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Reale Entwicklung von BIP, privatem Konsum, Exporten, Investitionen

Geht’s den Menschen gut ...

Schwerpunkt

... geht’s der Wirtschaft gut - so müsste der aktuelle Slogan der Wirtschaftskammer eigentlich lauten. Die Fakten sind eindeutig …

Der »aktuelle« TV-Spot der Wirtschaftskammer lädt geradezu provokant zu einem kritischen Nachdenken über die interessenpolitischen Sichtweisen der Wirtschaftskammer und auch der Industriellenvereinigung ein.

Bekannte WKÖ-Linie

Vertraute Stimmen einer ORF-Legende und eines Ex-Formel-1-Weltmeisters laden das Fernsehpublikum charmant ein, der im Spot transportierten, einseitigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung der WKÖ zu erliegen: [ … ] Niki Lauda: »Ja Heinz, jetzt auf die Wachstumsbremse zu steigen, ist natürlich völliger Schwachsinn …«, Heinz Prüller: »Denn gerade jetzt gilt: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!«
Das kritische Publikum wird sich wohl sehr schnell fragen: Sind es nicht andere und v. a. komplexere Faktoren und Zusammenhänge, die für das Wohl von »uns allen« verantwortlich sind, als eine primäre Fokussierung auf das Wohl der »Wirtschaft« vulgo der Unternehmen?
Vermeintlich »einfache« Botschaften und Slogans wie jener der WKÖ haben oft eine fatale Kehrseite: Entweder sind sie »falsch« oder sie reduzieren Inhalte zu stark und negieren damit die Komplexität der Realität. Denkt man z. B. die - für manche vielleicht sogar auf den ersten Eindruck harmlos anmutenden - Thesen der WKÖ konsequent logisch weiter, so kann dies schnell zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Verwerfungen führen: Man denke nur an massive Lohnkürzungen, zusätzliche Ausfälle von Steuern und Abgaben der Unternehmen für die öffentliche Hand, das systematische Aushöhlen bestehender arbeits- oder sozialrechtlicher Normen, aber auch die weitere Zunahme der internationalen ökonomischen Ungleichgewichte (v. a. in den Leistungsbilanzen der Länder) - alles zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit?
Das ist keine fortschrittliche Perspektive, die mit emanzipatorischen Politikansätzen und damit gleicheren und gerechteren Teilhabemöglichkeiten am Wirtschafts- und Gesellschaftsleben vereinbar ist. Aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht ist evident, dass ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum durch mehr Faktoren getrieben wird als vermeintlich nur jenen z. B. der (internationalen) Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die sich auch in den Exporten einer Volkswirtschaft niederschlägt. In vielen wirtschafts- und steuerpolitischen Diskussionen wird aber gerade der Wettbewerbsfähigkeit zu viel Bedeutung beigemessen.

Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg

Vielmehr sind andere Faktoren wie u. a. die Dynamik der Binnennachfrage, das Potenzial für innovations- und technologieinduzierten Fortschritt, die Ressourcenausstattung mit (Human-)Kapital, aber auch psychologische Einflussfaktoren (z. B. Optimismus, Zukunfts- oder soziale Abstiegsängste) für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg eines Staates mindestens gleichrangig.
Gerade angesichts der Vielzahl von möglichen Erfolgsstrategien und Interventionsmöglichkeiten zur Hebung des »Gemeinwohls«, erscheint es doch sehr kurzsichtig und fragwürdig, zuerst (!) den Unternehmen möglichst »angenehme« und auch »steuerschonende« Rahmenbedingungen bieten zu müssen, ehe Zug um Zug eine Verbesserung der Situation für alle anderen (Nicht-Unternehmen) eintreten sollte. Handelt es sich dabei nicht erfahrungsgemäß um nicht haltbare und damit für den Großteil der Bevölkerung leere Versprechungen?

»Krisen-Erfahrungen«

Die Erfahrungen seit dem Ausbruch der größten Wirtschaftskrise seit rund 80 Jahren könnten bei einer möglichen »Renaissance des makroökonomischen Denkens«1 hilfreich sein. Wäre beispielsweise die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft bzw. des heimischen Arbeitsmarkts ausschließlich von der Entwicklung der Exporte abhängig gewesen, so wären sowohl der Konjunkturabschwung als auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit noch dramatischer ausgefallen. Siehe Grafik.
Glücklicherweise konnten die Konsumausgaben der privaten Haushalte - als wichtigster Faktor der Binnennachfrage - die Einbrüche bei den Exporten und Investitionen zum Teil kompensieren. Die privaten Konsumausgaben konnten 2009 u. a. durch die Verlässlichkeit und Wirkung insbesondere der Sozialbudgets und Transferleistungen, der Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete stabil gehalten und sogar gegenüber dem Jahr 2008 mit real +1,3 Prozent ausgeweitet werden. Auch im Jahr 2010 wird mit einem weiteren Anstieg dieser Ausgaben gerechnet (vgl. WIFO-Septemberprognose 2010).
Dass eine Förderung der Exporte nicht unbedingt mit einer höheren Wertschöpfung im Inland gleichzusetzen ist, erklärt sich dadurch, dass Exporte bereits in einem hohen Maß importierte Vorleistungen (vgl. Rohstoffabhängigkeit, Zulieferverflechtungen etc.) beinhalten. Demnach wird nicht einmal jeder 3. Euro in Österreich durch Exporte von Waren und Dienstleistungen »verdient« bzw. im Verkauf erzielt. Den stärksten Wachstumsbeitrag für Österreich leistet nach wie vor die Inlandsnachfrage, bestehend aus privatem und öffentlichem Konsum sowie den Investitionen der Unternehmen.
Im Übrigen sind die Exportquote (2009: 50,5 Prozent des BIP) und die Importquote (2009: 46,0 Prozent des BIP) keine geeigneten Indikatoren, die einen direkten Rückschluss auf die Wirtschaftsentwicklung bzw. die Wertschöpfung in Österreich ermöglichen - vielmehr sind beide Quoten nur ein Ausdruck der (zunehmenden) internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen und der internationalen Arbeitsteilung.
Dass eine positive Exportentwicklung unterstützend für das nominelle gesamtwirtschaftliche Wachstum sein kann, steht außer Streit. Es stellt sich aber die Frage nach den wirtschaftspolitischen Forderungen aus dieser simplen Erkenntnis: Wenn nicht einmal  der inländischen Wirtschaftsleistung auf die Exporte zurückzuführen ist, warum dann gerade diese eine Strategie prioritär verfolgen - noch dazu vor dem Hintergrund, dass durch die (über-)harten Konsolidierungs- bzw. Sparkurse in einigen EU-Ländern die Nachfrage nach heimischen Gütern und Dienstleistungen massiv gedämpft wird?

Im EU-Vergleich sehr attraktiv

Die heimische Wirtschaft ist bereits jetzt sehr wettbewerbsfähig! Die Preise und Qualität der österreichischen Produkte sind v. a. im europäischen Vergleich sehr attraktiv. Das zeigt sich auch darin, dass drei Viertel der Exporte im europäischen Binnenmarkt erfolgen. Dass die österreichischen Unternehmen noch konkurrenzfähiger werden, ist erstrebenswert - dies darf aber keinesfalls nur durch noch mehr Druck auf die Einkommen und Arbeitsbedingungen zustande kommen, zumal dies wesentliche negative Effekte auf die Inlandsnachfrage hätte. Moderate Lohnabschlüsse und eine steigende Produktivität der ArbeitnehmerInnen haben ohnedies zu sinkenden Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren geführt - ein noch größerer Beitrag ist für die ArbeitnehmerInnen unzumutbar!
Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise sind auch die Investitionen der Unternehmen bzw. des Staates stark rückläufig und werden nach den aktuellen Prognosen (WIFO 9/2010) auch noch 2011 unter dem Niveau vor 2008 liegen. Entsprechende Investitionen in den Unternehmen z. B. in den Bereichen Forschung, Innovation, Arbeitsbedingungen und Qualifizierung der ArbeitnehmerInnen würden direkt einen positiven Wachstumsbeitrag leisten und die internationale Konkurrenzfähigkeit nachhaltig stärken.

»GESAMT«-Nachfrage zählt

Eine Marktwirtschaft lebt vom Wachstum, das von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage - also von (privatem/öffentlichem) Konsum, Investitionen und Exporten - getrieben werden muss. Keiner dieser Faktoren darf vernachlässigt werden! Die stabilisierende Rolle des privaten Konsums auch während der Finanz- und Wirtschaftskrise hat somit eindrucksvoll die Antithese zum WKÖ-Spot bestätigt: Geht’s den Menschen gut, geht’s uns allen gut - somit auch der Wirtschaft!

Weblinks
September-Prognose des WIFO:
tinyurl.com/37l8oyb
Alternative Strategien der Budgetkonsolidierung in Österreich nach der Rezession (Truger et al)
tinyurl.com/2473xbg

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1 nach P. Bofinger, 2005: Wir sind besser, als wir glauben; Wohlstand für alle, München, S 225 ff

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