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ÖIAG: Herrenmenschentum Den Einmaleinnahmen für den Staat steht der Verlust von Arbeitsplätzen - im ehemaligen Kernbereich der Verstaatlichten sind dies rund 80.000 seit Ende der 1980er-Jahre - gegenüber.

ÖIAG: Herrenmenschentum

Gesellschaftspolitik

Die ÖIAG wird immer weniger: weniger Beteiligungen, weniger Beschäftigte. Was bleibt: ÖIAG-Chef Peter Michaelis und sein hohes Salär.

Die ÖIAG, die Österreichische Industrieholding AG, wird immer weniger. Weniger Beteiligungen, weniger MitarbeiterInnen durch Verkäufe und Kündigungen - sogar aktive BetriebsrätInnen sollen nun über die Klinge springen. Doch einer bleibt, egal wie wenig zu tun ist: Peter Michaelis, Alleinvorstand der ÖIAG und Aufsichtsratspostensammler auch in den Firmen, für die die ÖIAG noch die Holding bildet, z. B. bei OMV, Telekom und Post. Na klar, könnte man denken, was hat der Mann mit einem Jahressalär von 350.000 Euro plus 350.000 Euro Bonus, also in Summe 700.000 Euro im Jahr, sonst zu tun? Z. B.: BetriebsrätInnen hinausekeln! Laut Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Josef Ostermayer, soll der ÖIAG-Chef als Teil seiner Bonuszahlungen ein Kopfgeld von 70.000 Euro für die Entlassung von BetriebsrätInnen, die über 45 Jahre alt sind, erhalten.1

Drohungen und Druckausübung

Umso perfider klingt für die Beschäftigten die Belobigung ihres Chefs im »Vorwort« des aktuellen ÖIAG-Geschäftsberichts vom Mai 2010: »Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zielorientiert und mit hohem persönlichem Einsatz ihrer Arbeit nachgehen. Dank ihres großen Engagements konnten wir wieder ein gutes Ergebnis ... erzielen.«2 Danach kam der Rausschmiss für ÖIAG-Beschäftigte und -BetriebsrätInnen. Die Gewerkschaft GPA-djp vertritt die Betroffenen und weiß von »Umgang mit Drohungen und Druckausübung an der Grenze zur Nötigung«.3 Die GPA-djp sieht außer bei ÖIAG-Aufsichtsratsvorsitzenden Mitterbauer (Fa. MIBA), bei ÖIAG-Chef Michaelis und bei Finanzminister Pröll Handlungsbedarf. Doch der Finanzminister hält am ÖIAG-Chef fest, hält die Leistungen der ÖIAG für herzeigbar und steht voll hinter den von der ­ÖIAG gemanagten Privatisierungen.4
Noch vor zehn Jahren umfasste die ­ÖIAG über 20 Beteiligungen, war Voll- oder Mehrheitseigentümer, darunter ­voestalpine, VA Tech, Böhler Uddeholm, Post, Postbus, Telekom, AUA usw. In den Jahren 2000 bis 2006 gab die ­ÖIAG ihre Anteile an 14 Unternehmen vollständig ab. Heute beschränken sich die Anteile auf Post (52,9 Prozent) Telekom (31,5 Prozent) und OMV (28,4 Prozent). Außerdem hält die ÖIAG 100 Prozent an der Fimbag, der Banken-ÖIAG: Insgesamt geht es (noch) um mehr als 85.000 MitarbeiterInnen und 33 Mrd. Euro Umsatz.
»Die Aufgabe der ÖIAG ist« laut Geschäftsbericht, »als Eigentümerin von Unternehmensteilen, deren Werterhalt und -steigerung zu sichern.«5 Richtig. ­Jedoch: Weder frühere (z. B. voestalpine) noch die letzte (AUA), zum Teil bewusst herbei-(herab)gemanagte und für die privaten Unternehmen als Käufer billig und für die (aus-)verkauften Unternehmen und den Staat teuer (d. h. unter dem Wert), durchgeführte Privatisierung entsprechen diesem Auftrag der Werterhaltung. So erhielten etwa die neuen privaten und mehrheitlich ausländischen Eigentümer der ­voestalpine AG ihre Anteile zum Zeitpunkt des Verkaufs im September 2003 um 400 Mio. Euro unter dem tatsächlichen Unternehmenswert.6 Kein Aufschrei in der Politik. Im Gegenteil, der letzte Ausverkauf, der der AUA an die Lufthansa im vergangenen Jahr, wurde von der Koalition abgesegnet, der Vertrag von ÖIAG-Chef Michaelis zuvor bis 2012 verlängert.

AUA um 366.000 Euro verschenkt

Die AUA wurde an die Lufthansa um 366.000 Euro (!) verschenkt, die Republik Österreich schmiss der Lufthansa noch eine halbe Milliarde Euro in den Rachen und die AUA ist - obwohl vor dem Verkauf schlechtgeredet - so gut, dass sie jetzt als Lufthansa-Tochter Kapazitäten nicht verkaufen darf, um dem EU-Wettbewerbsrecht zu entsprechen. Dafür soll Michaelis eine Prämie von mehr als 52.000 Euro kassiert haben, die er sich zudem im Aufsichtsratspräsidium erst im Nachhinein ausgehandelt hätte.7
Die ÖIAG agiert mit Zustimmung der Politik als Vehikel in- und ausländischer Konkurrenten und zum Schaden der in den Beteiligungsunternehmen Beschäftigten und der österreichischen SteuerzahlerInnen. Denn: Den Einmaleinnahmen für den Staat steht der Verlust von Arbeitsplätzen - im ehemaligen Kernbereich der Verstaatlichten sind dies rund 80.000 seit Ende der 1980er-Jahre - gegenüber.8 Am Ende einer Totalprivatisierung befürchtet der ÖGB den Verlust weiterer Zehntausender Arbeitsplätze. Laut Berechnungen der AK führt eine Totalprivatisierung zu einem Verlust an Steuer- und Dividendeneinnahmen des Staates aus seinen Beteiligungen von jährlich rund 250 Mio. Euro.9

Es wird weiter privatisiert

Doch es wird weiter an der Privatisierungsschraube gedreht. Jüngster Vorstoß ist eine WIFO-Studie10, die »zufällig« zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie sie die Industriellenvereinigung schon seit einiger Zeit fordert: Das Privatisierungspotenzial in Österreich betrüge bei Rückzug von Staat, Land und Gemeinden auf 25 Prozent bis zu 25 Mrd. Euro. Diese Rechnung beinhaltet nicht nur die vollkommene Privatisierung der noch ÖIAG-Beteiligungen Post, Telekom und OMV, sondern auch der Elektrizitätswirtschaft vom Verbund, den Landesgesellschaften bis hin zu Stadtwerken, der Bundesimmobiliengesellschaft, der Bundesforste oder der Wasserversorgung, also klassische Bereiche der Daseinsvorsorge. Wohin die Privatisierung dieser Bereiche führt, zeigt sich nicht nur in Ländern der Dritten Welt, wie z. B. in Südamerika, sondern auch in Großbritannien: Dort kam es zu Versorgungsengpässen, Vernachlässigung der Investitionen in die nötige Infrastruktur für Leitungen etc. und zu Kündigungen finanziell schwacher Kunden/-innen. Wie man gesehen hat, sitzen in der ÖIAG die Millionen locker, wenn es um unvorteilhafte Privatisierungen, um Bonizahlungen oder Freunderlwirtschaft geht. »Wenn die ÖIAG in einer Stellungnahme von notwendigen Umstrukturierungen und Kapazitätsanpassungen im Zuge der Verkleinerungen des Beteiligungsportfolios spricht, dann soll sie am besten an der obersten Spitze damit beginnen«, so der stv. Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, Karl Proyer.11
Tatsächlich will die ÖIAG-Spitze unter dem Motto: auch im eigenen Haus muss »gespart« werden, den Beschäftigtenabbau und die Kündigung von BetriebsrätInnen durchziehen. Doch nicht aus echter Notwendigkeit, sondern als Probegalopp: »Michaelis wird dies konsequent durchziehen, heißt es aus der Staatsholding, schon um ein Zeichen für andere Staatsbeteiligungen mit Konsolidierungsbedarf zu setzen«, berichtet das »Wirtschaftsblatt« im Juli und zitiert einen ÖIAG-Insider.

Eine Infrastrukturholding?

Mit der ÖIAG hat sich die Politik auch ein Instrument geschaffen, unangenehme Dinge umzusetzen. Insgeheim wird in der ÖIAG unterstützt von Industriellenvereinigung und ÖVP an einer Neuausrichtung der ÖIAG gebastelt. Stichwort »Infrastrukturholding«: Sie soll die Bundes­immobiliengesellschaft, den Verbund, die Asfinag und Teile der ÖBB, insbesondere die profitable Rail Cargo, umfassen.12 In diesem Zusammenhang bekommt die oben zitierte WIFO-Studie über den Millardenregen möglicher Privatisierungen - vor allem der E-Wirtschaft und profitabler ÖBB-Teile (Rail Cargo) - und die Nicht-Vertragsauflösung von ÖIAG-Chef Michaelis eine ziemliche Brisanz. Daher das Kesseltreiben gegen BetriebsrätInnen in der ÖIAG oder das Schlechtmachen der ÖBB wie seinerzeit der Verstaatlichten. Um ÖBB-Teile leichter und billiger (an die deutsche Konkurrenz?) verscherbeln zu können? Da wird wohl auch nicht vor weiteren Privatisierungen bei OMV, Post oder Telekom haltgemacht werden. An der Spitze der Post etwa sitzt mit Hilfe von Michaelis schon seit Oktober 2009 Georg Pölzl. Der kommt von der deutschen T-Mobile, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, die wiederum an der Deutschen Post beteiligt ist.
Die Privatisierungsherren wollen sich - mit Rückendeckung der Politik nichts dreinreden lassen. Besonders Gewerkschaften und BelegschaftsvertreterInnen sind ihnen da ein lästiger Dorn im Auge.

1 Die Presse, 11.9.2010
2 ÖIAG Geschäftsbericht 2009, S. 3
3 GPA-djp, 2.7.10
4 Presse, 14.9.2010
5 ÖIAG-Geschäftsbericht 2009, Seite 3
6 siehe: A&W 11/2003: Voestalpine: Verkauft ist verkauft
7 APA, 15.9.10; Wirtschaftsblatt
8 siehe: www.oeiag.at - Geschichte
9 siehe: www.oegb.at; www.arbeiterkammer.at 
10 ORF, 6.10.2010; www.wifo.ac.at
11 30.6.10, ÖGB/GPA-djp
12 Wirtschaftsblatt, 22.7.10

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at
www.gpf.at
www.oiag.at

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