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Für die soziale Stabilität in Wien sind besonders auch die rund 220.000 Gemeindewohnungen - ein Viertel des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt - entscheidend. Für die soziale Stabilität in Wien sind besonders auch die rund 220.000 Gemeindewohnungen - ein Viertel des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt - entscheidend.
Wo Arbeitnehmerfamilien wohnen

Ein Dach überm Kopf

Schwerpunkt

Staatlich geregelte Wohnungsversorgung ist traditionell eine wichtige Aufgabe für den Sozialstaat.

Zu den wesentlichen Errungenschaften des modernen Sozialstaates zählen die Regulierungen des Wohnungsmarktes. Für die Sicherstellung der Wohnversorgung sind Marktmechanismen ungeeignet. Wohnungssuchende sind anders als AutokäuferInnen nur begrenzt in der Lage, Mieterhöhungen abzufedern. Eine vierköpfige Familie kann nicht auf 40 m2 leben, und auch wer wenig verdient, kann nicht auf eine Wohnung verzichten.

Unelastische Nachfrage

ÖkonomInnen nennen diese erzwungene Unbeweglichkeit unelastische Nachfrage. Das Angebot reagiert nur verzögert auf Nachfrageänderungen. Gründe dafür: die lange Produktionsdauer, die Immobilität, die hohen Produktions- und Finanzierungskosten sowie Grund und Boden als Produktionsvoraussetzung. Ein leeres Eigenheim in Graz nützt jemanden, der in Wien eine Wohnung braucht, nichts. Die Verfügbarkeit von Grund und Boden wird häufig durch Spekulation dominiert. Zur Finanzierung sind hohe und langfristige Kredite notwendig. Ein ungenügend geregelter Wohnungsmarkt führt zu Wohnungsknappheit und großen sozialen Problemen. Aus dieser Erfahrung heraus übernahm nach dem 2. Weltkrieg der Staat in Österreich und in den meisten europäischen Ländern die klare politische Verantwortung für die Wohnversorgung der Bevölkerung. Instrumente dafür sind vor allem das Mietrechtsgesetz mit Mietenbeschränkung und Kündigungsschutz, die Wohnbauförderung, die Wohnungsgemeinnützigkeit und der kommunale Wohnungsbestand - letzterer vor allem in Wien.
Seit den 1980er-Jahren bis heute wird jedoch in nahezu allen europäischen Ländern die Wohnungspolitik von einer neoliberalen Grundstimmung beherrscht, deren Parameter vor allem eine Zurückdrängung der Staatsausgaben und staatlicher Regulierungen sind. Privatisierung und Deregulierung entwickelten sich zu Leitbegriffen der wohnungspolitischen Diskussion. Mietenregulierungen wurden als Wohnungszwangswirtschaft, Wohnbauförderung und gemeinnütziger Wohnbau als ineffizient diffamiert. In vielen Ländern hat dies zu dramatischen Verschiebungen am Wohnungsmarkt geführt. Auch wenn in Österreich die sozialstaatliche Verantwortung noch besteht, ist es auch hier seit den 1990er-Jahren zu einem Zurückdrängen der staatlichen Regulierungen gekommen.
Das Mietrecht wurde zum Nachteil der Wohnungssuchenden liberalisiert, die Wohnbauförderung laufend gekürzt und im Jahre 2002 wurden auch vier bisher gemeinnützige Bundeswohnbaugesellschaften (BUWOG u. a.) mit insgesamt 60.000 aus Steuergeldern geförderten Mietwohnungen an private Immobilieninvestoren verkauft.

Fast die Hälfte in Mietwohnungen

Fast die Hälfte der ArbeitnehmerInnen in Österreich wohnt in Mietwohnungen. In den Ballungsgebieten ist dieser Anteil jedoch bedeutend höher. In Wien etwa leben 80 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Mietwohnungen. Die Hälfte davon in Mietwohnungen privater Vermieter. Das Mietrecht ist also von entscheidender Bedeutung für die Leistbarkeit und Wohnsicherheit. Das Mietrecht wurde jedoch in den vergangenen Jahren stark zuungunsten der BewohnerInnen geändert. So wurden die Mietobergrenzen praktisch aufgehoben, auch der Kündigungsschutz wurde durch die Möglichkeit, befristete Mietverträge abzuschließen, durchlöchert. Die Folgen: ArbeitnehmerInnen geben immer mehr ihres Einkommens für Mieten aus. Schon 40 Prozent der Mietverträge der vergangenen Jahre sind nur noch befristet.

Gemeinnützige Bauvereinigungen

Rund jeder sechste Arbeitnehmerhaushalt lebt in einer der rund 520.000 gemeinnützigen Mietwohnungen. Gemeinnützige Bauvereinigungen - Genossenschaften - unterliegen dem Wohnungs-gemeinnützigkeitsgesetz. Danach kann nur Kostenmiete ohne Renditenaufschlag verlangt werden. Nach Tilgung aller Finanzierungsdarlehen muss die Miete auf derzeit rund drei Euro pro m² und Monat (exkl. Hausbetriebskosten und Mehrwertsteuer) abgesenkt werden. Von den Förderungsvorteilen profitieren dadurch auch zukünftige Generationen. Aber auch der gemeinnützige Wohnbausektor ist in den vergangenen Jahren geschwächt worden. Bereits erwähnt wurde die Privatisierung von vier Bundeswohnbaugesellschaften mit rund 60.000 Mietwohnungen. Die laufende zwangsweise Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und deren Abverkauf führt zu einer Zersplitterung des gemeinnützigen Wohnungsbestandes.
Für die soziale Stabilität in Wien sind auch die rund 220.000 Gemeindewohnungen - ein Viertel des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt - entscheidend. Nur so ist es möglich, dass Familien mit geringeren Einkommen in leistbaren und menschenwürdigen Wohnung leben können. Diese Wohnungen wurden auch durch Bereitstellung von gemeindeeigenen Grundstücken gefördert. Wohnungen der Gemeinde Wien werden aufgrund einer politischen Entscheidung des Gemeinderates zu günstigen Mieten unbefristet vermietet. Und im Unterschied zu anderen Städten wurden in Wien die kommunalen Wohnungsbestände nicht - wie von vielen Neoliberalen gefordert - privatisiert und verkauft.

Wichtige Wohnbauförderung

Wichtig für die Wohnversorgung ist die Wohnbauförderung. Nur durch sie konnte und kann eine ausreichende Anzahl von leistbaren Wohnungen gebaut werden. Die Förderung erfolgt durch Bereitstellung von günstigen, langfristigen öffentlichen Darlehen für einen Teil der Baukosten. Da der Bausektor eine starke inlandsrelevante Nachfragewirkung auslöst, trägt die Wohnbauförderung auch wesentlich zur Konjunkturstabilisierung bei. Finanziert wird sie zu zwei Drittel über Lohnsteuern und durch den Wohnbauförderungsbeitrag. Der Rest wird aus Rückzahlungen von Förderungsdarlehen durch die WohnungsnutzerInnen finanziert.
In der Vergangenheit wurden die dafür bereitgestellten Steuermittel aber immer stärker gekürzt und von den Bundesländern auch für andere Zwecke eingesetzt. Besonders problematisch ist die 2009 erfolgte Aufhebung der Zweckwidmung der an die Bundesländer überwiesenen Steuermittel und Rückflüsse. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Mittel zur Finanzierung anderer Ausgaben verwendet werden. Schon derzeit sinkt die Zahl der Baubewilligungen für Neubauwohnungen und beträgt 2011 nur noch 33.850 Wohnungen. Laut WIFO sind jedoch jährlich rund 50.000 Wohnungen nötig.
 Auch wenn in Österreich das wohnpolitische Instrumentarium bisher größere Probleme in der Wohnversorgung verhindert hat, häufen sich die Schwierigkeiten. Diese sind durch eine Mietrechtsreform mit klarer Mietenbegrenzung und Kündigungsschutz, erneute Zweckbindung der Förderungsmittel, verstärkt gefördertem Wohnungsneubau und einer Stärkung der Gemeinnützigkeit zu bewältigen. Liberalisierungspolitik ist der falsche Weg und führt in eine wohnpolitische Sackgasse mit negativen Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft.

Weblink
Mehr Infos unter:
www.arbeiterkammer.at/online/wohnen-muss-leistbar-sein-53431.html?mode=711&STARTJAHR=2008

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