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Global arbeiten, global handeln Wirklichkeit werden kann menschenwürdige Arbeit für alle ArbeitnehmerInnen weltweit aber nur, wenn Gewerkschaften sich auf internationaler Ebene gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten.

Global arbeiten, global handeln

Schwerpunkt

Eine Studie im Rahmen des Projekts »Menschenwürdige Arbeit für menschenwürdiges Leben« geht der Frage nach dem Wert von Arbeit nach.

Arbeit ist für die meisten Menschen ein zentraler Bestandteil ihres Lebens - weltweit. Was Arbeit allerdings wert ist - subjektiv, gesellschaftlich und nicht zuletzt finanziell - ist allerdings von Land zu Land sehr unterschiedlich. Eine Studie im Rahmen des Projekts »Menschenwürdige Arbeit für menschenwürdiges Leben« geht der Frage nach dem Wert von Arbeit nach: ArbeitnehmerInnen aus 16 Ländern erzählen über ihre Lebensbedingungen und die Rolle, die Arbeit für sie spielt.

Nicht vom Brot allein

Arbeit ist weit mehr als nur Broterwerb - sie dient der Identifikation, bietet Möglichkeiten zu Selbstverwirklichung, bringt soziale Anerkennung und eröffnet Raum für soziale Kontakte und Kooperation. Wie befriedigend Arbeit erlebt wird und welcher Wert ihr auch durch eine Gesellschaft beigemessen wird, drückt sich nicht zuletzt durch das Ausmaß aus, in dem sie die Erfüllung dieser Funktionen ermöglicht. Und das ist im internationalen Vergleich durchaus unterschiedlich.
Die wichtigste Funktion, die Arbeit unbedingt erfüllen muss, ist die Sicherung der eigenen Existenz. Arbeit dient (so sie nicht unbezahlt, beispielsweise von Frauen im Rahmen des Haushalts, geleistet wird) dazu, Einkommen zu generieren und stellt damit die wichtigste Grundlage zur Existenzsicherung dar. In diesem Sinn ist Arbeit lebenswichtig - weshalb das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung auch bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist. Trotzdem nimmt die Zahl derer, die von ihrer Arbeit nicht oder nicht mehr leben können, weltweit stetig zu. Beinahe die Hälfte aller 2,8 Mrd. ArbeitnehmerInnen weltweit verdienen weniger als zwei US-Dollar täglich. Eine von ihnen ist die 24-jährige Juliana Martey aus Ghana.
In ihrem Job im Supermarkt einer Shell-Tankstelle in der Hauptstadt Accra verdient sie gerade einmal 37 Euro im Monat. Und das, obwohl die Arbeit auf der Tankstelle nicht ungefährlich ist und Juliana sich vor bewaffneten Überfällen und Gasexplosionen fürchtet. Im Vergleich dazu ist die Situation von Barbara Herczeg, die eine kleine Billa-Filiale in Wien leitet, geradezu rosig: »Ich bin im Prinzip mit der Lebens- und Arbeitssituation in meiner Filiale zufrieden, da das Verhältnis von Freizeit und Arbeit ausgewogen ist. Ich arbeite nur 30 Stunden, das ist aber nicht die Regel. Normalerweise verbringen Marktmanager sehr viel Zeit in der Filiale, sodass die Freizeit eher zu kurz kommt - typisch ist eher zwischen 50 und 60 Stunden. Unser Betriebsrat kämpft darum, dass diese Situation besser wird.« Vor Gewalt am Arbeitsplatz ist aber auch Frau Herczeg nicht gefeit: Neben verbalen Übergriffen durch Kunden/-innen wurde auch sie schon zweimal in ihrer Filiale überfallen.
Sicherheit und Schutz vor Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz ist ein Thema, das auf der ganzen Welt eine wichtige Rolle spielt. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass jährlich rund zwei Millionen Menschen an den Folgen von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten sterben. Die Umstände, denen Menschen an ihren Arbeitsplätzen ausgesetzt sind, unterscheiden sich je nach Land, Branche und sozialer Gruppe beträchtlich.

China: 20 bis 30 Meter unter Tag

Besonders schlimm sind die Zustände für Menschen, die in gefährlichen Branchen in Entwicklungsländern arbeiten - einer von ihnen ist Chen Wei Yang* (28), der in der chinesischen Stadt Dongguan lebt. Er ist Bauarbeiter bei Speedy Blasting Engineering*, einem Unternehmen, das unterirdisch Sprengarbeiten für Hochhausfundamente durchführt: »Meine Arbeit ist hart und gefährlich und der Lohn ist nicht hoch. Wir arbeiten 20 bis 30 Meter unter der Erde. Ich mache mir Sorgen, weil es bei den Sprengarbeiten keine Sicherheitsvorkehrungen gibt. Am schlimmsten ist der Staub - bei einigen Kollegen ist schon Silikose, also Staublunge, diagnostiziert worden. Sie haben aber keine Entschädigungen bekommen, weil keiner einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat. Ich habe Angst, dass ich diese Krankheit auch bekommen könnte.«
Arbeitsbedingungen wie jene, unter denen Chen zu leiden hat, sollten in unseren Breiten der Vergangenheit angehören. Dennoch sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich immer wieder schweren Belastungen ausgesetzt. Kurt Meyer* ist 62 und arbeitet in einem Call-Center in Linz: »Wir stehen ständig unter Leistungsdruck. Unsere Bedürfnisse werden überhaupt nicht berücksichtigt, es gibt keinen positiven Ansporn und kaum Pausen. Bei den Geschäften, die wir telefonisch abschließen, müssen wir die Leute richtiggehend über den Tisch ziehen. Das ist schwer zu verarbeiten, weil es schon an Betrug grenzt.«
In dieser Hinsicht geht es seiner brasilianischen Kollegin Carol Gomes da Silva (18), die als Telefonistin bei einer Firma arbeitet, die Kühlsysteme für Unternehmen - unter anderen Coca Cola, Unilever, Nestlé - herstellt, besser. Sie beschreibt ihre Arbeit als sehr ruhig und das Verhältnis mit ihren KollegInnen als freundschaftlich.

Burkina Faso: Gutes Betriebsklima

Ein kollegiales Betriebsklima stellt eine wichtige Voraussetzung für Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz dar. So betont Catherine Sawadogo (33), die als Volksschullehrerin in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso arbeitet: »Die Atmosphäre ist gut, wir plaudern und machen Witze unter den Kolleginnen und Kollegen.« Ähnliches berichtet auch Edi Pfisterer (36), Lehrer an der Handelsakademie in Neusiedl am See, über die Situation an seiner Schule: »Das Arbeitsklima bei uns ist wesentlich besser als in vielen anderen Schulen. Die Hälfte der KollegInnen übt einen Nebenberuf im Weinbau aus, viele haben Kinder. Dadurch ist das Arbeitsumfeld Schule für die wenigsten der Lebensmittelpunkt, wodurch alles sehr entspannt ist. Zwischen den LehrerInnen herrscht große Kollegialität und Loyalität, der Direktor lässt uns viele Freiheiten und setzt auf Eigenverantwortung, was ich sehr schätze!«

Rumänien: Solidarität hilft

Nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene stellt Arbeit einen wichtigen Faktor dar. Nur wer über ein ausreichendes Einkommen verfügt, kann auch konsumieren und so zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Die Strategie, Arbeitsplätze um jeden Preis zu schaffen und dafür auch Umweltstandards, soziale Rechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu opfern ist allerdings nicht zielführend: Nur, wenn alle Mitglieder einer Gesellschaft ein Leben in Würde und Sicherheit führen können, ist sozialer Friede dauerhaft gewährleistet.
Auf dieser Erkenntnis beruht auch das Konzept »Menschenwürdige Arbeit«, das die Internationale Arbeitsorganisation ILO 1999 entwickelt hat. Es sieht Arbeit dann als einen Schlüssel zu Armutsbekämpfung und sozialem Wohlstand, wenn sie nicht nur gerechtes Einkommen sichert, sondern darüber hinaus Sicherheit am Arbeitsplatz und soziale Absicherung sowie die Möglichkeit zu persönlicher Weiterentwicklung und Integration in die Gesellschaft bietet. Die Garantie von Chancengleichheit und Gleichberechtigung sowie das Recht auf gewerkschaftliche Partizipation sind weitere unabdingbare Grundpfeiler menschenwürdiger Arbeit.
Wirklichkeit werden kann menschenwürdige Arbeit für alle ArbeitnehmerInnen weltweit aber nur, wenn Gewerkschaften sich auf internationaler Ebene gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten. Eine Tatsache, die vielen Betroffenen durchaus bewusst ist - wie zum Beispiel der rumänischen Textilarbeiterin Adelina Ionescu (63): »Internationale Solidarität hat geholfen und hilft. Nur durch Solidarität auf nationaler und internationaler Ebene und gut gemachte Gesetze können wir menschenwürdige Arbeit für ein menschenwürdiges Leben erwarten.«

* Name und/oder Firmenname zum Schutz der InterviewpartnerInnen geändert.

Info&News
Die Wanderausstellung »Global arbeiten, global handeln« präsentiert die Ergebnisse der Studie und stellt Möglichkeiten zur internationalen gewerkschaftlichen Kooperation dar. Nähere Infos und Anforderung der Ausstellung unter pia.lichtblau@oegb.at und www.fairearbeit.at

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