topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Und was arbeiten Sie? Als etabliert gilt, wer »von einer relativ großen Öffentlichkeit kritisch wahrgenommen wird«. Doch selbst Etablierung ist noch kein Garant für die Möglichkeit, kontinuierlich künstlerisch tätig zu sein.

Und was arbeiten Sie?

Schwerpunkt

Ein Kunstwerk, dem vorrangig die Mühe seiner Entstehung anzusehen wäre, hätte es schwer am Markt. Viele Kunstschaffende auch.

Es wäre keine Kunst, sagte Henry Moore auf die Frage, wie es ihm gelungen war, aus einem klobigen Stein eine derart eindrucksvolle Skulptur zu hauen. Er habe, so der Bildhauer, einfach alles weggenommen, was nicht dazu gehörte. So leicht kann Kunst also sein. Über die Frage, was Kunst, wer ein Künstler/eine Künstlerin ist, scheiden sich allerdings die Geister.
Laut dem österreichischen Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz ist »Künstler/Künstlerin, wer in den Bereichen der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst, der Musik, der Literatur, der Filmkunst oder in einer der zeitgenössischen Ausformungen der Bereiche der Kunst aufgrund ihrer/seiner künstlerischen Befähigung im Rahmen einer künstlerischen Tätigkeit Werke der Kunst schafft«.
Nach steuerlicher Rechtssprechung liegt eine künstlerische Tätigkeit dann vor, wenn »eine persönlich eigenschöpferische Tätigkeit in einem umfassenden Kunstfach aufgrund künstlerischer Begabung entfaltet wird«.

Diffuse Definition

»Wer als KünstlerIn gelten soll, ist in mehrfacher Hinsicht schwierig und uneindeutig«, heißt es in dem Bericht zur »Lage der Lebens- und Arbeitssituation von Kunstschaffenden in Österreich«, der im Oktober 2008 vom Institut L&R Sozialforschung publiziert wurde. Die Berufsgruppe der Kunstschaffenden zeichne sich stark durch Kriterien wie Freiheit, Selbstständigkeit und Individualität aus, sodass sich die Erfassung als eine homogene Gruppe schwierig gestalte. Verlässliche Zahlen liegen aufgrund abweichender Berufsdefinition nicht vor. So erfasst etwa die Statistik Austria die JournalistInnen mit den AutorInnen. Laut Mikrozensus Jahresergebnis von 2006 werden in der »ISCO-Berufsgruppe 245 (die erwerbstätige SchriftstellerInnen, Bildende und Darstellende KünstlerInnen erfasst) 31.817 Personen ausgewiesen. Im Jahr zuvor waren es 33.386 gewesen. Als Kunstschaffende definieren die Studienverfasser »all jene, die mit professionellem Anspruch Kunst schaffen, sie also nicht als Hobby, sondern als berufliche Aufgabe sehen«.
Unter dem Schlagwort »Creative Industries« waren die Beschäftigungspotenziale von Kunstschaffenden und sogenannten Kreativen im Umfeld neuer Formen der Kunstproduktion bereits seit den 1990er-Jahren thematisiert worden.
Gemeinsam waren den Befunden die Feststellung von Prekarisierungstendenzen und vergleichsweise schlechter Einkommenssituation. »Wie unter einem Vergrößerungsglas«, so die Studie von L&R Sozialforschung, »zeigten die im Segment der Kunstschaffenden beobachteten Formen der Arbeitsorganisation und Beschäftigung die voranschreitende Deregulierung der Arbeitswelt.« Wie andere Werktätige auch, können Kunstschaffende immer weniger allein vom künstlerischen Schaffen leben. Mehrfachbeschäftigungen und fragmentierte, wenig planbare Erwerbsläufe werden für die Ausübung der Kunst in Kauf genommen. Als Gemeinsamkeit, so ging es aus zahlreichen Studien hervor, verfügen Kunstschaffende über ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau. Eine gute Ausbildung, die aber nicht automatisch eine finanziell gesicherte Berufslaufbahn garantiert.

Dichtes Angebot

»Der Zugang zu künstlerischer Arbeit über professionelle formale Ausbildungswege zeigt unterschiedliche Facetten«, folgert die genannte Studie. Zum einen bestünde der Wunsch vieler Kunstschaffender nach einer (Lehr-)Tätigkeit in einem kunstnahen Arbeitsfeld. Gleichzeitig stellen sie die Frage, in welche Richtung junge Menschen ausgebildet werden sollen. Als selbst Kunstschaffender kenne man die schlechten Rahmenbedingungen und müsse sich fragen, ob man guten Gewissens den Jungen einen solchen Berufsweg wünschen kann. »Als ließe man AbsolventInnen eines Skigymnasiums danach nicht Ski fahren«, kommentierte etwa ein Studienteilnehmer. Parallel zum Zuwachs der professionellen Ausbildung wird ein Rückgang der Integration von Kunst als Teil der täglichen Kultur beobachtet. In einem Kunstmarkt, in dem die Dichte an Anbietenden ungleich höher als die Nachfrage ist, tun sich Kunstschaffende schwer.
Von zunehmender Bedeutung ist die »Interdiziplinarität und Multifunktionalität in der Arbeit von Kunstschaffenden«, heißt es in der Studie. Viele Kunstschaffende lassen sich nicht mehr allein einer Sparte zuordnen, sondern sind in vielen künstlerischen Bereichen aktiv. Als etabliert gilt, wer »von einer relativ großen Öffentlichkeit kritisch wahrgenommen wird«.
Doch selbst Etablierung ist noch kein Garant für die Möglichkeit, kontinuierlich künstlerisch tätig zu sein. »Einen guten Film gemacht zu haben, heißt nicht automatisch weitermachen zu können«, berichtet ein Filmemacher. Es funktioniere eher umgekehrt: »Wer einen schlechten Film macht, ist auf lange Zeit abgemeldet.« Es mache in Österreich keinen Spaß, Erfolg zu haben, weil es in jeder Weise konsequenzlos bliebe.

Was arbeiten KünstlerInnen?

Unterschieden werden die drei Bereiche »künstlerische«, »kunstnahe« und »kunstferne« Tätigkeiten, in denen Österreichs Kunstschaffende ihr Einkommen erwerben. Die Ergebnisse zeigen, dass die relativ größte Gruppe, nämlich 34 Prozent, »künstlerische und kunstnahe« Tätigkeiten vereinbaren kann. Als kunstnahe Tätigkeiten werden in erster Linie Lehrtätigkeiten und organisatorische Arbeiten, etwa Ausstellungsorganisation, Konzeption und Durchführung von Veranstaltung oder Workshops angeführt. 58 Prozent der Befragten sind in allen drei Bereichen tätig. Die Kombination von künstlerischer und kunstferner Arbeit betrifft mit 18 Prozent die relativ kleinste Gruppe im Sample der Studie. Inhaltlich treten kunstferne Tätigkeiten »in großer Vielfalt« auf - von wissenschaftlichen Arbeiten über handwerkliche Berufe bis hin zu Tätigkeiten in der Gastronomie. Im Spartenvergleich trifft dies besonders bei Literaturschaffenden zu. Ausschließlich künstlerisch tätig ist knapp jede/r Vierte (24 Prozent). In den Sparten Film, Darstellende Kunst und Bildende Kunst am vergleichsweise häufigsten.
Im Durchschnitt, so ergab die Studie, arbeiten KünstlerInnen pro Woche 52,1 Stunden, deutlich intensiver als die gesamte Erwerbsbevölkerung. (Laut Arbeitskräfteerhebung 2006: 34,8 Stunden). Beim Einkommen bestehen große Unterschiede in den verschiedenen Kunstsparten: Mit einem Medianeinkommen von über 8.000 Euro ist es in den Bereichen Darstellende Kunst und Film vergleichsweise am höchsten.
Beides sind Bereiche, in denen sich auch die relativ größte Kerngruppe von Kunstschaffenden findet, also Personen, die auch ihren finanziellen Schwerpunkt in der künstlerischen Arbeit sehen, und bei denen auch Anstellungsverhältnisse »in nennenswertem Ausmaß« auftreten. Für Bildende KünstlerInnen und LiteratInnen ergeben sich die geringsten Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit - das mittlere Jahreseinkommen lag im Referenzjahr bei rund 3.000 Euro.

Brotlose Kunst

Über ein Drittel aller Kunstschaffenden verfügte im Referenzjahr über ein Äquivalenzeinkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze (Gesamtbevölkerung: 12,6 Prozent). Die Armutsgefährdung der Kunstschaffenden ist somit dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.
Nicht nur die Definition was Kunst, was ein Kunstschaffender ist, erweist sich als schwierig. Es geht auch, so die Befragten der Studie, um die Definitionsmacht der Rahmenbedingungen. Die Definition bzw. die Anerkennung des KünstlerInnen-Status etwa durch den Künstler-Sozialversicherungsfonds, die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, durch das AMS oder FördergeberInnen werden als problematisch und mitunter persönlich entwürdigend erlebt.
Die Kriterien hätten häufig wenig mit der Arbeitsrealität der KünstlerInnen zu tun. Immerhin, so eine Kunstschaffende, könne man als KünstlerIn höchstens einkommenslos, nie aber arbeitslos sein.

Info&News
Ab 1. Jänner 2011 treten wesentliche Neuerungen im KünstlerInnensozialversicherungsgesetz in Kraft:
Basisinformationen »Unselbstständige - Selbstständig - Erwerbslos«
kulturrat.at/agenda/ams/infoAMS
Maßnahmenkatalog Kulturrat Österreich zur Verbesserung der Arbeitslosenversicherung
tinyurl.com/2v88a5d
Überblick interministerieller Arbeitsprozess zur Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen in Österreich
kulturrat.at/agenda/imag

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
gabriele.mueller@utanet.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum