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So sind beispielsweise gut ausgebildete Personen auch häufig in guten beruflichen Positionen, in der sie Handlungsspielraum haben und soziale Anerkennung erfahren - beides gesundheitsförderliche Faktoren. Selbstverständlich geht Medikamentenentwicklung ins Geld, sie ist aufwendig und kostspielig.

Armut macht krank

Schwerpunkt

Gerechte Einkommensverteilung, sowie Chancengleichheit im Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt erhöhen die Chance auf ein gesünderes Leben.

Internationale Studien belegen: Armut und Krankheit stehen in unmittelbaren Zusammenhang. Soziale Ungleichheit in der Gesellschaft führt dazu, dass mehr Menschen krank sind und früher sterben. Armutsbekämpfung und Chancengleichheit sind beste Gesundheitsförderungen.
Auch beim Untergang der Titanic waren die Überlebenschancen der Passagiere sehr ungleich verteilt: Von den etwa 2.200 Passagieren haben 705 überlebt - 90 Prozent der Frauen (31 Prozent der Männer), die erster Klasse reisten wurden gerettet, hingegen überlebten nur 50 Prozent der Frauen (14 Prozent der Männer) in der dritten Klasse dieses Schiffsunglück.

Sozial Schwache sterben früher

Fast hundert Jahre später beweisen uns zahlreiche Studien immer noch: Sozial schwächere Menschen sterben früher. Eine EU-weite Erhebung1 ergab, dass die niedrigsten Einkommensgruppen ein 25 bis 50 Prozent höheres Mortalitätsrisiko aufweisen als der Durchschnitt. Anders ausgedrückt: Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den niedrigsten und den höchsten sozialökonomischen Gruppen beträgt zum Zeitpunkt der Geburt vier bis sechs Jahre bei Männern und zwei bis vier Jahre bei Frauen.
Gesundheitsfördernde bzw. -beeinträchtigende Lebensstile sind aber nicht Produkt freier Entscheidungen. Vielmehr spielen die Belastungen, als auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen eine wichtige Rolle. So sind beispielsweise gut ausgebildete Personen auch häufig in guten beruflichen Positionen, in der sie Handlungsspielraum haben und soziale Anerkennung erfahren - beides gesundheitsförderliche Faktoren. Ein anderes Beispiel: Eine deutsche Untersuchung2 über das Informationsverhalten von PatientInnen hat ergeben, dass gut ausgebildete und besser verdienende PatientInnen sich verstärkt um vertiefende ärztliche Informationen bemühen, bei ihrer Therapie mehr mitbestimmen und auch öfter den Arzt bzw. die Ärztin wechseln, bis sie sich optimal betreut fühlen. All das sind - so die StudienautorInnen - Faktoren, die den Therapieerfolg erhöhen.
Menschen mit geringer Ausbildung und geringerem Einkommen arbeiten hingegen häufiger unter körperlich belastenden Arbeitsbedingungen, wie z.B. Lärm, Hitze, Kälte, Staub. Ein niedrigeres Einkommen führt zu eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten, um beispielsweise die Wohnsituation zu verbessern, sich hochwertiger zu ernähren oder sportlichen Freizeitaktivitäten nachzugehen. Hinzu kommt, dass ein Leben unter ständigem finanziellen Druck und unsicherer Einkommensverhältnisse (z. B. durch prekäre Beschäftigung) zusätzlichen Stress verursacht und dieser dauerhafte Stress wiederum krank macht.
Bereits bei Kindern von Erwerbslosen und SozialhilfeempfängerInnen kann ein schlechterer Gesundheitszustand festgestellt werden: Diese Kinder leiden häufiger an Kopfschmerzen und Atemwegserkrankungen, letztere oft bedingt durch feuchte Wohnungen.3 Dieses soziale Ungleichgewicht im Krankheitsbild finden wir bis ins hohe Alter: Eine Studie des Instituts für Sozialpolitik an der Uni Linz ergab, dass PensionistInnen im Einkommensbereich unter 730 Euro einen geringeren Anteil an Gesunden aufweisen (58 Prozent), als PensionsbezieherInnen über 1.451 Euro. In diesem Kreis zählten noch 74 Prozent zur Gruppe der Gesunden.3

100.000 ohne Versicherungsschutz

Dass BezieherInnen der Invaliditätspension wirklich krank sind und nicht nur ein Schlupfloch in die Frühpension suchen, wie oft behauptet, belegt eine WIFO-Studie4: Sie besagt, dass Menschen mit Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension um rund zehn (Männer) bzw. sieben (Frauen) Jahre früher sterben als AlterspensionsbezieherInnen. Und schließlich gibt es in der Gruppe der sozial Schwächsten immer noch an die 100.000 Menschen in Österreich, die keinen Krankenversicherungsschutz genießen. Davon betroffen sind laut Armutskonferenz vor allem Menschen in prekärer Beschäftigung, Personen in schweren psychischen Krisen, Arbeitssuchende ohne Leistungsanspruch, vormals mit ihrem Ehemann mitversicherte Frauen nach der Scheidung sowie Hilfesuchende, die ihren Sozialhilfeanspruch aus Scham nicht einlösen. Diese Lücken sollte schnellstens geschlossen werden.
Die immer populärere Meinung, jeder sei selbst für seine Gesundheit verantwortlich, ist daher eher ein ideologischer Zugang. Die Realität zeigt uns nämlich deutlich: Benachteiligte, wie Einkommensschwache, Arbeitslose und MigrantInnen, haben weniger Möglichkeiten Selbstverantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Wird dies nicht erkannt, öffnet sich die Schere der Krankheitshäufigkeit zwischen Arm und Reich weiter.

Fair teilen ist gesund

Aufgrund von Untersuchungen im OECD-Raum können zwei einfache Schlüsse gezogen werden: Je größer die Unterschiede zwischen Arm und Reich in einem Land, desto schlechter ist es um die Gesundheit der Menschen in diesem Land bestellt.5 Und ein hoher Grad an materieller Umverteilung und sozialer Dienstleistungen im Hinblick auf Sozialversicherung, Familienleistungen, Kinderbetreuung und Altersversorgung hat einen positiven Einfluss auf die Bevölkerungsgesundheit.6 Gerechte Einkommensverteilung sowie Chancengleichheit im Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt erhöhen die Chance auf ein gesünderes Leben. Gesundheit muss daher als Querschnittsthema in anderen Politikbereichen mitbedacht werden. Der Ansatz "Health in All Policies" beschäftigt sich damit: Bei allen politischen Entscheidungen soll darauf geachtet werden, welche Auswirkungen diese auf die Gesundheit der Bevölkerung haben, besonders auf sozial benachteiligte Schichten.
Gesundheitsförderung und Prävention in allen Lebensumwelten, wie Arbeit, Wohnen, Freizeit, Lernen und Sport auszubauen, war bereits Teil des vorigen Regierungsprogramms und ist auch diesmal wieder zu finden - von einer koordinierten Umsetzung ist allerdings immer noch wenig zu spüren. Bisher werden im österreichischen Sozialversicherungssystem nur etwa zwei Prozent der Gesundheitsausgaben für Prävention bereitgestellt. Damit liegt Österreich im OECD-Vergleich nur an 21. Stelle. Dabei würde sich so eine Investition durchaus rechnen. Laut dem ersten österreichischen Fehlzeitenreport 2007 (WIFO) fallen durch die Fehlzeiten aufgrund von Unfällen und Krankheiten jährlich ca. 12 Mrd. Euro an Kosten an. Diese Schätzung beinhaltet direkte Kosten, wie Krankengeld, Rehabilitation usw., sowie indirekte Kosten, wie Verlust an Wertschöpfung, Produktivitätsverlust und Invaliditätspensionen.

Erfolgreiche Gesundheitsförderung

Eine erfolgreiche Gesundheitsförderungsstrategie muss daher vor allem folgende Parameter berücksichtigen:

  • Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen, anknüpfend an den "Health in All Policies"-Ansatz. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf sozial Benachteiligte, wie Arbeitslose, MigrantInnen, Kinder und alte Menschen, gelegt werden.
  • Gesundheitliche Chancengleichheit: Gleiche Verhältnisse und Startvoraussetzungen für alle herzustellen muss höheren Stellenwert haben als verhaltensorientierte Maßnahmen. Die WHO hat 2006 für die europäischen Länder das Ziel definiert, durch Finanz-, Sozial und Bildungspolitik der gesundheitlichen Chancenungleichheit entgegenzuwirken.
  • Eine verstärkte Zusammenarbeit aller AkteurInnen im Gesundheitsbereich und Einigung auf gemeinsame Ziele sowie gesicherte Finanzierung. Zu den AkteurInnen gehören z. B. die Sozialversicherungen, Länder und Gemeinden, aber auch private Anbieter, Gesundheitszentren, Spitäler und Sozialpartner.

1 Mackenbach: Health Inequalities: Europe in Profile. Hrsg. Von der Generaldirektion für Gesundheit und Konsumentenschutz der EU-Kommission, Februar 2006
2 Gesundheitsmonitor 3/2008: Soziale Ungleichheit: Schichtspezifisches Informations- und Partizipationsverhalten in der ambulanten Versorgung
3 Beide Beispiele aus: Schenk: Armut kann Ihre Gesundheit gefährden. Abbau von Ungleichheit - eine "neue" Herausforderung der Gesundheitspolitik (2004), www.armutskonferenz.at
4 Karlssen et al: Income inequality and health: Importance of a cross-country perspective, 2009
5 WIFO (Guger, Mayrhuber, Platsch): Invaliditäts-/ Erwerbsunfähigkeitspensionen: Analysen für Österreich und internationale Erfahrungen, in: Soziale Sicherheit, Mai 2007
6 Lundberg et al: The role of welfare state principles and generosity in social policy programmes for public health: an international comparative study, 2008

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.armutskonferenz.at
www.forum-gesundheitspolitik.de

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