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Alkohol am Arbeitsplatz, wurde errechnet, kostet die Gesellschaft 1,25 bis 2,5 Prozent der nationalen Lohnsumme. Alkohol am Arbeitsplatz, wurde errechnet, kostet die Gesellschaft 1,25 bis 2,5 Prozent der nationalen Lohnsumme.

Kollege Alkohol

Schwerpunkt

Ist die Wirtschaft krank, bleibt auch die Seele nicht gesund: Krisen fördern den Konsum von Drogen aller Art, auch der Volksdroge Alkohol.

Er war so erfolgreich wie labil: Wie so mancher Schriftsteller hatte auch Hans Fallada ("Kleiner Mann - was nun?") ein zwanghaftes Verhältnis zu Hochprozentigem. Über die Euphorie des Rausches und das Desaster danach schrieb er als einer, der den Schnaps gut kannte: "Mein Gehirn beginnt sich zu regen, meine Hände zittern nicht mehr, der Magen arbeitet, statt zu schmerzen", skizzierte er den erlösenden Effekt eines Viertelliters Kognak, den er regelmäßig in sich hineinkippte. 1947 starb Fallada nur 54-jährig von der Abhängigkeit ruiniert in einem Berliner Lazarett.

Rückfall nach zwei Jahren Abstinenz

Auch Jenny L., 34 Jahre alt, Designerin für Markensportbekleidung, konnte sich durchsetzen und war anfällig: Im Vorjahr kam sie zum vierten Mal in bedenklicher Verfassung in die Innsbrucker Psychiatrie. Ihre Hände zitterten, sie litt an Herzrasen, wirkte nervös und ängstlich. Ihr Blutalkoholgehalt: 2,7 Promille. Sie schilderte, dass sie zwei Jahre völlig abstinent gelebt habe. Einen Monat vor ihrer Aufnahme kam es zum Rückfall, als ihre Firma den wichtigsten Kunden verlor. Jenny L. kehrte in einem Lokal ein - ursprünglich, um Tonic zu trinken. Beim Beobachten einer Rotwein trinkenden Runde ergriff sie massiver Drang nach Alkohol.
Wie der Dusel beginnt, dazu lieferte die GPA-djp-Jugend per Umfrage unter 1.600 Lehrlingen in Salzburg Land zweckdienliche Hinweise: Jede/r fünfte Befragte schätzte sich als mittelstarke/r AlkoholkonsumentIn ein. 17 Prozent gaben an, viel Alkohol zu konsumieren; zwei Prozent waren der Meinung, "sehr viel" oder "zu viel" zu trinken. Offenbar haben Erwachsene auch dann Vorbildfunktion, wenn sie torkeln: Ob Weinfest oder Bierzelt - hierzulande beginnen die Kids im EU-Vergleich am frühesten, die oberen Promillebereiche zu erkunden.

Geschlechterverschiebung

In Österreich unterliegen 340.000 Menschen wiederkehrend dem Diktat der Flasche. Inzwischen ist Trunksucht keine Domäne der Männer mehr. Frauen dringen in die maskuline Trinkkultur vor. Die Geschlechterrelation von alkoholkranken Frauen und Männern lag einst bei 1:4 - statistisch nähert sich das Verhältnis von Trinkerinnen zu Trinkern nun auf 1:2.
"Es ist auch eine Frage der sozialen Schicht", weiß die Psychiatrieprofessorin Gabriele Fischer im Wiener AKH. "Bei niedrigen Einkommensgruppen besteht insgesamt eine höhere Gefahr seelischer Leiden, so auch die der Alkoholerkrankung und Abhängigkeit." Zusätzlich registrieren Fachleute eine Zunahme des Alkoholkonsums von Frauen in leitenden Positionen. "Ihre Integration im Arbeitsprozess geht auch damit einher, dass Frauen mehr trinken", so Fischer. Die Konsummengen sind - zusammen mit Stresssituationen - prädisponierende Faktoren für die Sucht. Dafür nimmt der Gebrauch von Beruhigungsmitteln - lange eine Domäne der Frauen - bei Männern deutlich zu.
Insgesamt erkrankt jeder/jede zehnte ÖsterreicherIn im Laufe des Lebens am Suff. Zahlreiche Vorgesetzte reagieren dagegen rigoros, indem sie ein generelles Alkoholverbot im Dienst verhängen. Ein Glas Bier zu Mittag ist somit selten gern gesehen. Alte Konsumgewohnheiten lassen sich aber nur langsam ändern.
"Zwar empört ein Fall von Drogensucht die Leute", meint Hans Lehpamer von den Anonymen Alkoholikern, die in Österreich seit 50 Jahren bestehen. "Aber wenn ein Firmenmitarbeiter besoffen ist, verstecken ihn andere oft vor dem Vorgesetzten", weiß Lehpamer. Verhindern die Kumpane, dass das Alkoholproblem eines Beschäftigten entdeckt wird, kann das rechtlich relevant sein. Ist nämlich dem Dienstgeber ansonsten das Alkoholproblem eines Mitarbeiters bekannt, hat er Hilfe zu veranlassen. Eine Entlassung ist gerechtfertigt, wenn sich ein Kollege schuldhaft in einen Zustand versetzt hat, in dem er Dienstpflichten nicht nachkommt. Eine Entlassung kann bei manifester Alkoholabhängigkeit natürlich auch rechtswidrig sein, wenn Saufen einem Zwang unterliegt. Der Kündigung bzw. Entlassung bei Alkoholerkrankung sind kaum Grenzen gesetzt.

Das Märchen vom gesunden Glas Wein

Medien ist die alltägliche Suchtform weit weniger Meldungen wert, als die Abhängigkeit von illegalen Substanzen. Dabei macht deren Häufigkeit nur einen Bruchteil der Fälle pathologischer Trunksucht aus. Alkoholismus ist eine Diagnose, über die man nur in Extremfällen redet. Werden beginnende Probleme mit Wein, Bier & Co tabuisiert, verschlechtert sich das Arbeitsklima; ein Rausch gefährdet die Sicherheit und senkt die Produktivität. Alkohol am Arbeitsplatz, wurde errechnet, kostet die Gesellschaft 1,25 bis 2,5 Prozent der nationalen Lohnsumme.
Dabei hat sich der Status in den Wirtschaftskrisenjahren zuletzt noch verschlechtert. "Man kann klar sagen", weiß Alexander David, Allgemeinmediziner und Drogenbeauftragter der Stadt Wien, "dass eine Verschärfung der Lage von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch dazu führt, dass sie mehr Alkohol zu sich nehmen." Einerseits erzeugt das Trinken für Beschäftigungslose in einer ohnehin angespannten Jobsituation zusätzliche Barrieren, die sie daran hindern, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden.
"Andererseits sind die, die noch Arbeit haben, verstärktem Druck ausgesetzt, indem Leistungsquoten erhöht werden", so David. Bei Beschäftigten führt eine Verschärfung im Job zu stärkerem Auftreten von Spannungen - und das wiederum zu einem höheren Konsum von Alkohol, Psychopharmaka und Rauschdrogen, die dem Suchtmittelgesetz unterliegen.

Die Zigarette dazu

Alkohol allein ist zwar nach derzeitigem Wissen nur bedingt krebserregend. Nur bleibt es selten bei einem Genussgift. Zu Wein, Bier oder harten Getränken gehören für die meisten auch Zigaretten. So ist es im Einzelfall kaum möglich, ein Karzinom nachträglich dem Alkohol oder dem Tabak zuzuordnen. Dabei dürften sich einzelne Risikofaktoren nicht nur addieren, sondern multiplizieren. Dennoch soll bei Alkoholikern auch ohne zusätzliche Gefährdung ein erhöhtes Krebsrisiko feststellbar sein. Entgegen der verbreiteten Meinung, Alkohol reduziere das Infarkt-Risiko, erhöhen schon geringe Mengen pro Tag den Blutdruck.

Druck ausüben bei Bedarf

"Aus moralischer Sicht", betont Hans Ofner, Sekretär der Gewerkschaft PRO-GE in Innsbruck, "trägt die Belegschaft Verantwortung für Kollegen, bei denen man den Eindruck hat, dass sie zu viel trinken. Sonst wird man zum sogenannten Co-Alkoholiker, indem man das Suchtverhalten unterstützt und damit einhergehende Gefahren ignoriert."
Wer dagegen interveniert, macht sich auf der anderen Seite eher unbeliebt. Oft geraten couragierte BetriebsrätInnen unweigerlich in die Rolle der Vernaderer, wenn sie bei ihrem Vorgehen nicht vorsichtig genug sind. Bis zu einem gewissen Grad wirken mit Verständnis vorgebrachte Angebote über Therapiemöglichkeiten viel effektiver, als Alkoholabhängige (mit ohnehin gemindertem Selbstwert) schroff zur Rede zu stellen. Idealerweise kontaktiert der Betriebsrat Betroffene unter vier Augen: Man habe gehört, dass er/sie öfter zu spät käme und die erwartete Leistung nicht erbringe, könnte der Tenor gegenüber Alkoholklienten lauten. Ist das Problembewusstsein geweckt, kann die ArbeitnehmerInnenvertretung dem Kollegen oder der Kollegin die Hilfe in einer ambulanten oder stationären Therapiestätte unterbreiten. Es ist sinnvoll, Bezugspersonen von Abhängigen in die Therapie einzubeziehen.
"Wenn das nicht fruchtet", sagt der Innsbrucker Hans Ofner, der unter anderem als gewerkschaftlicher Suchtbeauftragter fungiert, "binden wir bei Alkoholkranken, die auffallen, Personalleitung oder Geschäftsführung ein, um den Druck zu erhöhen. Ziel muss eine therapeutische Behandlung sein." Damit können ArbeitnehmerInnen vor Jobverlust geschützt werden. Bei Konzernen wie zum Beispiel Siemens ist eine Sucht-Rehab in Form von Betriebsvereinbarungen geregelt. Hilfesuchende KlientInnen müssen keine Beendigung ihres Dienstverhältnisses fürchten - zumindest bis ein paar Wochen nach Ende der Therapie. Nach kurzer Schonphase erwarten sowohl die Firma als auch KollegInnen, dass ein Mitarbeiter mit der Entlassungsdiagnose "gegenwärtig abstinent" wieder zu seinem früheren Elan findet.

Weblink
Anonyme Alkoholiker:
www.anonyme-alkoholiker.at

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