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"Ich habe Freunde verschiedener Herkunft, aus verschiedenen Berufen, die mir viel gebracht haben, von denen ich viel gelernt habe und umgekehrt. Diversität lebt man einfach!" "Ich habe Freunde verschiedener Herkunft, aus verschiedenen Berufen, die mir viel gebracht haben, von denen ich viel gelernt habe und umgekehrt. Diversität lebt man einfach!"
Buchtipp

Gelebte Vielfalt

Schwerpunkt

Wien war schon immer ein Schmelztiegel der Nationen. Das beweist auch der aktuelle Integrations- und Diversitätsmonitor. Hier findet Diversität "Stadt".

Wiedereinmal geht ein Raunen durch den Blätterwald, es wurde nämlich der aktuelle Integrations- und Diversitätsmonitor der Stadt Wien präsentiert. In dieser alle zwei Jahre erscheinenden Studie steht eine Zahl, die auf Anhieb perplex macht: 44 Prozent der WienerInnen haben einen Migrationshintergrund. Dazu werden in der Studie alle StadtbewohnerInnen gezählt, die entweder im Ausland geboren sind, eine andere Staatsbürgerschaft oder mindestens einen Elternteil mit ausländischer Herkunft haben. In Wien, so wie im Rest von Österreich, wird bei Zahlen wie dieser leicht einem gewissen, auch medialen, Alarmismus gehuldig, dabei werden Schlagworte bemüht, deren Unappetitlichkeit ihre Wiederholung an dieser Stelle verbietet.

Zwei Fragen

Es stellen sich dazu jedoch auf Anhieb zwei Fragen: Warum wird die Tatsache der Migration in erster Linie als Bedrohung empfunden? Und was kann man tun, um die Chancen zu sehen und zu ergreifen, die Migration zu bieten hat?
Zum ersten Punkt lässt sich mit Sicherheit sagen, dass alle Aussagen, die etwas "gelerntes", kulturell bedingtes, wie die Angst vor MigrantInnen als "natürlich" bezeichnen, Ideologie in Reinkultur sind und daher Teil einer üblen Stimmungsmache. Natürlich kann es Spannungen und Reibereien geben, wenn verschiedene Menschen auf engstem Raum, also zum Beispiel in einer Großstadt, zusammenleben, allerdings ist es ein Ressourcen und Zeit verschwendender Weg, diese restriktiv, aggressiv und auf Konfrontation ausgelegt lösen zu wollen. Womit wir beim zweiten Punkt wären.
Der in letzter Zeit sehr aktuelle Begriff Diversität, auf Englisch Diversity, spielt genau in diese Richtung. Diversity-Management findet in immer mehr Unternehmen, Ämtern und NGOs Anwendung; Ziel ist es, bei Chancengleichheit größte Produktivität zu erhalten. Dabei stehen aber nicht diverse Minderheiten selbst im Fokus, sondern die Gesamtheit der MitarbeiterInnen in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Bei den zu beachtenden Unterschieden handelt es sich zum einen um die äußerlich wahrnehmbaren Unterschiede, von denen die wichtigsten Geschlecht, Ethnie, Alter und Behinderung sind, und zum anderen subjektive Unterschiede wie die sexuelle Orientierung, Religion und Lebensstil.
Es handelt sich also um mehr als nur die Umsetzung von Antidiskriminierungsvorschriften, sondern um ein Gesamtkonzept des Umgangs mit personaler Vielfalt in einem Unternehmen zum Nutzen aller Beteiligten, also auch des Unternehmers. Der Unterschied zum früher üblichen Schlagwort Multikulturalismus ist der, dass es weniger um kulturelle Unterschiede und deren Konservierung geht, denn nicht alle kulturellen Unterschiede sind auch gute Unterschiede, sondern dass es um die Beseitigung von Ungleichheit geht. Es geht darum, dass Institutionen für alle Personen "barrierefrei" werden.
Dana Memisevic ist in den 90er-Jahren mit ihren drei Kindern aus Sara-jevo geflüchtet, sie stammt aus einer säkularen islamischen Familie, spricht neben Deutsch, Bosnisch und Englisch auch Gebärdensprache und arbeitet bei WITAF als Arbeitsassistentin. Dies beinhaltet die Betreuung von Gehörlosen auf dem Arbeitsmarkt.
"Ich bin die einzige bei WITAF (Arbeitsassistenz für Gehörlose in Wien und NÖ) mit Migrationshintergrund. Ich habe Anfang 1999 dort zu arbeiten angefangen, da gab es noch viele Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, unter ihnen eben auch Gehörlose, die ich beraten konnte, da ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen besser verstehen konnte, was sie durchgemacht haben und was sie benötigen. Das war ein Vorteil für alle." Memisevic weiß natürlich von den Vorurteilen, über die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitswilligkeit von Flüchtlingen oder AusländerInnen im Allgemeinen, die aber auch Behinderten entgegenschlagen.

Diversität lebt man einfach

"Die Frage ist doch nicht, ob Gehörlose etwas extra in ihre Arbeit einbringen, die können die meisten Arbeiten genauso 100-prozentig wie Hörende, das ist es ja. Der Mehrwert kann aber sein, dass sie dadurch, dass sie andere Erfahrungen und andere Wege haben, das Leben zu meistern, neue Perspektiven ins Firmenganze einbringen können, was die Firma an sich bereichert. Allein, dass sie genauso leistungsfähig sind wie alle anderen, zeitigt dann ja schon eine Wahrnehmungsveränderung in der Gesellschaft." Genauso divers wie ihre Arbeitswelt ist auch ihr Privatleben. "Ich habe Freunde verschiedener Herkunft, aus verschiedenen Berufen, die mir viel gebracht haben, von denen ich viel gelernt habe, und die auch von mir viel gelernt haben. Diversität lebt man einfach!"
Einen anderen Zugang zum Thema Vielfalt als Chance und Chancengleichheit als erstrebenswert darzustellen, hat der Verein Stadtimpuls, in Zusammenarbeit mit der Spieleagentur White Castle Games, gewählt. Unter dem Schlagwort "Vielfalt Stadt Einfalt" wurde ein Spiel namens "Mit Händen und Füßen" kreiert, das Diversität und ihre Vorteile spielerisch begreifbar macht.
Anita Landgraf, Assistentin der Spieleentwicklung bei White Castle Games, erläutert die Grundgedanken: "Wir haben uns zwei Ziele vorgenommen: die Darstellung von kulturellen Unterschieden als etwas, das durchaus positiv aufgefasst werden kann, und die Berücksichtigung anderer Spielkulturen als der mitteleuropäischen.
Es ist immer wieder überraschend, wie wenig soziokulturelle Differenz als Bereicherung und Chance für alle wahrgenommen wird. Die spielerische Umsetzung dieser Möglichkeit in Form eines Kartenspiels, das kulturelle Interaktion als Erfolgsvoraussetzung hat, schien am sinnvollsten.
Das Spiel soll einerseits das gegenseitige Verständnis von unterschiedlichen Menschen fördern und zeigen, dass es Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten braucht, um etwas zu schaffen. Und andererseits soll es auch die Kommunikation bzw. zunächst einmal die Begegnung miteinander schaffen, denn man muss sich ja erst kennenlernen, um dieses Verständnis zu ermöglichen. Deshalb haben wir das Spiel auch im öffentlichen Raum präsentiert, nämlich am Urban-Loritz-Platz, bei einer Veranstaltung des Vereines Stadtimpuls." Auch innerhalb der Firma gibt es Diversität, die bei der Spieleentwicklung von großem Vorteil war, neben dem Wiener Chef Ronald Hofstetter gehören eine Steirerin, eine Salzburgerin, ein Waldviertler, ein deutscher Numerus-Clausus-Flüchtling und ein Wiener Serbe zum Team.
Der Erfolg der Bemühungen ließ sich bei der Präsentation gut beobachten: "Cool ist, dass beim Spiel genau der erwünschte Effekt eingetreten ist: Die Klischees sind sympathisch geworden, weil man darüber lachen konnte", freut sich Landgraf. "Und so haben auch Türken zum Beispiel diese klischeehaften Kebab-Szenen nicht böse aufgefasst, sondern Spaß gehabt, mal über sich selbst - oder das Bild das andere Leute von ihnen haben - zu lachen."

Spaß durch Erfolge

Derselbe Erfolg ist auch bei Dana Memisevic Ansporn, denn "wenn ich es schaffe, jemandes Wahrnehmung von Anderssein zu ändern, Leute dort hinzuführen, dass sie Unterschiede nicht als Bedrohung wahrnehmen und sich auf andere einlassen, dann ist das eine super Bestätigung für meine Tätigkeit. Und es gelingt mir gar nicht so selten. Ich mache den Job schon seit elf Jahren und wegen der Erfolge macht er mir noch immer Spaß."

Weblinks
Wiener Integrations- und Diversitätsmonitor
www.wien.gv.at/integration/monitor.html
WITAF - Arbeitsassistenz für Gehörlose Wien und Niederösterreich
www.witaf.at

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