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Paarweise arbeiten Die Liebe am Arbeitsplatz ist weit verbreitet. Fast jede/r Fünfte hatte bereits irgendwann eine Beziehung am Arbeitsplatz, und ein Viertel der Ehen finden ihren Anfang im Büro.

Paarweise arbeiten

Schwerpunkt

Neben dem Internet ist der Arbeitsplatz, an dem man die meiste wache Zeit seines aktiven Lebens verbringt, der größte Heiratsmarkt.

Nachdem man aus Schule und Ausbildung herausgewachsen ist, finden es die meisten Menschen gar nicht so einfach, neue Partner kennenzulernen. Der Arbeitsplatz, an dem man die meiste wache Zeit seines aktiven Lebens verbringt, ist da für viele eben auch die »Partnerbörse« schlechthin.

Liebe verboten
Amerikanische Unternehmen sehen das nicht sehr positiv: Im Jahr 2005 holte sich der US-amerikanische Konzern Wal-Mart eine blutige Nase, als er mit Teilen seiner Ethikrichtlinie vor dem Landes­arbeitsgericht in Düsseldorf antreten musste. Der vorsitzende Richter, Lothar Beseler entschied, dass der entsprechende Passus der Wal-Mart-Ethikrichtlinie gegen das deutsche Grundgesetz verstößt.

Die Ethikrichtlinie wurde von Wal-Mart Anfang 2005 implementiert und untersagte den damals 12.500 Mitar­beiterInnen in Deutschlands Wal-Mart-Niederlassungen allerlei Zwischenmenschliches: So wurde unter Verbot gestellt mit KollegInnen zum Abendessen auszugehen oder gar eine Liebesbeziehung zu beginnen. »Dies greift tief in die Persönlichkeitsrechte ein und verstößt gegen die Paragrafen 1 und 2 des Grundgesetzes«, erklärte damals der zuständige Richter Beseler gegenüber der deutschen Presse.
Wal-Mart rechtfertigte sich (vergeblich) damit, dass diese Richtlinien in ers­ter Linie Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen unterbinden sollten. Doch auch solche Beziehungen sind, auch wenn sie im Einzelfall zu Problemen führen können, nicht pauschal zu verbieten.

Das Problem mit dem sich Wal-Mart da in Deutschland herumschlug, war nicht neu und taucht vermehrt auf, wenn Töchter von US-amerikanischen Konzernen die amerikanische Ethikrichtlinien ohne einen Blick auf die hier geltenden Gesetze zu werfen, übersetzen lassen und in Kraft setzen wollen. Doch in Europa gelten andere Arbeitsverfassungsetze und andere Richtlinien. Die amerikanischen Ethikrichtlinien, die auch Business-­Guidelines (Code of Conduct, Compliance-Richtlinien etc.) genannt werden, können nicht einfach ungeprüft übernommen werden. Noch weniger dann, wenn sich ihr Geltungsbereich nicht nur auf das eigene Unternehmen, sondern auch auf Lieferanten und AuftragnehmerInnen erstreckt.

Kein Kündigungsgrund
Das deutsche Urteil war eigentlich keine Überraschung. Wohl auch deshalb nicht, weil in Europa und besonders in Österreich doch sehr unterschiedlich mit solchen Themenfeldern umgegangen wird. Ilse Fetik, Betriebsrätin der Erste Bank: »Bei uns ist das definitiv kein Kündigungsgrund. Die einzige Einschränkung wird schon bei der Einstellung schlagend: Wenn z. B. jemand mit dem Leiter eines Bereiches bis zum 2. Grad verwandt ist, dann wird diese Person nicht angestellt.« Ansonsten kann Ilse Fetik die amerikanischen Sorgen bei Paaren in Unternehmen nicht verstehen: »Wenn das bei uns ein Problem wäre, dann wäre die Bank halb leer«, meint sie lachend und erklärt: »Mein eigener Freundeskreis ist zu einem großen Teil aus der Bank, ich kenne die Menschen hier einfach sehr gut und man hat viele Berührungspunkte.«

Vor- und Nachteile
Wer Probleme sehen will, der kann sie überall finden. Aber, so Ilse Fetik: »Man kann natürlich die Nachteile sehen, aber auch die Vorteile: Menschen, die gemeinsam in einem Unternehmen arbeiten, werden zum Beispiel kein so großes Problem haben, wenn es einmal länger dauert.« Das unterstreicht auch Kurt Rötzer, Abteilungsleiter für Arbeitsrecht in der Arbeiterkammer: »Rechtlich gibt es in Österreich keine Regelung, die es verbieten würde, sich auch im Arbeitsumfeld näherzukommen. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, dass das in unserer Beratungspraxis als Problem untergekommen wäre.« Muss man sich also keine Sorgen machen, wenn man im ­Rahmen einer Anstellung eine solche Ethikrichtlinie unterzeichnet? Rötzer: »Man sollte natürlich nicht alles ungeprüft unterzeichnen, und weil es in Österreich zu diesem Thema noch keine Rechtsprechung gibt, kann man auch nicht mit Sicherheit sagen wie das ausgeht. Aber ich vertraue da schon sehr auf die österreichische Rechtsprechung. Die ist da schon näher am richtigen Leben als so mancher US-Konzern.« Jemand, dem im Zuge einer Anstellung eine solche Ethikrichtlinie vorgelegt wird, kann allerdings nur unterschreiben und auf die Lebensnähe unserer Arbeits- und Sozialgerichte vertrauen.

Weniger FehlzeitenUnd Rötzer zum Thema Vor- und Nachteile für Unternehmen: »Es gibt Untersuchungen, die kommen zu dem Schluss, dass es weniger Fehlzeiten gibt, wenn die Partner im selben Unternehmen arbeiten, als wenn sie es nicht tun.«
BetriebsrätInnen in Österreich sind sich einig: Wenn man Probleme finden will, dann findet man welche, ob es nun zu Pärchenbildung im Unternehmen kommt oder nicht. Und Schwierigkeiten gibt es in der Regel, so sind sich ExpertInnen einig, ohnehin nur dann, wenn es zu Trennungen kommt und einer oder eine verletzt zurückbleibt. Fetik: «Dann habe ich aber so oder so eine unglückliche Person im Unternehmen, die sich erst wieder fangen muss. Dann spielt es keine Rolle, ob der Expartner im Konzern arbeitet oder nicht.«

Der ORF, bekannt für eine ganze Reihe prominenter Paare, sieht die Sache ebenfalls pragmatisch. Betriebsrat Gerhard Moser hat dafür nur einen Satz parat: »So lange es keine Abhängigkeitsverhältnisse gibt, ist das bei uns kein Thema.« Und hier liegt tatsächlich der Hase im Pfeffer: Auch wenn es keine rechtlichen Regelungen gibt, so sind sich alle befragten Betriebsräte einig: Die »klassische Paarung« Vorgesetzter und Sekretärin birgt Gefahren für alle Beteiligten und sollte noch bevor es zu Problemen kommt am besten aufgelöst werden. Und zwar so, dass der eine Partner dem anderen keine Weisungen mehr erteilen kann. In großen Unternehmen ist das meist kein wirkliches Problem.

Ein gelassener Umgang mit dem Thema kann Unternehmen sogar nützen: Informelle Netzwerke und gute Informationsflüsse sind in Zeiten schneller Information wichtiger denn je. Und eine Kultur, die Paare nicht zu verhindern sucht, sondern wohlwollend in Kauf nimmt, kann auch den betroffenen Familien nützen: Wenn beide Elternteile im Haus arbeiten, dann holt eben der das kranke Kind im Betriebskindergarten ab, der gerade »entbehrlicher« im Job ist. Und das kann auch einmal der Papa sein.
Eines ist klar: Auch wenn manche Unternehmen den Flirt im Büro am liebs­ten abschaffen wollen: Die Liebe am Arbeitsplatz ist weit verbreitet. Fast jede/r Fünfte hatte bereits irgendwann eine Beziehung am Arbeitsplatz, und ein Viertel der Ehen finden ihren Anfang im Büro.

Worauf zu achten ist
Es gibt allerdings ein paar nützliche Hinweise, die, wenn man sie denn beherzigen kann, potenzielle Probleme klein halten: Kein Flirt in der eigenen Abteilung - wenn es schief geht, ist oft das Arbeitsklima vergiftet.
Keine Beziehung zu Untergebenen - das hat immer eine schiefe Optik und birgt im Fall der Beendigung für beide Probleme.
Keine Beziehung mit Vergebenen beziehungsweise Verheirateten - das kann im Fall der Entdeckung zu schwerwiegenden Problemen und zu sehr großer Unruhe im Unternehmen ­führen.
Klar ist: Wo die Liebe hinfällt, da helfen auch keine Tipps und rationalen Argumente. Eine gute Trennung von Privat und Beruf und ein dezenter Umgang im Job hilft auch in solchen Fällen ein wenig.
Wenn aus dem Flirt allerdings Liebe geworden ist, bringt auch die größte Diskretion nichts mehr. Dann macht es Sinn, die Beziehung öffentlich zu machen und vor allem den Vorgesetzten oder die Vorgesetzte in Kenntnis zu setzen. Es kann, je nach Unternehmenskultur, dann auch zu Versetzungen kommen.
Mittlerweile scheinen die US-amerikanischen Konzerne dazugelernt zu haben: Nach der viel beachteten Wal-Mart-Entscheidung hat es laut vida bis heute keine weiteren Fälle dieser Art gegeben. Also darf auch in diesen Unternehmen wieder - mit aller gebotenen Vorsicht - geflirtet werden.

Weblink
Liebe am Arbeitsplatz:
www.stern.de/extra-liebe-am-arbeitsplatz

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