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Sex sells - nicht unbedingt Sexistische Werbung verfestigt ein bestimmtes Frauenbild und konstruiert letztlich auch gesellschaftliche Realitäten mit.

Sex sells - nicht unbedingt

Schwerpunkt

Frauen sind gerne nackt, Männer kennen sich bei Schrauben aus. Ohne Klischees und Stereotype funktioniert Werbung kaum.

Es war Anfang der Achtzigerjahre, als in den Medien der »Wiener Wäschekrieg« tobte. Ein paar Dutzend Frauen hatten mit Klebstoff und Spraydosen die Schaufenster des Unterwäschehändlers Palmers mit Boykottaufrufen überklebt. »Palmers-Werbung beleidigt die Frauen - kauft hier nicht ein«, lauteten die empörten Parolen. Ursache der Aktion war eine Blondine in Dreifachversion. Frontal im Tanga, im gelüpften Schlafrock und im schwarzen Spitzenhemdchen. »Trau dich doch.«

Bilder mit Folgen
Schon damals wusste die Sozialwissenschaft, dass publizierte Bilder nicht ohne Folgen bleiben. »Allein durch ihre Massenhaftigkeit, durch die millionenfache Verbreitung und die ständige Präsenz wirken Werbeklischees unterschwellig sozialisierend. Mediale Rollenzuteilungen und Verhaltensweisen sind auf Dauer normativ. Mit dem Produktnamen lernt der Konsument die zugehörigen Stereotype«, schrieb die Publizistin Sigrid Löffler dazu in der deutschen Wochenzeitung »Die Zeit«.
Die Werbung lenke die Blicke nur dorthin, worauf sie ohnehin gerichtet wären, verteidigte sich Palmers-Wäsche-Werber Christian Satek damals. »Auf Menschen, die schöner, jünger und reicher sind als der Durchschnitt.«
Von Modellierung der Sinnlichkeit sprach der Berliner Philosoph Wolfgang Fritz Haug, einer systematischen Umformung der Sinnlichkeit durch die Ästhetik der Ware. Durch stereotype Bilder und Klischees gelänge es den Produkten, sich allmählich zwischen uns und unser Körpergefühl zu drängen und sich dort unentbehrlich einzurichten.

Zähne zusammenbeißen
»Als Gattin eines Zahnarztes weiß ich, wie wichtig gesundes Zahnfleisch ist«, sagt das Werbemodell, und wir sind überrascht, was der weibliche Mensch in den Ehejahren zu lernen imstande ist. 30 Jahre nach dem Wäschekrieg ist die Frau in der Werbung kaum klüger geworden. Im Allgemeinen werden der Frau immer noch stereotyp traditionelle Rollen zugeteilt, meint auch die Werbekauffrau und Kommunikationstrainerin Brigitte Krupitza.
Es handle sich hier um gesellschaftliche Klischees, die durch die starke Präsenz in der Öffentlichkeit und häufige Wiederholungen fixiert werden. »Werbung sucht einerseits einen Idealzustand zu zeigen«, schreibt Krupitza, »andererseits greift sie auf kulturelle Ressourcen zurück, womit sie scheinbar natürliche Zuschreibungen zementiert.«

So stehen an einem Ende der Werbeskala die Hausfrau im Krieg gegen Staub und Schlieren, begleitet von ihrer Schwester, dem sinnlichen Luxusweib, bei dessen Anblick sich unsereins fragen muss, wie das denn bloß überleben konnte. Im Allgemeinen ist die Frau in der Werbung den fachlich qualifizierten Männern unterlegen, analysiert Fachfrau Krupitza. So kommen Männer auch häufiger bekleidet vor, was ihrem Ansehen durchaus nützt. Auch bei der Wahl von welchem Geschlecht ein Produkt beworben wird, setzen die Unternehmen auf Tradition. Frauen empfehlen Öle für Haut und Salate, Naschereien, Wundcremen und die Verdauung Förderndes, also insgesamt Erzeugnisse, die der Familienharmonie zuträglich sind. Männer hingegen loben technische Artikel und Dinge, die den Status erhöhen.

»Haben Sie eine XY-Karte?«, fragt die junge Frau an der Kassa. Nein, ich wolle nur ein Shampoo, einfach so, zum Haare waschen, ehrlich. Und ich bräuchte auch die Wimperntusche in Aktion gerade nicht, sage ich und denke an die Zeit, die verloren geht durch diesen Dialog, der an allen XY-Kassen geführt wird, weil Mitarbeiterinnen, die sich ihm verweigern bald an der Kasse fehlen.
Über uns schwebt ein Spiegel, in dem kann die Kassierin sehen, ob ich auf ihre Frage: »Sonst noch was?« nicht gelogen und doch etwas eingesteckt habe, heimlich. Hier bin ich Mensch, denke ich und um uns sind die Plakate, auf denen sehen wir wie makellos Menschen sein könnten, wenn sie hier kaufen.

Männerfantasien
Die wenigsten Frauen fühlen sich durch die Werbung angesprochen, weiß auch Werbekauffrau Krupitza. »Es werden zu viele Klischees bedient und Models eingesetzt, mit denen sie sich nicht identifizieren können.« Nur die Kampagne einer zu Unilever gehörenden Kosmetikfirma, die gängige Klischees ein wenig ankratzt, wird von den befragten Frauen als positiv gewertet. Gezeigt werden normalgewichtige Frauen (fast) jeden Alters. Zwar sieht die Wirklichkeit immer noch anders aus, aber die Models sehen fast normal aus, nicht wie Spiegelungen männlicher, vom Computer zurecht getrimmten Fantasien. Die Kampagne wurde von den Konsumentinnen belohnt: Sechs Monate nach dem Start im Oktober 2004 war der Verkauf von Seifen und Gesichtsreinigern fast um drei Prozent gestiegen.

Das Klischee selbst wird zum Klischee: Zu viel Sex in der Werbung, so fanden britische Wissenschafter heraus, kann die Adressaten vom Konsumieren regelrecht abhalten. Sex lohne wenn überhaupt nur, um Männern etwas zu verkaufen.
Das deutsche »Institut für qualitative Markt- und Medienanalyse Rheingold« konstatierte eine »Vereisung der Sexualität« in der Werbung. Erotische Themen würden nunmehr mit unterkühlter Distanz aufgegriffen und dabei häufig ironisiert. »Sex sells« wird beinahe zur Persiflage des eigenen Klischees.

Sexismus
Sexismus in der Werbung war auch Thema bei der Überarbeitung des Selbstbeschränkungskodex des Österreichischen Werberates 2009. »Die große Reform des vorigen Jahres spiegelt neue gesellschaftliche Trends sowie nationale und internationale Normen wider«, kommentierte Michael Straberger, ÖWR-Präsident. »Inhaltlich wurde jenes Thema aufgegriffen, das in den vergangenen Jahren zu den meisten Beschwerden führte: Sexismus und Frauendiskriminierung in der Werbung.«

213 Beschwerden beim Werberat
2009 waren insgesamt 213 Beschwerden beim Werberat eingelangt, der nur für kommerzielle Werbung zuständig ist. 37 davon betrafen sexistische Werbung, in 29 Fällen wurden die Sujets als Frauen diskriminierend empfunden. Nur in vier Fällen sprach sich der Werberat für einen Stopp der Kampagne aus, etwa des Tanzevents »Bauer sucht Sau.«

Ein Verbot sexistischer Werbung per Gesetz hatte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek Anfang des Jahres gefordert. Denn der Werberat kann zwar sexistische Diskriminierung feststellen, Möglichkeiten zur Sanktion aber bestehen nicht. Bei Beschwerden an den Werberat wird zuerst geprüft, ob es sich um eine Wirtschaftswerbung handelt. Ist die Beschwerde berechtigt, wird nunmehr eine Stellungnahme der Arbeiterkammer, aus dem Bereich Konsumentenschutz, und eine des betroffenen Unternehmens eingeholt, berichtet ÖWR-Präsident Michael Straberger. In 70 oder 80 Prozent der Fälle zögen die Unternehmen bereits im Zug der Anfrage durch den Werberat von selbst das inkriminierte Sujet zurück.

Die Schwierigkeit, das weiß der Werbefachmann, durch die in den Medien breitest diskutierten Entscheidungsfälle, ist die Gefahr der wiederholten Abbildung der beanstandeten Werbeschaltung. Was im schlimmsten Fall noch mehr Werbung für das jeweilige Produkt sein kann. »Die Werbung lebt in gewissen Maß von der Arbeit mit Stereotypen«, meint Straberger. Im neuen Kodex zur Selbstregulierung der Werbebranche habe die Frage, ab wann Stereotypen diskriminierend sind, eine zentrale Stellung.

Gesetzliches Verbot
Für eine bundesweite gesetzliche Regelung gegen sexistische und diskriminierende Werbung besteht kein politischer Konsens. Einstweilen wurde auf Initiative von Frauenstadträtin Elke Edlinger in Graz die Watchgroup gegen sexistische Werbung eingerichtet, die regelmäßig die Werbelandschaft auf sexistische Sujets überprüft. »Sexistische Werbung verfestigt ein bestimmtes Frauenbild und konstruiert letztlich auch gesellschaftliche Realitäten mit«, heißt es auf der Homepage. Werbung sei ein Mittel, um die Geschlechterhierarchie stets wieder zu reproduzieren und damit aufrecht zu erhalten.

Weblink
Werden Sie aktiv gegen Sexismus im Alltag:
www.watchgroup-sexismus.at

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Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
gabriele.mueller@utanet.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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