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Wert gesellschaftlicher Verantwortung Österreichische Unternehmen sind heutzutage auch weltweit tätig. Man lässt in Entwicklungsländern produzieren, wo Hungerlöhne gezahlt werden und Umweltstandards geringer sind.

Wert gesellschaftlicher Verantwortung

Schwerpunkt

Leider gibt es in Österreich nach wie vor keine Legal-Definition für Corporate Social Responsibility (CSR), also die soziale Verantwortung von Unternehmen.

Das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) steht für eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige, transparente, menschenrechtskonforme und diskriminierungsfreie Unternehmensführung. CSR-Prinzipien sollen im gesamten unternehmerischen Handeln verankert und für die komplette Wertschöpfungskette verbindlich sein. Diese Mindeststandards sollen auch in den Ländern des Südens und des Ostens eingehalten werden.
Die Realität sieht freilich anders aus. Während adäquate Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Menschenrechte in Österreich kaum noch in Frage gestellt werden, werden für Zulieferunternehmen völlig andere Maßstäbe angelegt.

Klare Regelungen gewünscht

Die von NeSoVe in Auftrag gegebene Publikation »CSR in Österreich«* weist durch die repräsentative Untersuchung von 600 Unternehmen auf Rückenwind aus unerwarteter Richtung hin: Die große Mehrheit der CSR-Leader, also die Firmen, die ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden, wünscht sich klare Regelungen.
Im Regierungsprogramm steht lediglich ein Satz zu CSR, mindestens fünf österreichische Ministerien haben CSR auf ihrer Agenda - aber eine politische Kohärenz ist schwer erkennbar. Der »OECD-Kontaktpunkt«, eingerichtet im Wirtschaftsministerium als Beschwerdemechanismus bei Verstößen gegen die »Guidelines für multinationale Konzerne«, kam bisher in genau nur einem Fall zu einem Urteil. Und die Diskussionen rund um die österreichische ISO-Norm 26000 zur sozialen Verantwortung sind seit geraumer Zeit ins Stocken geraten.

»Guidance on Social Responsibility«

Anfang November wurde das von der International Standards Organization (ISO) verfasste Dokument ISO 26000 »Guidance on Social Responsibility« veröffentlicht. Damit sollte zum ersten Mal ein Dokument für die Definition gesellschaftlicher Verantwortung weltweite Gültigkeit erlangen. Das ambitionierte Ziel wird allerdings verfehlt, denn das Dokument ist keine Norm, sondern lediglich ein Leitfaden, der Organisationen und Unternehmen Tipps und Empfehlungen gibt.
Die ISO hat weitgehend die Möglichkeit verpasst, Mindeststandards in Form klarer Empfehlungen festzulegen. Leider sind die Empfehlungen der ISO 26000 nicht ausreichend präzise formuliert und daher vielfältig interpretierbar. So ist der Anspruch aus der Perspektive eines reichen Industrielandes wie Österreich absolut unzureichend und stellt einen Rückschritt gegenüber bestehenden gesetzlichen Regeln dar. In vielen Fällen liegt das Niveau der ISO 26000 jedenfalls unterhalb der in Europa bzw. Österreich geltenden Gesetze.
Einige Grundprinzipien wie etwa die Einhaltung von internationalen Verhaltensstandards und nationalen Gesetzen wurden festgehalten. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und internationaler ILO-Standards sind allerdings zentrale Prinzipien von sozialer Unternehmensverantwortung und somit vorauszusetzen. Von einem Unternehmen, das sich zu umfassender gesellschaftlicher Verantwortung bekennt, erwartet man aber deutlich mehr. Bezüglich der Kernthemen Menschenrechte, Umwelt und faire Arbeitsbedingungen werden Hinweise gegeben, welche Themen laut ISO 26000 zu behandeln sind.
Bei der Auswahl der verschiedenen Handlungsfelder haben die Unternehmen jedoch freie Hand. So können Unternehmen weiterhin den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung nach dem Motto »pick and choose« selbst definieren. Auch wird die Erstellung eines Berichtes zwar empfohlen, dessen Gestaltung bleibt aber weitgehend den Firmen überlassen.

ISO 26000: Missbrauch möglich

Es ist zu befürchten, dass die ISO 26000 missbräuchlich verwendet wird, indem Unternehmen fragwürdige Konzepte als CSR verkaufen. Bloße Marketing-Aktivitäten könnten durch die Bezugnahme auf ISO 26000 legitimiert werden. So läuft der Leitfaden Gefahr, sein ausdrückliches Ziel - einen weitreichenden Beitrag zur zukunftsfähigen Entwicklung zu leisten - weit zu verfehlen. Der Gesetzgeber sollte die notwendigen Rahmenbedingungen für sozial verantwortliches Handeln herstellen: Freiwillige Ansätze könnten gesetzliche Lösungen dann ergänzen.

CSR in Zeiten der Krise

Durch die Finanzkrise sind CSR-relevante Errungenschaften, die in den vergangenen Jahren in Österreich und weltweit erreicht wurden, massiv gefährdet.
Obwohl die Finanzkrise Österreich nur gestreift hat, sind die Folgen bereits deutlich sichtbar. Nun erscheint soziale Verantwortung als Luxus. Firmen profitieren von gekürzten Löhnen sowie vom Wettbewerb der Regierungen, Umwelt- und Sozialstandards im Wettlauf um Investitionen weiter zu untergraben.
Während hierzulande selbst ein Betriebsrat für die vergangenen Jahre ein »Jammern auf hohem Niveau« konstatierte - galt Österreich doch in der Vergangenheit im europäischen Vergleich wirklich als Sozialstaat -, so wird mittlerweile von österreichischen Unternehmen die Krise oftmals benutzt, um Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Schaut man über die Grenzen oder gar über die Ozeane hinweg, sieht die Lebens- und Arbeitssituation der betroffenen Bevölkerung noch dramatischer aus.
CSR soll zu einem unabdingbaren Standard werden, der eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige, menschenrechtskonforme und diskriminierungsfreie Unternehmungsführung garantiert. Solche Standards machen langfristig nur dann Sinn, wenn sie weltweite Gültigkeit erlangen, unabhängig vom Produktionsstandort und bezogen auf die globale Zulieferindustrie.
Österreichische Unternehmen sind heutzutage auch weltweit tätig. Man lässt in Entwicklungsländern produzieren, wo Hungerlöhne gezahlt werden und Umweltstandards geringer sind. Die lokalen Regierungen bieten europäischen Firmen Sonderkonditionen. Dort wo Gesetze im Umwelt- oder Sozialbereich existieren, werden sie kaum konsequent angewendet. Die Regierungen armer Länder werden nicht selten zu Komplizen, wenn es um die Ausbeutung der heimischen Bevölkerung geht.
Die Mutterunternehmen in Österreich und anderen europäischen Ländern können mittels dieser Geschäftspraktiken Gewinne verbuchen, im Falle von Menschenrechtsverletzungen können sie in Europa jedoch nicht belangt werden.

Europaweite CSR-Initiative

Europaweit ist in den vergangenen Jahren eine Diskussion darüber entbrannt, inwieweit man Gesetze erlassen muss, die die extraterritoriale unternehmerische Tätigkeit regeln.
Die Plattform European Coalition on Corporate Justice, bei der NeSoVe die österreichische Zivilgesellschaft vertritt, hat zentrale Forderungen für eine weltweite Unternehmensverantwortung entwickelt. Eine zentrale Forderung ist die Haftungspflicht von europäischen Mutterunternehmen für Umweltzerstörung und bei Menschenrechtsverletzungen, auch wenn sie von Tochter- und Zulieferunternehmen verursacht werden.

Regeln für Unternehmen

Im Mai startete im Rahmen des EU-finanzierten Projektes »Enhancing EU-business contribution« die europaweite Kampagne »Rechte für Menschen - Regeln für Unternehmen« zur Unterstützung der oben genannten Forderungen. Seit September wird die Unterschriftenaktion in Österreich durchgeführt. Bis Frühling 2011 sollen insgesamt 100.000 Unterschriften gesammelt und dann EU-Präsident José Manuel Barroso übergeben werden.
Unterschreiben auch Sie auf
www.rechtefuermenschen.de

* Über NeSoVeDas Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) ist eine CSR-Plattform und arbeitet seit vier Jahren im großen Themenbereich von CSR. Unter den 30 Mitgliedsorganisationen sind NGOs, die zu Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechten arbeiten, Forschungseinrichtungen, BetriebsrätInnen und Gewerkschaften.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.sozialeverantwortung.at
nesove.blogspot.com

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
petra.kreinecker@sozialeverantwortung.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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