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Herausforderung Opel Neben dem Überbrückungskredit von 1,5 Mrd. Euro, den Opel Europa von Deutschland bereits erhielt, erwartet sich GM europaweit Staatshilfen von 2,7 Mrd. Euro. Teuer wird es also für die europäischen BürgerInnen.

Herausforderung Opel

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Die Traditionsmarke mit dem US-Mutterkonzern GM und Werk in Aspern erlebt wieder einmal schwierige Zeiten.

Die Geschichte traditionsreicher Automobilhersteller ist von Redimensionierungen, Fusionen und starken Schwankungen bei Umsatz- und Beschäftigtenzahlen gekennzeichnet. Auf Innovation und Wachstum folgten Stagnation und Einbrüche.

Beispiel Audi

Ein Beispiel ist Audi als Nachfolgerin der ehemaligen AutoUnion AG, die 1932 aus vier Unternehmen1 hervorgegangen ist. Unternehmen, die alle die Wirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre überstanden hatten, allein aber nicht lebensfähig schienen. Sie wurden unter Federführung der Sächsischen Staatsbank kurzerhand fusioniert. Die vier Ringe waren geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen liquidiert und begann mit Hilfe eines Kredits des Landes Bayern mit der Autoproduktion in Ingolstadt, mit nichts als dem mitgebrachten Know-how und einer Marke, woraus sich das erfolgreiche Unternehmen Audi entwickelte.
Insolvenz, Produktionseinstellung, Neubeginn und staatlich geförderte Kredite - ein altbewährtes Muster in dieser Branche, die meist wichtigste Arbeitgeberin großer Regionen ist. Weshalb die Politik oft unter Druck der Unternehmen versucht, sich von Strukturproblemen freizukaufen, wie das Beispiel der Traditionsmarke Opel zeigt. Gegründet 1898 in Rüsselsheim ist ihre Zukunft seit dem 1. Juni 2009 mit der Insolvenzanmeldung von General Motors (GM) offen. Die Mutter der Opel GmbH seit 1929 wies zu diesem Zeitpunkt Schulden von 172,8 Mrd. US-Dollar aus. GM steht nunmehr unter staatlicher Kontrolle, insgesamt erhielt der Konzern rund 50 Mrd. US-Dollar Beihilfen. Damit endeten 101 Jahre Marktführerschaft eines Riesenkonzerns.
Auslöser der Krise bei GM waren steigende Benzinpreise sowie Sanierungsschritte, die lange nur in staatlicher Förderung kreditfinanzierter Konsumwut in Richtung immer größerer Autos bestand. Wenige kosmetische Maßnahmen, wie das 1,55 Mrd. Euro teure Ende der Zusammenarbeit mit Fiat im Jahr 2005 sowie der Verkauf des 20-Prozent-Anteils an Subaru und der Abbruch der Übernahmegespräche mit Konkurrent Chrysler 2008 konnten die Überschuldung nicht verhindern. Die Restrukturierung nach US-Insolvenzrecht verlangt eine drastische Einschränkung auf überlebensfähige Marken.

Rettung, aber wie?

Zunächst sah es so aus, als wollte sich GM von Opel trennen. Für Deutschland verband sich damit die Frage, ob das Unternehmen einem Insolvenzverfahren zugeführt oder ausgestattet mit mindestens 3,3 Mrd. Euro Beihilfen weiterarbeiten sollte. Mit der Insolvenz wären finanzielle sowie patentrechtliche Verflechtungen zwischen GM und der Opel GmbH bereinigt worden. Dies wurde jedoch von der Belegschaft wegen der zu erwartenden starken Verkleinerung des Unternehmens, aber auch von der Unternehmensführung wegen des befürchteten Imageverlustes abgelehnt.

Keine Verstaatlichung

Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel schloss Verstaatlichung nach dem Modell des Finanzsektors mangels Systemrelevanz aus. Blieb die verlockende Aussicht auf staatliche Darlehen und Bürgschaften, versüßt durch die Zusicherung anderer EU-Staaten, in denen Opel-Werke stehen (wie Österreich und Belgien) mit ergänzenden Subventionen beizustehen. So begann ein Wettbewerb der interessierten Käufer, die die Schwäche des ehemaligen Marktführers nutzen wollten, um selbst die Marktführerschaft zu übernehmen, und andererseits die Möglichkeit witterten, vom benachbarten Zuliefermarkt in die Autobranche einzusteigen. Zu sehr günstigen Konditionen.
Relevante Bieter waren die einst verschmähte Braut Fiat, der Finanzinvestor Ripplewood Holdings sowie Beijing Automotive Industry Holding Company und der austro-kanadische Industriekonzern Magna. Es schien, als sollte das Magna-Konsortium den Zuschlag für die Übernahme erhalten, wobei konkret 4,5 Mrd. Euro Staatsgarantien von Deutschland in Aussicht gestellt wurden. Je 35 Prozent der Anteile würden GM und Sberbank an GM Europa halten. 20 Prozent sollten an Magna gehen, zehn Prozent bei den Opel-MitarbeiterInnen bleiben. Die Verhandlungen zogen sich über ein halbes Jahr. Das Zögern der Eigentümerin GM schien von der Sorge um den Know-how-Verlust - von Opel eingebrachte Patente - getragen zu sein. Vielleicht aber auch von der Erkenntnis, dass GM selbst von der europäischen Spendierfreudigkeit profitieren und das als solide eingeschätzte Unternehmen weiterführen könnte. Aber auch die indirekte Beteiligung Russlands über die staatliche Sberbank wurde als Hinderungsgrund vermutet. Ende 2009 war dann klar: Keiner der Bieter kam zum Zug, GM würde sich selbst samt Opel restrukturieren.

Plan B

Zunächst atmeten die Länder mit gefährdeten Standorten wie Spanien, Polen und Belgien auf. Gleichzeitig war den Regierungen bewusst: Nur mit gemeinsamen Vorgehen kann der Subventionswettlauf verhindert werden. Zwar verhielt sich der österreichische Wirtschaftsminister noch im September 2009 abwartend, verwies aber schon auf das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz2 (ULSG). Dieses war eigentlich ins Leben gerufen worden, um vor allem KMU aus der durch die Finanzkrise verursachten Kreditklemme zu helfen. Viel progressiver hingegen der Finanzminister, der am selben Tag zusicherte, "wenn Magna Geld für den Opel-Standort in Wien-Aspern braucht, dann kann der Autozulieferer auf das ULSG zurückgreifen". Also eine Umwidmung des ULSG für einen Weltkonzern.
Eigentümerin ist nun also GM geblieben, die Begehrlichkeit groß. Aus Sorge um den europäischen Wettbewerb oder aus Angst vor Überrumpelung: Der deutsche Wirtschaftsminister suchte Schützenhilfe bei der Europäischen Kommission und forderte sie in einem Brief zu einer kritischen Überprüfung des von GM vorgelegten Restrukturierungskonzeptes für Opel auf. Und tatsächlich: Die Kommission bietet den Mitgliedsstaaten mit Opel-Standorten an, die Beihilfen zu koordinieren. Ein Gebot der Stunde, scheint doch den Staaten die Erhaltung ihres Standorts hohe Steuergelder wert. So ist nicht das beste Restrukturierungskonzept, sondern die höchste Subvention entscheidend. Deutschland befürchtet, dass staatliche Hilfen für Opel in Form von Lizenzgebühren an den Mutterkonzern in die USA fließen. Und fordert ein Abschottungskonzept, das den Abzug von Liquidität (und Steuergeldern) verhindert.

Was erwartet die SteuerzahlerInnen?

Neben dem Überbrückungskredit von 1,5 Mrd. Euro, den Opel Europa von Deutschland bereits erhielt, erwartet sich GM europaweit Staatshilfen von 2,7 Mrd. Euro. Teuer wird es also für die europäischen BürgerInnen. Eine Negativentscheidung der Europäischen Kommission ist wohl nicht zu erwarten, schon allein unter Berücksichtigung der rund 25.000 gefährdeten Arbeitsplätze. Ob es aber gelingt, die Arbeitsplätze unter Einsatz von Milliarden zu erhalten ist mehr als fraglich. GM wird sich selbst am nächsten stehen. Eine buchhalterische Trennung des Beihilfeneinsatzes in Europa und den USA ist kaum möglich. ExpertInnen erwarten einen Personalabbau in der deutschen Autobranche von 75.000 bis 113.000 Stellen, also zehn bis 15 Prozent der Arbeitsplätze.

1 Audi-, Horch-, DKW- und Wanderer-Werke
2 10 Mrd. Euro für Haftungen wurden vom Bankenpaket umgewidmet.

Fazit
"Wer wagt gewinnt", dem Motto des deutschen Wirtschaftsministers wollte niemand folgen. Er hatte eine geordnete Abwicklung mit einem Neubeginn eines Unternehmens "Opel Europa" vorgeschlagen. Die Geschichte der Automobilindustrie zeigt, dass dies nicht unmöglich ist. Konnte sich Opel durch Verkauf an GM 1929 aus der damaligen Wirtschaftskrise retten, ist nun die einstmals reiche Mutter zur Last geworden. Ob die Fortschreibung des "Status quo" mit hohen Subventionen Motivation für grundlegende Restrukturierung ist, bleibt abzuwarten. Auf die Beschäftigten kommen harte Zeiten zu. Auch dies nichts Neues in der Geschichte von Opel: Vor der Wirtschaftskrise des vorigen Jahrhunderts wuchs die Zahl der MitarbeiterInnen auf 9.400 und fiel 1931 auf 5.800. Mit dem Aufschwung waren 1951 bereits wieder über 19.000 MitarbeiterInnen am Werk, 1990 im gesamten Opel-Konzern 57.000. Die Manager dürfen sich freuen: Mussten sie 2009 auf Boni verzichten, winken sie ihnen 2010 wieder - mitfinanziert von den SteuerzahlerInnen.

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