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Vorsicht, Gefahr im Verzug! ZugbegleiterInnen stehen an vorderster Front und bekommen damit den Ärger der Fahrgäste hautnah mit. In ihrer Arbeit stehen die Aushängeschilder der ÖBB oft vor Herausforderungen und Problemen.

Vorsicht, Gefahr im Verzug!

Schwerpunkt

Immer öfter sind Beschäftigte in Verkehrs- und Dienstleistungsberufen Gewalt im Job ausgesetzt. Die Gewerkschaft vida deckt auf.

Sie werden beschimpft, bespuckt und auch getreten. ZugbegleiterInnen stehen an vorderster Front und bekommen damit den Ärger der Fahrgäste hautnah mit. In ihrer ­Arbeit stehen die Aushängeschilder der ÖBB oft vor Herausforderungen und Problemen. So müssen ZugbegleiterInnen nicht nur für Sicherheit sorgen und Unfälle sowie Vandalismus in Grenzen halten, sondern oft auch Konflikte lösen. Da ist es sicherlich der falsche Weg, beim Personal in Zügen und Bahnhöfen zu sparen. Denn dort, wo AnsprechpartnerInnen fehlen, ist es viel schwieriger, eine Lösung zu finden. Und mitunter führen die Einsparungen zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko für Fahrgäste und Beschäftigte.

Tabu-Thema

Gewalt am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein unterschätztes Problem, sowohl hinsichtlich des Vorkommens als auch hinsichtlich des Wissens über die verschiedenen Formen der Gewalt. So lassen sich die Hauptergebnisse der Befragung, die das Forschungsinstitut ifes im Auftrag der Gewerkschaft vida unter den Beschäftigten aus dem Verkehrs- und Dienstleis­tungsbereich durchgeführt hat, auf den Punkt bringen. Um die Situation in Österreich genauer einschätzen zu können, hat ifes über 1.800 Beschäftigte aus unterschiedlichen Branchen und Betrieben interviewt. Denn da Gewalt am Arbeitsplatz leider nach wie vor ein Tabu-Thema ist, gab es davor wenig aussagekräftiges Datenmaterial. Mehr als 60 Betriebsrats­teams haben die Umfrage tatkräftig unterstützt. Denn nur wenn die Fakten auf dem Tisch liegen und alle offen darüber reden, kann man etwas verändern.

Tatort Transport

Rund jede/r zweite Befragte hat am derzeitigen Arbeitsplatz schon einmal die eine oder andere persönliche Gewalterfahrung gemacht. Am stärksten davon betroffen sind die in der Verkehrsbranche Tätigen, wo drei Viertel angeben, in der Arbeit schon einmal persönlich Opfer von Gewalt gewesen zu sein. Die Beschäftigten dieser Branche sehen sich vor allem Hänseleien, Verspottungen, diskriminierenden Witzen sowie Bedrohungen und Einschüchterungen durch Kunden/­-innen ­ausgesetzt. Auch von Tätlichkeiten und Handgreiflichkeiten waren Beschäftigte in den Transportberufen etwa dreimal so häufig betroffen wie der Durchschnitt der ArbeitnehmerInnen aus dem Dienstleistungssektor.
Gewalt im Job geht vorwiegend von den Kunden/-innen bzw. KlientInnen aus. Das trifft insbesondere auf den Verkehrs- sowie den Gesundheitssektor zu. Im Tourismusbereich wird hingegen häufiger beobachtet, dass die Gewalt von Vorgesetzten und KollegInnen ausgeht. Steigender Arbeitsdruck wird als häufigster Grund für die Gewalt genannt, gefolgt von Angst um den Arbeitsplatz und einem schlechten Führungsstil.
Als Gewalt stuften die Befragten neben körperlichen Übergriffen auch mehrheitlich sexuelle Belästigungen sowie Herumschreien und Einschüchterungen ein. Zumindest »unter Umständen« werden Ausgrenzung, anzügliche und diskriminierende Witze und Bemerkungen sowie Hänseleien und Verspottung als Gewalt angesehen.
Letzteres wird aber von einem Viertel der Befragten dezidiert nicht als Gewalt eingestuft, und weitere zwölf Prozent wollten keine Angabe dazu machen. »Das kann auf mangelnde Sensibilität zurück­zu­führen sein, weil die vielen Facetten von Gewalt bisher nicht thematisiert wurden. Vielfach werden unangenehme Situationen aber auch verdrängt, unter dem Motto: Das gehört zum Job dazu«, so die stellvertretende vida-Bundes­geschäftsführerin Renate Lehner zu dem Ergebnis.

vida-Initiative

Die Gewerkschaft vida möchte mit der Initiative »Tatort Arbeitsplatz. Gib der Gewalt im Job keine Chance« die Beschäftigten für die unterschiedlichen Formen der Gewalt sensibilisieren und ihnen Mut machen, derartige Vorfälle zu melden statt hinzunehmen. Außerdem sei es »hoch an der Zeit«, dass auch die Arbeitgeberseite und die Politik das Thema ansprächen und aktiv dagegen vorgingen, erklärt Renate Lehner. So fordert vida unter anderem ein klares Bekenntnis der Betriebe, dass Gewalt nicht toleriert wird in Form von schriftlichen Leitlinien, mehr Prävention durch Schulungen für Führungskräfte und Beschäftigte im Umgang mit Konflikten, aber auch die Sicherstellung, dass genügend Personal im Einsatz ist.
Seit 2010 hat die Gewerkschaft vida ein neues Seminar für BetriebsrätInnen sowie Jugend-, Sicherheits- und Behindertenvertrauenspersonen im Angebot. »Dabei lernen die TeilnehmerInnen nicht nur, Konflikte zu lösen, Aggression zu bewältigen oder Gewalt zu verringern. Sie erfahren auch, was Gewalt überhaupt ist, wer davon betroffen ist, wie man Betroffene unterstützen kann und vor allem, wie man präventiv im Betrieb gegen jegliche Form von Gewalt aktiv wird«, erklärt Peter Traschkowitsch, Projektleiter der vida-Initiative. Das Feedback der bisherigen TeilnehmerInnen sei mehr als positiv. Beschäftigte aus den unterschiedlichen Branchen seien zusammengekommen, um sich gemeinsam gegen Gewalt im Job zu rüsten.
Der Wunsch einer Fortsetzung sei laut, auch nach regelmäßigen Treffen, um Erfahrungen auszutauschen, so Traschkowitsch. Heuer finden noch drei Betriebsratsseminare statt. vida arbeitet derzeit auch an einem Seminarangebot für Mitglieder. Sie sollen vor allem einen besseren Umgang mit Stress, Gewalt und Zeitmanagement erlernen.

Klare Spielregeln

Für BetriebsrätInnen, die gegen Gewalt im Job aktiv werden wollen, hat die Gewerkschaft vida eine Musterbetriebsvereinbarung ausgearbeitet. Darin ist einerseits das Bekenntnis zum wertschätzenden Umgang miteinander festgehalten. Andererseits sieht die Vereinbarung verbindliche Leitlinien für den Umgang mit Gewalt im Betrieb vor - also Maßnahmen, die in Kraft treten, wenn sich jemand nicht an diese Regeln hält oder die Gewalt durch Dritte - Kunden/-innen, PatientInnen - ausgeht. Als erstes Unternehmen nach vida hat die Privatklinik Goldenes Kreuz die ausgearbeitete Vereinbarung gegen Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz unterzeichnet.

Gemeinsam aktiv

Auch Austro Control, Österreichs Flugsicherungsunternehmen, hat den unterschiedlichen Formen von Gewalt am ­Arbeitsplatz den Kampf angesagt. Und dabei ziehen BetriebsrätInnen und Dienstgeber an einem Strang. Mit einer Betriebsvereinbarung haben nämlich sowohl Belegschaftsvertretung als auch Geschäftsleitung ein wirksames Instrument, um erstmals strukturiert, ergebnisorientiert und vor allem verbindlich mit allen Facetten der Gewalt im Job umgehen zu können, ist Betriebsratsvorsitzender Norbert Payr überzeugt.
Kernstück der Vereinbarung, die derzeit mit Unterstützung der Gewerkschaft vida ausgearbeitet wird, ist eine betriebliche Beratungsstelle. Sie soll sich kontinuierlich mit den verschiedenen Gewaltformen - von Beleidigungen über Mobbing bis hin zu tätlichen Angriffen - beschäftigen und den MitarbeiterInnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Darüber hinaus sind Schulungen für alle Beschäftigte und Führungskräfte angedacht. So wollen die BetriebsrätInnen der Austro Control Bewusstsein und Sensibilität für das brisante Thema schaffen. Damit »Gewalt-Phänomene« frühzeitig erkannt werden oder im besten Fall gar nicht erst entstehen.
Die Musterbetriebsvereinbarung gibt es unter www.tatortarbeitsplatz.at im Internet - der Informationsplattform zur vida-Initiative. Hier finden sich neben den detaillierten Umfrageergebnissen Informationen zu den Service- und Hilfsleistungen der Gewerkschaft, zu der geltenden Rechtslage und den Forderungen von vida. Darüber hinaus kommen ExpertInnen wie beispielsweise Kriminalpsychologe Dr. Thomas Müller, aber auch BetriebsrätInnen und Betroffene zu Wort.
Sie sprechen in Audio- und Videobeiträgen über ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichen Facetten von Gewalt im Job. Und seit kurzem bietet die Website auch ein Info-Angebot in den Sprachen Türkisch, Bosnisch, Serbisch und Kroatisch.

Weblink
Mehr Infos unter
www.tatortarbeitsplatz.at

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marion.tobola@vida.at
oder die Redaktion
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