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»Danke BetriebsrätInnen« »Für die Probleme der KollegInnen sind wir ja auch gerne da, aber eines können wir nicht ersetzen: Die wertvolle Tätigkeit der BetriebsrätInnen vor Ort und der Gewerkschaften, die die Kollektivverhandlungen führen und für Lohnerhöhungen sorgen.«

»Danke BetriebsrätInnen«

Interview

BAK-Präsident Tumpel im Gespräch mit zwei BetriebsrätInnen, die derzeit die Sozialakademie besuchen, über »die Krot«, Sozialpartnerschaft und die Themen 2011.

Arbeit&Wirtschaft: Herbert Tumpel, im Jahr 2010 hat die Arbeiterkammer mit der Kampagne »Schluck die Krot net« ein deutliches Zeichen gegen die Verteilungsungerechtigkeit gesetzt. Vor kurzem hat Finanzminister Josef Pröll seine Budgetrede gehalten - müssen wir jetzt doch die eine oder andere Krot schlucken?

Herbert Tumpel: Diese Kampagne, die wir gemeinsam mit der ÖGB-Kampagne »Fair Teilen« gestartet haben, war sehr erfolgreich. Erinnern wir uns: Noch im Sommer haben namhafte Vertreter der Regierung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gefordert. Das hätte sich auf alle Lebensbereiche durchgeschlagen. Dann hatten wir die Diskussion um den Landwirtschaftsminister mit dem großen Ökosteuer-Schmäh, die CO2-Abgabe, die alles verteuert hätte, nicht nur Autofahren, sondern auch Heizen oder Beleuchtung. Beide Vorschläge hätten dazu geführt, dass Massenkaufkraft abgezogen und eine der wichtigsten beschäftigungsstützenden Maßnahmen, der private Konsum, damit ernsthaft gefährdet worden wäre. Da hat unsere Kampagne sicher dazu beigetragen, dass es eben nicht so gekommen ist. Und es ist auch gut, dass sich diejenigen, die das Budget nur ausgabenseitig sanieren wollten, nicht durchgesetzt haben. Außerdem haben wir aus AK und ÖGB gemeinsam verlangt, dass Bereiche, die mit krisenauslösend waren endlich einen entsprechenden Beitrag leisten müssen; wie der Bankensektor, der durch Stützen und Hilfspakete am meisten profitiert hat, aber auch große Vermögen, die durch die Konjunkturpakete 2008 und 2009 massiv abgesichert worden sind.
Und dieser Beitrag ist gesichert. Wir konnten uns mit wesentlichen Forderungen durchsetzen: Angefangen damit, dass das Thema Steuerbetrug auf die Tagesordnung gesetzt worden ist bis hin zu Einschränkungen bei Stiftungen. Es wird die Bankenabgabe geben, die Vermögenszuwachssteuer und im Bereich der Unternehmensbesteuerung die Nicht-Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen für Beteiligungserwerb im Konzern. Da kommen namhafte Beträge zusammen, die natürlich 2011 nicht voll wirksam sind, aber im Ausbau immer wirksamer werden.
Insofern war die Kampagne richtig und hat Wirkung gezeigt.

Thomas Kinberger: Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen ist - ganz abgesehen vom wichtigen und richtigen Inhalt - die Außenwirkung der »Krot« herausragend gewesen. Endlich sind AK und ÖGB wieder an die Öffentlichkeit getreten, und das noch dazu auf eine Art und Weise, die im Gedächtnis bleibt. Das freut mich als Betriebsrat natürlich sehr, das unterstützt meine Arbeit.

So war das auch geplant. Die »Krot« war mutig und hat polarisiert. Es hat einige gegeben, die das grauslich gefunden haben, aber die Leute haben darüber gesprochen. Und darauf kommt es an, dass die Menschen zu diskutieren anfangen und dabei feststellen: Eigentlich haben die recht! Und das ist uns gelungen. Wie du richtig bemerkst, war das ein erster Versuch einer sehr mutigen und exponierten Kampagne.

Thom: Ich habe manchmal den Eindruck, dass bei den KollegInnen die Partnerschaft ÖGB und AK nicht immer klar durchdringt. Ich habe natürlich ganz konkret als Betriebsrat bei der Mitgliederwerbung damit zu kämpfen. Viele sagen, wenn ich ein Problem habe, gehe ich zur AK, da brauch ich nicht Gewerkschaftsmitglied werden.

Für die Probleme der KollegInnen sind wir ja auch gerne da, aber eines können wir nicht ersetzen: Die wertvolle Tätigkeit der BetriebsrätInnen vor Ort und der Gewerkschaften, die die Kollektivverhandlungen führen und für Lohnerhöhungen sorgen. Im Jahr der Krise war es nicht selbstverständlich, dass - obwohl die Industriellenvereinigung Nulllohnrunden gefordert hat - die Gewerkschaften positive Lohnrunden abschließen konnten - das kann nur die Gewerkschaft in Zusammenarbeit mit den BetriebsrätInnen. Wir können die Gewerkschaften unterstützen, die rechtlichen Belange vorbereiten, Hilfestellung leisten, aber wir von der AK können niemals eure Tätigkeit im Betrieb ersetzen.
Diese Aufgabenteilung gilt und ich sage überall, wo unsere Arbeit gelobt wird: Das freut mich, aber ohne Gewerkschaften könnten wir all das nicht erreichen; letztendlich zählt die Lohnpolitik. Wir können dann im KonsumentInnenschutz darauf achten, dass die Menschen Qualität für ihr Geld bekommen, wir können darauf achten, dass sie nicht zu viel Steuern bezahlen, wir können sie in bestimmten Sozialversicherungsbereichen beraten. Aber selbst im Arbeitsrecht ist die Zusammenarbeit mit den BetriebsrätInnen unentbehrlich - da müsst ihr ja sehr oft schon im Vorfeld, im Betrieb sehr viel auffangen. Die Gewerkschaften, die den KV und seine Interpretation kennen, beraten euch, und ein kleiner Teil kommt zu uns, und wir gehen vor Gericht. Die Hauptaufgabe zum Wohl der betroffenen KollegInnen macht ihr und die Gewerkschaften. Und das muss man klipp und klar aussprechen.
Dadurch dass wir BetriebsrätInnen haben, den ÖGB und die AK sind wir besser aufgestellt als andere Länder und konnten mehr erreichen. Bei uns ist der Mindestlohn in den Kollektivverträgen ohne große Diskussionen über die Bühne gegangen, in Deutschland gab es dazu aufgeregte Diskussionen. Oder die Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte: gemeinsam umgesetzt. Bei uns haben LeiharbeiterInnen einen sehr guten Kollektivvertrag und bekommen im Betrieb die gleiche Entlohnung wie die Stammbelegschaft. In Deutschland bekommen LeiharbeiterInnen oft nur 40 Prozent von dem, was ihre KollegInnen im jeweiligen Betrieb verdienen. Da liegen Welten dazwischen. Und es gibt viele solche Beispiele. Das ist das Zusammenwirken von Betriebsrat, Gewerkschaft und Arbeiterkammer.

Erika Machac: Es gibt ja verschiedene Fachgewerkschaften im ÖGB. Wäre es vielleicht besser, wenn es nur einen ÖGB gäbe?

Ich sehe einen Fortschritt in den Zusammenschlüssen und der Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Man darf aber nicht vergessen, dass das gewachsene Systeme sind, die sich mit den Menschen entwickelt haben. Man kann diesen Menschen nichts diktieren, sie entwickeln die Strukturen gemeinsam weiter - und in dieser Hinsicht sind der ÖGB und seine Gewerkschaften gut unterwegs. Auch dass fast alle im gemeinsamen Haus sind, ist ein Vorteil, das wurde immer wieder diskutiert, ist aber jetzt Realität.

Erika: Ich frage mich, warum immer noch diese Unterschiede zwischen Angestellten und ArbeiterInnen existieren, vor allem in der Entgeltfortzahlung. Denkt man hier genug ans Gemeinsame?
Auch hier ist in der Vergangenheit sehr viel geschehen, um die Ungleichgewichte abzubauen. So wurde die Dauer der Entgeltfortzahlung für ArbeiterInnen verlängert. Sicher, es gibt noch notwendige Angleichungen wie zum Beispiel bei den Dienstverhinderungsgründen.

Thom: Aber nicht nur das, es gibt auch das Problem mit den steigenden atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die KollegInnen gehen uns als unterstützender Machtfaktor verloren, weil sie in den KV nicht berücksichtigt werden.

Auch für die freien DienstnehmerInnen haben wir im Zuge von Sozialpartnerabkommen erreicht, dass sie sozialversicherungsrechtlichen Schutz haben. Das war früher nicht so, das ist ein großer Schritt. Beide Organisationen - ÖGB und AK - haben schon vor Jahren erklärt, dass wir diese KollegInnen auch vertreten. Vor allem die Gewerkschaften sind ein starker Ansprechpartner für diese Gruppe von Beschäftigten, die es zum Teil wirklich schwer haben. Aber auch da konnten wir gemeinsam Fortschritte erzielen.

A&W: Zurück zum Thema Budget - ist es so einfach, wie die Wirtschaft uns weismachen will: Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut?

Es geht der Wirtschaft dann gut, wenn es den ArbeitnehmerInnen gut geht, weil dann Kaufkraft vorhanden ist, dann werden Dienstleistungen und Güter nachgefragt, und dann machen auch die Unternehmen Umsatz. Wenn die Menschen kein Geld im Geldbörsel haben, sieht es für die Wirtschaft traurig aus.

A&W: Die Finanztransaktionssteuer ist ja ÖGB und AK ein großes Anliegen - muss man da auf eine europäische Lösung warten?

Im Gegenteil: Sowohl der ÖGB als auch wir haben immer wieder betont, dass eine Transaktionssteuer auch im nationalen Alleingang möglich wäre. Wir hatten ja bereits einmal so etwas in Österreich, das hat damals Börsenumsatzsteuer geheißen - und ist abgeschafft worden, als man begonnen hat, die Börse über alles zu stellen. Aber selbst wenn wir das im Alleingang machen würden - und so allein wären wir nicht, sechs andere EU-Staaten haben eine ähnliche Steuer -, hätten wir Mehreinnahmen von 150 Mio. Euro erreicht, und damit hätten wir uns eine Vielzahl von Druckpunkten, die wir jetzt versuchen abzuschwächen, ersparen können.
Auch dass die Managergehälter nach wie vor von der Steuerbemessungsgrundlage eines Unternehmens abgezogen werden können, obwohl sie sich in den vorigen Jahren stark nach oben entwickelt haben, gehört geändert. Wir sind der Ansicht, dass alles über 500.000 Euro steuerlich nicht abzugsfähig sein soll.
Und letztendlich sind wir nach wie vor für eine Vermögenssteuer, die auch einen namhaften Beitrag leisten müsste, damit wir ein besseres Gleichgewicht bei der Besteuerung von Arbeit und Kapital erreichen als das im vergangenen Jahrzehnt der Fall war.

Erika: Ich hätte eine Frage zum Themenbereich EU. 2011 läuft die Übergangsregelung zur ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit aus. Was ist deine Prognose, welche Auswirkungen wird das auf den heimischen Arbeitsmarkt haben?

Ich bin keiner von denen, die glauben, damit ändert sich nichts. Das wird sich sicher auf den Arbeitsmarkt auswirken. Was uns aber im Rahmen der Sozialpartnerschaft gelungen ist, ist das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping vorzubereiten. Dieses Gesetz sieht vor, dass ausländische KollegInnen nicht unter dem KV bezahlt werden dürfen. Da sind erstmals auch Strafbestimmungen enthalten. Momentan hat der KV zwar auch Rechtswirkung, allerdings mit dem Nachteil, dass die Betroffenen, die unter KV bezahlt werden, klagen müssten. Das macht kaum jemand.
In Zukunft könnten Krankenkassen oder Finanzkontrollore, die bemerken, da wird unter KV bezahlt, das zur Anzeige bringen. Die UnternehmerInnen bekommen dann eine Verwaltungsstrafe, die nicht einfach aus der Portokassa bezahlt werden kann. Ausländische KollegInnen würden so erstmalig auch zu ihrem gerechten Lohn kommen, Lohndumping hätte so weniger Chancen. Das wäre ein wichtiger Schritt, nachdem wir die Übergangsfristen ausgeschöpft haben.

A&W: Abgesehen von der Öffnung des Arbeitsmarkts - was sind denn die großen Themen 2011?

Natürlich die Konjunkturentwicklung: Momentan schaut es ja halbwegs freundlich aus, etwa die Entwicklung am Arbeitsmarkt - wir haben mehr Beschäftigte, die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Im Budget gibt es Offensivansätze, die thermische Sanierung ist vorgesehen. Es ist auch wichtig, dass beim Ausbau von Ganztagsschulen etwas passiert. Das sind gute Ansätze, trotzdem muss man schauen, ob wir nicht noch zusätzliche konjunkturstützende Maßnahmen brauchen - etwa einen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und Investitionen in den Gesundheitsbereich.

A&W: Was wünschst du dir und den österreichischen ArbeitnehmerInnen von Christkind oder Weihnachtsmann?

Wünschen kann man sich immer was, und ich wünsche mir, dass die Menschen in Österreich ihr Leben unter menschenwürdigen Bedingungen gestalten können; dass sie teilhaben an der Entwicklung gesellschaftlichen Reichtums und nicht nur ein paar wenige reicher und reicher werden und die Masse das trägt. Das gilt auch international. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich das gesellschaftliche Gleichgewicht stark verschoben hat. All das ist nicht nur eine Frage des Wünschens, es ist auch eine Frage des Bewusstseins, der Bereitschaft, in den Organisationen entsprechend mitzuhelfen. Und in diesem Sinn bedanke ich mich bei allen BetriebsrätInnen für diese unglaublich wichtige Funktion, die sie erfüllen.

Wir danken für das Gespräch und frohes Fest.

Zur Person
Herbert Tumpel
Geboren 9. März 1948 in Wien, verheiratet mit Gertrude Tumpel-Gugerell
Höhere Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie (1962-1967). Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien
1973-1983: Mitarbeiter im Volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB
1983-1987 Leiter des Volkswirtschaftlichen Referates
1987-1997 Leitender Sekretär des ÖGB. Seit 1997 ist er Präsident der AK Wien und der Bundesarbeitskammer
Thomas Kinberger, 37 Jahre, Betriebsratsvorsitzender der Stiegl Getränke und Service GmbH in Salzburg, PRO-GE-Mitglied
Jahrgangssprecher des 60. SOZAK-Lehrgangs
Erika Machac, 40 Jahre, Betriebsrätin der Firma Siemens AG Österreich in Wien, PRO-GE-Mitglied. Teilnehmerin des 60. SOZAK-Lehrgangs

Weblinks
Homepages der AK und des ÖGB:
www.arbeiterkammer.at
www.oegb.at

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