topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Das selbst entwertete Geld Natürlich werden mit dieser schlichten Auffassung Geschäfte gemacht. Nicht nur das Honorar für die Kartenleserin wird bezahlt, sondern auch Feng-Shui-Seminare, Geräte, die vor Erdstrahlen schützen oder das Wasser beleben sollen.
Literatur

Das selbst entwertete Geld

Schwerpunkt

Viele VerbraucherInnen verschleudern ihre knappen Mittel gedankenlos und investieren in Esoterik oder Glücksspiel.

Sieht man sich genauer an, wofür - neben dem Wohnen und dem Auto, das sind die teuersten monatlichen Ausgaben - die Menschen ihr Geld ausgeben, erfährt man wirklich blaue Wunder. Es hat den Anschein, wir leben tatsächlich in einer Wegwerfgesellschaft und einer Überflussökonomie. Das kann allerdings nicht mehr lange gut gehen …

Beispiel Glücksspiel

Etwas mehr als tausend Euro, genauer gesagt: 1.020 Euro gibt der durchschnittliche österreichische Haushalt jährlich für Glücksspiele aus. Im Jahr 2001 waren es nur 460 Euro, meldete erst kürzlich das Marktforschungsinstitut RegioPlan, diese Steigerung um mehr als 100 Prozent wurde von den Medien vergleichsweise gelassen berichtet.
Kein Wunder, wird doch mit einem ungeheuren Aufwand in den Medien für das Glücksspiel geworben, im österreichischen Fernsehen werden mit langen Sendungen die Ziehungen bzw. Ausspielungen übertragen, bevorzugt vor den Nachrichtensendungen natürlich.
Im deutschen Fernsehen wäre diese Dauerbewerbung des Glücksspiels unvorstellbar. Und man kann die Auswirkungen auch in Zahlen ablesen. Während die Deutschen jährlich »nur« rund 620 Euro per Haushalt und Jahr für Glücksspiele ausgeben, ist es hierzu-lande beinahe doppelt so viel. Werbung wirkt eben.
Rund 326 Euro gibt ein Haushalt im Durchschnitt monatlich für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus. Die Daten sind aus dem Jahr 2005, erhoben von Statistik Austria, dem österreichischen Statistik-Amt. Die Daten gehören zu den besten, die jemand in Österreich zu bieten hat, sie beziehen sich auf einen »Durchschnittswert«, wie viele Sozial-Statistiken.
Schaut man sich Haushaltsuntersuchungen aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Hinweise aus österreichischen Erhebungen an, wird es schon recht krass. Von allen eingekauften Lebensmitteln landet etwa ein Viertel im Müll. Es wurde zu viel zubereitet, oder zu viel eingekauft, Speisereste werden nicht aufgegessen, oder etwas schmeckt nicht wie erwartet. Einfach so wird damit ein Betrag von ungefähr 80 Euro im Monat von jedem Haushalt durchschnittlich weggeschmissen. Mit dabei sind Lebensmittel im Wert von mehr als 30 Euro im original verpackten Zustand.

Beispiel Esoterik

Der Aberglaube in unserem Land ist groß, unvorstellbar groß. 65 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind abergläubisch, halten also Dinge wie Wahrsagen, Sternzeichen, Menschen verhexende Kräfte, Gedankenlesen usw. für wahr. Von drei Leuten also zwei, die an Übernatürliches glauben. Bildung müsste hier entsprechende Spuren hinterlassen haben, denkt man. Also die UniversitätsabsolventInnen stehen über diesem Klimbim, und es sind vielleicht die sogenannten einfachen Leute vom Land, die an Hexen und Zauberei glauben. Ist aber nicht der Fall: Menschen die über einen Uni-Abschluss verfügen, sind genauso vom Aberglauben betroffen wie die, die nur einen Pflichtschulabschluss haben. Am meisten abergläubisch sind, auch das würde einem im ersten Augenblick nicht einfallen, die ja an sich besonders technikbegeisterten Jungen.
Natürlich werden mit dieser schlichten Auffassung, mit dieser Dummheit (nennen wir das einmal offen so) Geschäfte gemacht. Nicht nur das Hono-rar für die Kartenleserin oder den Wahrsager wird bezahlt, sondern auch Feng-Shui-Seminare, Geräte, die vor Erdstrahlen schützen oder das Wasser beleben sollen, verkaufen sich nicht schlecht.
In Deutschland wird der sogenannte Esoterik-Markt auf zehn bis 20 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Überträgt man die deutschen Relationen auf unser Land, wären das pro Haushalt 300 bis 600 Euro im Jahr. Eher mehr, denn die ÖsterreicherInnen sind offenbar - siehe Glücksspiel - ein ordentliches Stück leichtgläubiger und weniger rational als die deutschen NachbarInnen.

Kaufsucht

Das zeigt sich auch im Umgang mit dem Konsum. Kaufsuchtverhalten ist in Österreich beinahe doppelt so hoch, wie in Deutschland, nämlich zehn Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten sind davon betroffen, in Deutschland sind es dagegen nur sechs Prozent.
Auch die Flucht in den Konsum als Entschädigung, als Ersatz für Unzufriedenheit (am Arbeitsplatz, im familiären Bereich, im sozialen Leben), der sogenannte »kompensatorische Konsum« ist hier doppelt so hoch als in Deutschland.
Ein Fünftel aller Erwachsenen, 20 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen holen sich regelmäßig Ersatzbefriedigung durch exzessives Kaufen, so die Ergebnisse der Kaufsuchtstudie 2009.
Nimmt man hier die Kaufsüchtigen (zehn Prozent der Bevölkerung) dazu, sind es 30 Prozent, fast ein Drittel der Bevölkerung, die konsumgeschädigt sind.

Wunsch nach kritischer Information

Es hat den Anschein, als wären die österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen mit ihrem Konsumverhalten ziemlich unzufrieden. Das verwundert auch nicht, wenn man sich das eingangs erwähnte exzessive Wegschmeißen von eingekauften Lebensmitteln, die hohen Ausgaben für Glücksspiele und den Esoterik-Konsum ins Gedächtnis zurückruft.
Auf die Frage: »Wie beurteilen Sie folgende Meinung? Ich persönlich finde, es sollte in der Öffentlichkeit weitaus kritischer zu Konsumfragen Stellung genommen werden.« antworten 77 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen, Ja - das stimmt (bzw. stimmt sehr), in Deutschland sind es dagegen nur 42 Prozent, also fast die Hälfte weniger.
Was heißt das nun? Nicht alle, aber offenbar genügend Verbraucher und Verbraucherinnen sind in mancherlei Hinsicht wohl ausgiebige VerschwenderInnen.
Wenn man zusammenrechnet, was das Wegwerfen der Lebensmittel, das überzogene Glücksspielen und die Esoterik, also der Aberglaube, so zusammen kosten, dann kommt man schnell auf 2.500 Euro und mehr im Jahr.
Ein/e ArbeitnehmerIn arbeitet dafür, nimmt man das durchschnittliche Nettoeinkommen her, rund eineinhalb Monate lang. Eineinhalb Monate lang sozusagen für »Weggeschmissenes«.

Unsinn aufs Korn nehmen

Kritisch zu Konsumfragen Stellung nehmen heißt auch, den Unsinn beim Konsum aufs Korn zu nehmen, für den oftmals viel zu viel Geld hinausgeschmissen wird. Wenn man so will, eine Rückbesinnung auf frühere Gewerkschafts- und Sozialdemokratiepositionen schadet da überhaupt nicht. Wer damals, in der Zwischenkriegszeit, Geld für Glücksspiel und Aberglauben ausgegeben hat, der konnte sich des Hohns und bissiger Bemerkungen von Kollegen und Freunden ziemlich sicher sein.

Weblink
Ein Blick in die Statistik der Konsumausgaben der österreichischen Haushalte schadet zur eigenen Information nie (die Homepage der Statistik Austria bietet darüber hinaus viele interessante Informationen):
tinyurl.com/358ott9

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
karl.kollmann@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum