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Mehr als zwei Drittel der Spitalskosten sind dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft zuzurechnen. Wenn der Rotstift angesetzt wird, bleibt die Reduktion der Lohnkosten als eine der wenigen Möglichkeiten. Mehr als zwei Drittel der Spitalskosten sind dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft zuzurechnen. Wenn der Rotstift angesetzt wird, bleibt die Reduktion der Lohnkosten als eine der wenigen Möglichkeiten.

Kein Nullsummenspiel

Schwerpunkt

Privatisierungsexperimente im Gesundheitsbereich führen allzuoft zu schlechterer Entlohnung für die Beschäftigten.

0,07 Prozent scheinen den Aufwand kaum wert. 0,07 Prozent der Kosten konnten bei Privatisierungen von Krankenhäusern in London eingespart werden. Eine Kostenreduktion, die kaum dazu verführt, vom "Erfolgsmodell Privatisierung" zu sprechen. In Großbritannien, wo sich bereits ein Viertel der Krankenhäuser im Besitz von privaten Konzernen befindet, soll dieses Spiel trotzdem munter weitergehen - bis 2015, so heißt es, sollen bereits 40 bis 50 Prozent der Spitäler von privaten Betreibern und Investoren übernommen sein. Den verheerenden Auswirkungen zum Trotz.

Negativ-Bilanz vorhersehbar

Wenn im Gesundheitsbereich privatisiert wird, gehören lange Wartezeiten, hohe Infektionsraten, schlechte Sicherheitssysteme und sogar gemischte Schlafsäle schnell zur Negativ-Bilanz. Auch für die Beschäftigten sind die Konsequenzen ähnlich wie bei anderen privat erbrachten Dienstleistungen, deren Erbringung nur schwer mit Gewinninteressen vereinbar ist: Mehr Arbeit und Stress, weniger Personal, schlechte oder eingeschränkte Möglichkeiten zur Weiterbildung und niedrigere Gehälter sind nur einige der Ergebnisse.
Spitäler sind ein besonders beschäftigungsintensiver Bereich. Wer hier sparen will kommt an der Kostenstelle Arbeit kaum vorbei. Und wo liberalisiert, dereguliert, privatisiert wird, werden als erste Maßnahme Einsparungspotenziale gesucht und umstrukturiert. Das soll helfen angeschlagene Budgets zu konsolidieren.
In anderen Bereichen wie dem Post- oder Energiesektor werden ganze Netze oder gesamte Betriebe verkauft. Das ist bei Spitälern nicht zwangsläufig so, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Wettbewerb überlassen werden. Vielmehr bleiben die Einrichtungen in öffentlicher Hand, um Kontrolle und Einfluss zu bewahren. Beispiele aus Ländern mit umfassender neoliberaler Erfahrung wie Großbritannien lassen viele Staaten zurückschrecken, den Einfluss von privaten Investoren und Marktlogik zu groß werden zu lassen. Allerdings werden marktorientierte Mechanismen und Wettbewerbsprinzipien eingeführt und so eine Ökonomisierung und Kommerzialisierung von Teilbereichen vorangetrieben.
Durch die Veränderung des Rechtsstatus werden öffentliche Spitäler de facto zu Unternehmen gemacht. Diese Autonomie wird dann genutzt, um - auch im Sinne des Trägers, also der öffentlichen Hand - Management-Strategien anzuwenden, die meist auf Kosten der MitarbeiterInnen und der Arbeitsbeziehungen gehen.

Rotstift bei den Lohnkosten

Mehr als zwei Drittel der Spitalskosten sind dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft zuzurechnen. Wenn der Rotstift angesetzt wird, bleibt die Reduktion der Lohnkosten als eine der wenigen Möglichkeiten. Für die Bilanz ist eine Auslagerung oft nicht mehr als eine Kostenstellenwanderung: Frühere Lohnkosten scheinen mit der Vergabe an externe Dienstleister als Sachkosten auf. Arbeitsbeziehungen stehen also im Mittelpunkt der Spitalsumstrukturierungen.

Zweierlei MitarbeiterInnen

Leistungen werden ausgelagert, die nicht direkt in Kernbereichen des Krankenhausauftrags liegen: also im nicht-medizinischen Bereich. Dazu zählen etwa Reinigung, Wäschereien, Küchen oder auch alles, was in Haus und Garten sonst in die Zuständigkeit von HausarbeiterInnen fällt. Medizinisches Personal, hochqualifizierte Fachkräfte und administrative Kräfte werden als Stammbelegschaft gehalten. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist dort meist groß, in Österreich liegt er bei bis zu 90 Prozent. So werden zentral und für alle Bedienstete jährlich Gehaltsverhandlungen geführt und kontinuierlich intensiv an Verbesserungen für die Beschäftigten gearbeitet.

Organisiert gegen unorganisiert

Doch wenn private Betreiber Leistungen im Krankenhausalltag erbringen, fallen plötzlich die Arbeitsbeziehungen eines Teils der Belegschaft in die Zuständigkeit von Privaten. Für die früheren Beschäftigten werden in Österreich weitgehend andere Einsatzgebiete oder einvernehmliche Lösungen gefunden. Ihre Tätigkeiten übernehmen dann Angestellte von privaten Firmen, die nicht annähernd ähnliche Arbeitsbedingungen vorfinden wie ihre VorgängerInnen. So wird in manchen Bereichen die Belegschaft quasi ausgetauscht: adäquate Bezahlung gegen Niedriglohn, organisiert gegen unorganisiert.
Betroffen sind davon vor allem MitarbeiterInnen, die sich in der Arbeits- und Organisationshierarchie und auch puncto Bezahlung und geforderter Bildung weit unten finden: Aus einer geschlossenen Belegschaft mit einer starken Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber wird schnell eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Auf der einen Seite finden sich Gutverdienende, die ihre Arbeitsbeziehungen und Verträge gut betreut wissen; am anderen Ende sind Beschäftigte im Niedrig-Lohnbereich, wo dezentral oder sogar individuell mit privaten ArbeitgeberInnen verhandelt wird und der Organisationsgrad zur Vertretung der ArbeitnehmerInneninteressen niedrig ist. Krankenhäuser sind wie die meisten Leistungen der Daseinsvorsorge Bereiche, die unter einem extremen Zuverlässigkeitsdruck stehen. Wie bei Wasser, Strom oder der Abfallentsorgung erwartet die Öffentlichkeit reibungsloses Funktionieren. So werden externe Dienstleister, die einen Arbeitsbereich übernehmen, durchaus sorgfältig ausgewählt. In Wien wurde aber die Erfahrung gemacht, dass die Qualität der erbrachten Leistungen schnell sinkt und sich letztendlich die Begeisterung in Grenzen hält. Bei externen Betreibern der Küche würden in der ersten Zeit oftmals wahre Spitzenköche geschickt. Schon wenig später kochen aber dann wenig gut ausgebildete Kräfte mit entsprechendem Qualitätsverlust.

Konfliktpotenzial

Problematische Erfahrungen wurden auch mit der großen Fluktuation der eingesetzten Kräfte gemacht. So entwickelt sich kaum ein fixes Team, was wiederum für Konflikte mit der Stammbelegschaft sorgt. Auch die klare Abgrenzung der Arbeitsbereiche macht Ärger: Extern beschäftigte Kräfte haben meist keine Bereitschaft und auch nicht die vertraglichen Möglichkeiten, Tätigkeiten abseits ihres konkret und streng abgesteckten Bereichs zu erledigen. In Wiener Spitälern und Geriatriezentren wurden aus Privatisierungs- und Auslagerungserfahrungen schon entsprechende Lehren gezogen. Als Aufgabenbereiche wie die Wäscherei an externe Betreiber vergeben wurden, stand es mit der Zufriedenheit der erbrachten Leistung nicht unbedingt zum Besten. Die Zentralwäscherei konnte sich aber Aufträge wieder zurückholen. Die Qualität der Leistungserbringung konnte gesteigert und kontinuierlich gehalten werden, Privaten zum Trotz.

Gehaltseinbußen

Besonders dramatische Auswirkungen haben die Auslagerungen an Fremdfirmen aber auch in Sachen Gehalt. Beim Reinigungspersonal sind Gehaltseinbußen die Folge: Im öffentlichen Gehaltsschema angesiedelt verdienen RaumpflegerInnen etwa 1.100 Euro, bei privaten Dienstleistern gibt es für gleiche Tätigkeiten nur etwa 700 bis 800 Euro. Ob sich das letztendlich für das System rechnet ist fraglich: Denn wo Löhne und Gehälter derartig niedrig sind, muss letztendlich da der Staat oftmals mit Transferzahlungen einspringen, damit Menschen trotz Arbeit ihren Alltag finanziell bewältigen können.

Info&News
Privatisierung: Transfer von Unternehmensanteilen von öffentlichen zu privaten Eigentümern, kann im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen zum Abbau öffentlicher Verantwortung führen.
Liberalisierung: Zulassung von mehreren Anbietern und Einführung von Wettbewerb für öffentliche Dienstleistungen, Abbau von staatlichen oder gesellschaftlichen Einfluss und Regeln.
Ökonomisierung: Einführung von Marktmechanismen für öffentliche Dienstleistungen, Rationalisierungen und wirtschaftliche Effizienz stehen im Vordergrund, private Management- und Effizienzprinzipien werden angewandt und privates Kapital beteiligt.

Weblink
Mehr Infos unter:
www.pique.at

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