Ziel. Andererseits aus Sicht der Experten realistisch - vorausgesetzt, Österreich gibt Gas.

Länger arbeiten, aber wie?

Was heißt das im Arbeitsalltag? Schleppen wir uns bis zum bitteren Ende an die Werkbank oder zum Schreibtisch? Ein verlängertes Arbeitsleben bedeutet nicht die schlichte Verlängerung von Arbeitsbiografien, stellen Psychologen/-innen klar. Die Lösung liegt vielmehr in einem prinzipiell neuen Verständnis der beruflichen Entwicklung. Die althergebrachte Einteilung der Lebensabfolge in Ausbildung, Arbeit und Pensionierung ist nicht zeitgemäß. Vielmehr müssten betriebliche Gesundheitsförderung, Weiterbildung und berufliche Entwicklung über die gesamte Lebensspanne hinweg eine elementare Rolle spielen, erklärt Altersforscherin Ursula Staudinger von der Jacobs University Bremen. Man müsse bei Bedarf die Tätigkeit im Beruf sogar wechseln können - und es idealer Weise auch wollen. Dafür müssen die Bedingungen passen.
Derzeit klingt der Anteil der SeniorInnenbeschäftigung in Österreich ernüchternd: "Wenn man den Fehlzeitenreport als Grundlage heranzieht", sagt Ingrid Reifinger vom ÖGB-Referat für Sozial- und Gesundheitspolitik, "kommen gerade einmal zwei Prozent aller ArbeitnehmerInnen in den Genuss qualitätsgesicherter Gesundheitsförderung, weil es solche Maßnahmen nur auf freiwilliger Basis gibt." Auch andere qualitative Erhebungen zeigen, dass trotz einer starken Zunahme der Arbeitsbelastungen die betriebliche Gesundheitsförderung viel zu kurz kommt. So hat nach einem Bericht überhaupt erst jede/r dritte/r Beschäftigte an betrieblicher Gesundheitsförderung teilgenommen - über eine Zeitspanne von fünf Jahren.
Ziel ist, so Reifinger, die Schaffung eines umfassenden Präventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes. Betriebsräte sollen die firmeninterne Gesundheitspflege über erzwingbare Betriebsvereinbarungen durchsetzen können. "So lang es in Österreich keinen Rechtsanspruch auf einen altersgerechten Arbeitsplatz gibt", sagt die Gewerkschafterin, "werden wir zwar weiterhin tolle Pilotprojekte haben, die aber Einzelfälle bleiben." Exakte Daten über den aktuellen Stand der Beschäftigung Älterer unterliegen der Verschwiegenheit.
Noch fühlen sich ältere ArbeitnehmerInnen im hart umkämpften Joballtag selten als "Das verborgene Gold in Unternehmen", wie es der idealistische Titel einer Sozialpartner-Broschüre nahelegt. In den Köpfen der PersonalistInnen ist der dramatische Bevölkerungswandel, der uns bevorsteht, nur zum geringen Teil angekommen. Laut Umfragen ist der Ruf älterer KollegInnen in den Firmen nicht gerade gut. Untersuchungen in Deutschland zeigen, dass das Image der über Fünfzigjährigen im Job aber umso besser ist, je höher ihr Anteil in der Belegschaft ist. Laut dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bieten zwei von drei Industriebetrieben bei unseren nördlichen Nachbarn personalpolitische Schritte für über fünfzigjährige MitarbeiterInnen an. Dort gibt es in rund der Hälfte der Unternehmen altersgemischte Teams. So erhalten Ältere frisches Fachwissen von jüngeren KollegInnen, die im Gegenzug von der Berufserfahrung der alten Hasen profitieren.

Graue Panther sind cool

SeniorInnen als BeraterInnen, AusbildnerInnen oder TrainerInnen einzusetzen, ist in Deutschland in jedem dritten Betrieb schon gängige Praxis. Jedes vierte Unternehmen setzt Ältere gezielt bei Projekten an wechselnden Standorten oder im Ausland ein. Dafür seien sie besonders befähigt, weil sie in aller Regel mehr als Jüngere sowohl über tiefgehendes betriebliches Wissen und Praxis verfügten als auch über die Fähigkeit, auf unvorhergesehene Vorfälle besonnen zu reagieren. SeniorInnen gelten als Garantie für eine gewisse Stabilität in den Unternehmen. Die Erste Bank etwa hält möglichst viele ältere Angestellte in der Beschäftigung, weil sie zu ihrer Erfahrung auch Ruhe und Stressresistenz mitbringen. Die Coolness der grauen Panther ist gefragt.

Weblink
Altersgerechte Arbeitsorganisation
www.arbeitundalter.at

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
arpad.hagyo@chello.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum