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PassivraucherInnen, so die WHO, haben ein bis zu 20 Prozent höheres Lungenkrebsrisiko, die Wahrscheinlichkeit einer Herzkrankheit wird um 35 Prozent erhöht. PassivraucherInnen, so die WHO, haben ein bis zu 20 Prozent höheres Lungenkrebsrisiko, die Wahrscheinlichkeit einer Herzkrankheit wird um 35 Prozent erhöht.
Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft

Aufatmen

Schwerpunkt

Gesundheit oder Gesundheitswahn? Nichtraucherschutz oder Raucherschikane? Seit einigen Jahren schlagen schon die Wellen zwischen den Seiten hoch.

In Österreich gilt seit 1. Jänner 2009 ein schärferes Gesetz zum Schutz von NichtraucherInnen in Gasthäusern, Restaurants, Cafes etc., Übergangsregelungen gelten bis 30. Juni 2010. Rauchen in Gaststätten und bei öffentlichen Veranstaltungen ist seitdem grundsätzlich untersagt. Ausnahmen bilden Ein-Raum-Betriebe unter 50 m² (die als Raucher- oder Nichtraucherlokal geführt werden können) sowie abgetrennte Raucherbereiche in größeren Lokalen. Für die einen ist das Gesetz zu schwach, geht nicht so weit wie z. B. in Ländern wie Irland, für die anderen zu streng und ruiniert die Wirtschaft, in erster Linie die Gastronomie.

Österreichische Lösung

Christina Hummel, Chefin des traditionsreichen Cafe Hummel in der Wiener Josefstadt, hat aus der Gesetzesänderung das Beste gemacht: "Lieber wäre es mir natürlich gewesen, wenn nichts passiert wäre, denn auf freiwilliger Basis gibt es ja bereits einen Nichtraucherbereich. Aber die WienerInnen, und wahrscheinlich alle ÖsterreicherInnen, machen nur etwas, wenn es gesetzlich verordnet ist. Also habe ich mir überlegt, statt mich immer nur über die Gesetzesänderungen zu ärgern, es lieber als Möglichkeit zu sehen, das Lokal moderner zu gestalten." Die sehr "österreichische" Lösung ist viel kompromissreicher als in anderen EU-Ländern.  "Wenn es ein sofortiges, komplettes Rauchverbot gegeben hätte, wäre es fairer gewesen. Denn Lokale, die nicht das Geld für Umbauten haben, werden Umsatzeinbußen erleiden. Da wird es möglicherweise zu "Nachbarschaftskriegen" kommen, wo dann das Raucherlokal neben dem Nichtraucherlokal einen Vorteil hat", sagt Frau Hummel.
"Eine saubere Lösung wäre besser gewesen, so ist es halt eine österreichische Lösung geworden", meint auch Robert Maggale von der für das Gastgewerbe zuständigen Gewerkschaft vida: "Uns geht es jedenfalls darum, dass jemand, der nicht in Raucherlokalen arbeiten möchte, ordnungsgemäß das Beschäftigungsverhältnis beenden kann, ohne rechtliche und finanzielle Nachteile, bzw. dass Lehrlinge in Bereichen ausgebildet werden, wo sie geschützt sind." Und natürlich, dass "werdende Mütter, sobald die Schwangerschaft festgestellt wird, sofort freigestellt werden können. In allen Branchen sind die ArbeitgeberInnen für den ArbeitnehmerInnenschutz verantwortlich, warum soll ausgerechnet die Gastronomie eine Ausnahme bilden?" In die gleiche Kerbe schlägt auch Dr. Walter Dorner, Präsident der Ärztekammer: "Im Sinne der Gesundheitsvorsorge konsequent wäre ein generelles Rauchverbot - nicht zuletzt für die Beschäftigten in der Gastronomie."
Ganz anders der Kulturphilosoph Robert Pfaller in seinem Buch "Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft". Für ihn ist Nichtraucherschutz ein in erster Linie politisches und kulturelles Phänomen, das wenig mit der Gesundheit zu tun habe. Er meint, dass der Staat beim Rauchverbot vorgebe, sich um das Wohl der BürgerInnen zu sorgen, doch in Wirklichkeit setze der Staat dadurch die BürgerInnen einem Risiko aus, allerdings keinem gesundheitlichen. Das Verbot sei nämlich nur ein erster Schritt in der Liberalisierung der sozialen Sicherheit. Dieser Trend ziele darauf ab, Individuen für ihre Krankheit verantwortlich zu machen.

Überregulierung im Kleinen

Wenn man jetzt aufatmet, weil man in einem Cafe keinen Rauch mehr einatmen muss, aber man wird trotzdem einmal lungenkrank, dann könnte es dazu kommen, dass die Versicherung sagt: "Das kann nur daher kommen, dass Sie zu Hause geraucht haben, selber schuld."
Laut Pfaller sollte die Politik ihre ureigensten Aufgaben wahrnehmen, wie
z. B. die Finanzmärkte regulieren. Gebiete von großem gesellschaftlichem Interesse seien in den vergangenen Jahren liberalisiert worden, im Kleinen und Individuellen werde dafür umso mehr reguliert. Das Rauchverbot sei auch ungeeignet, das Servicepersonal zu schützen. Zuerst solle man sich um die meist prekären Arbeitsbedingungen und die Gehälter der KellnerInnen kümmern. Wenn der Rauch wirklich so schädlich sei, könne man überlegen, den Beschäftigten eine Gefahrenzulage zu geben, wie anderen Berufsgruppen mit gefährlichen Tätigkeiten, meint der Kulturphilosoph.

Kein Orchideenthema

"ArbeitnehmerInnenschutz ist kein Orchideenthema und kann nicht gegen andere gewerkschaftliche Ziele ausgespielt werden. Es ist vielleicht abgedroschen, aber man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen", antwortet Robert Maggale. Für ihn steht fest: "Nichtraucherschutz ist ArbeitnehmerInnenschutz. Um nichts anderes geht es." Maggale liegt dabei auf der Linie der Weltgesundheitsorganisation WHO und der EU. "Immerhin weisen Untersuchungen darauf hin, dass Passivrauchen gefährlicher sein kann, als das Rauchen selbst. PassivraucherInnen, so die WHO, haben ein bis zu 20 Prozent höheres Lungenkrebsrisiko, die Wahrscheinlichkeit einer Herzkrankheit wird um 35 Prozent erhöht. Abgesehen davon ist es vielen unangenehm, mit brennenden Augen in verrauchten Lokalen herumzusitzen und nach Rauch zu stinken.
70 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren befürworten das neue Tabakgesetz, das eine räumliche Trennung von Raucher- und Nichtraucherräumen in der Gastronomie vorsieht. Im Vergleich dazu fordern 19 Prozent ein völliges Rauchverbot in Lokalen, und neun Prozent sprechen sich für eigene Raucherlokale aus. Das ist das Ergebnis der Studie, die Gesundheitsminister Alois Stöger beim Sozialforschungsinstitut IFES in Auftrag gegeben hat. Dabei können sich 59 Prozent der 1.500 Befragten aber keine strikten Rauchverbote wie in anderen europäischen Ländern, etwa Italien oder Irland, vorstellen. Stöger ist sich sicher, dass das bestehende Tabakgesetz, sofern es exekutiert wird, ausreichend ist, und es in dieser Legislaturperiode zu keinen Änderungen kommen wird. Trotzdem könnte die EU dazwischenfunken: Zwar ist Gesundheit eine Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsstaaten, der ArbeitnehmerInnenschutz liegt aber im Kompetenzbereich der Union. Deshalb könnte es, laut Stöger, zum Schutz der Angestellten in der Gastronomie ein generelles Rauchverbot in Gaststätten geben. Obwohl sich die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich laut IFES-Studie nicht bzw. kaum vom Tabakrauch belästigt fühlt (89 Prozent).

Kontrolle ist wichtig

Dass es in Wahrheit kein riesiger Schritt ist, sondern nur ein kleiner Einschnitt in eingefahrene Verhaltensmuster bestätigt Robert Maggale: "In der Küche und an der Schank besteht Rauchverbot wegen der Lebensmittelschutzbestimmungen. Es geht nur um den Gästebereich. Auch dort muss klarerweise der Schutz der MitarbeiterInnen gewährleistet sein. Im nächsten Schritt muss das Arbeitsinspektorat als Kontrollorgan für die Einhaltung der Bestimmungen zugeteilt werden, bis jetzt ist das nicht geregelt."
Wahrscheinlich wird der Nichtraucherschutz die Wirtshauskultur überhaupt nicht beeinträchtigen, sondern dazu beitragen, dass Menschen, denen
es früher zu verraucht war, wieder öfter ausgehen, und die RaucherInnen entwickeln eine neue Kultur: das Rauchen und Flirten vor dem Lokal, das Smirting. Dieses Wort verbindet die englischen Worte Smoking und Flirting und das erfreut sich, zumindest in Irland und Großbritannien großer Beliebtheit. Oder, wie Christina Hummel sagt: "Die Menschen sind Gewohnheitstiere, man gewöhnt sich an alles."

Weblinks
Eckart Hirschhausen - Nichtraucherschutz
www.youtube.com/watch?v=6j80ixOB6nY
NICHTRAUCHERSCHUTZ Auszüge
aus gesetzlichen Bestimmungen
www.uni-salzburg.at/pls/portal/docs/1/565182.PDF

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