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Zerteilt Viele KellnerInnen mussten beweisen, dass sie über die "offizielle" Zeit hinaus gearbeitet haben. Auch wenn es empfindliche Strafen gibt, wenn ArbeitgeberInnen keine Arbeitszeitaufzeichnungen führen, ist es wichtig, selber darüber Buch zu führen.

Zerteilt

Schwerpunkt

Die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes 2008 hat die Position und das Einkommen der Teilzeitbeschäftigten verbessert. Trotzdem verdienen sie schlechter.

Es darf ein bissel mehr sein, wenn es um die Arbeitszeit geht, waren sich ArbeitgeberInnen viele Jahre sicher. Ein Teilzeit-Arbeitsvertrag für 20 Stunden bedeutete zumindest 25 Stunden Arbeit. Ein unerträglicher Missstand, der nach harten Verhandlungen vor drei Jahren durch das Arbeitszeitgesetz entscheidend gemildert wurde. Wird über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus gewerkt, erhalten seit 2008 auch Teilzeitbeschäftigte Zuschläge. Nur fair und gerecht. Teilzeitarbeit ist längst keine Randerscheinung mehr, denn jeder vierte berufstätige Mensch in Österreich arbeitet nicht Vollzeit. Tendenz steigend: Unter allen unselbstständigen Erwerbstätigen erreichte die Teilzeitquote im dritten Quartal 2010 gar einen Wert von 24,7 Prozent (2009 im dritten Quartal waren es noch 24,1 Prozent).

Vor allem Frauenarbeit

Teilzeit heißt vor allem Frauenarbeit: Von insgesamt 883.500 unselbstständigen Teilzeitbeschäftigten im dritten Quartal 2009 sind 748.800 Frauen. Ganze 84,5 Prozent! Zumeist zwingen Kinderbetreuung, die Pflege älterer und kranker Angehöriger und ihr Alter Frauen zu dieser Beschäftigungsform. Bei den 35- bis 39-jährigen Frauen beträgt die Teilzeitarbeitsquote bereits 54 Prozent. Überwiegend sind die Teilzeitarbeitnehmerinnen im Handel zu finden, gefolgt von persönlichen Dienstleis­tungen wie Gastgewerbe, Gesundheits- und Reinigungswesen. Immer häufiger haben Frauen auch zwei Teilzeitjobs. Regina R., 45, hat zwei Töchter, die noch im Haushalt leben, ist geschieden, arbeitet als Hausbesorgerin und Teilzeitkraft in einem Drogeriemarkt - trotzdem bleibt kaum Geld übrig.
Die Berechnungen der Statistik Austria sind eher abschreckend. Das unterste Viertel der Teilzeitbeschäftigten - also jene, die am wenigsten verdienen - durfte mit 5.956 Euro im Jahr und weniger (!) rechnen. Vergangenes Jahr stieg der Jahresverdienst dieses letzten Viertels auf 6.674,05 Euro. Dieser Einkommensanstieg ist auch auf das neue Arbeitszeitgesetz zurückzuführen.

Mehrarbeitszuschlag

Wird länger gearbeitet als vereinbart - ab 1,5 Stunden Mehrarbeit im Monat -, muss der Arbeitgeber einen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent zahlen. Es sei denn, die Mehrarbeit wird innerhalb von drei Monaten durch Zeitausgleich abgebaut, bei Gleitzeit wird die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten. Wie den meisten Teilzeitkräften, sind Regina R. die baren Zuschläge wesentlich lieber als Zeitausgleich. Zwar leidet sie an Osteoporose und daraus folgenden starken Rückenschmerzen, doch ein paar Euro mehr sind ihr wichtiger, als auf den Körper zu achten.
Johannes Gärtner ist in der Geschäftsleitung der Firma Ximes - das Unternehmen bietet Software und Beratungsleistungen rund um das Thema Arbeitszeit an. "Viele der Firmen, die wir beraten, haben die Arbeitszeit in den Teilzeitverträgen erhöht", berichtet Gärtner. Sind MitarbeiterInnen bei einem 20-Stunden-Vertrag regelmäßig 25 Stunden tätig, wird nun der Vertrag an die tatsächliche Arbeitsleistung angepasst. Denn damit ersparen sich die ArbeitgeberInnen Mehrstundenzuschläge. Die Vertragsanpassung kommt vor allem den unteren Einkommensschichten zugute. ArbeitnehmerInnen erhalten durch die Änderung ein höheres fixes Gehalt.

Führen Sie Buch

Johannes Gärtner: "In vielen Köpfen ist noch verhaftet, dass Teilzeitarbeit mit einer 50-Prozent-Verkürzung verbunden ist. Viele denken nicht an ein 30-Stunden-Modell, das ihnen immer noch ein gutes Einkommen, relativ viel Freizeit, Sicherheit und Stabilität ."
Günter Köstelbauer ist Arbeitsrechtsexperte in der Wiener Arbeiterkammer und Teamleiter in der Rechtsberatung: "Besonders im Gastgewerbe kommt es immer wieder vor, dass viele ArbeitnehmerInnen nur für einige Stunden angemeldet sind, aber in Wirklichkeit Vollzeit arbeiten." Viele KellnerInnen mussten im Rechtsstreit beweisen, dass sie wirklich über die "offizielle" Zeit hinaus gearbeitet haben. Auch wenn es jetzt empfindliche Strafen gibt, wenn ArbeitgeberInnen keine Arbeitszeitaufzeichnungen führen, ist es wichtig, selber darüber Buch zu führen. Gut wäre es auch, Zeugen für die tatsächliche Arbeitszeit zu haben. "KellnerInnen, die zu uns in die Beratung kommen und von uns vertreten werden wollen, müssen auch bei der Krankenkasse eine Niederschrift machen. Denn die vom Arbeitgeber vorbeigeschwindelten Abgaben, haben ja auch Auswirkungen auf Sozialleistungen wie etwa das Arbeitslosengeld oder die Pensionsbemessungsgrundlage", erklärt AK-Arbeitsrechtsexperte Köstelbauer. Wer das verweigert, kann nicht von der AK vertreten werden.

All-in-Verträge für Teilzeitkräfte

Außerdem müssen sich die AK-RechtsberaterInnen mit allerlei Tricks der ArbeitgeberInnen herumärgern, die Zuschläge für Mehrarbeit umgehen wollen. Köstelbauer: "Es gibt Firmen, die "All in"-Verträge für Teilzeitarbeitskräfte anbieten." Heißt: Wenn länger gearbeitet wird, wird das nicht bezahlt. Der Experte warnt auch vor Betrieben, die ständig die Arbeitszeit in den Verträgen ändern. Aus 20 werden 21 Stunden und kurze Zeit später sind es dann 15 Stunden und so fort. Zu viele Beschäftigte lassen sich das gefallen.
Trotz Wirtschaftskrise gilt: Mit durchschnittlich 42,4 Arbeitsstunden in der Woche (zweites Quartal 2010) gehören die ÖsterreicherInnen zu den fleißigsten ArbeitnehmerInnen Europas. Während die einen - wie Regina R. und ihre KollegInnen - mit ein oder zwei Teilzeitjobs finanziell kaum über die Runden kommen, arbeiten auch Vollzeitbeschäftigte so viel, dass sie dabei ihre physische und psychische Gesundheit aufs Spiel setzen. Auf den Zeitkonten sammeln sich die nicht abgegoltenen Über- und Mehrstunden, obwohl die Arbeitslosigkeit weiterhin viel zu hoch ist. Wiederum sind Frauen vom Problem nicht abgegoltener Überstunden überdurchschnittlich betroffen: Jede dritte geleistete Mehr- bzw. Überstunde wird nicht bezahlt.
Bei gleicher Qualifikation verdienen TeilzeitarbeitnehmerInnen für gleiche Arbeit weniger als Vollzeitbeschäftigte. Der Stundenlohn Vollzeitbeschäftigter ist um mehr als 30 Prozent höher als jener von Teilzeitbeschäftigten. "Eine Aufschlüsselung nach Bruttostundenverdiensten von Beschäftigten unter bzw. über 20 Wochenstunden zeigt, je geringer die Gesamtarbeitszeit ist, desto mehr sinkt der Bruttostundenverdienst. Bei einer Beschäftigung, welche unter 50 Prozent des in der Branche üblichen Beschäftigungsausmaßes liegt, beträgt der Bruttostundenlohn für Frauen nur noch 8,28 Euro, für Männer 9,05 Euro."1

Dienstzeiten klaffen auseinander

Besonders im Handel müssen noch immer viele Frauen mit Dienstzeiten zurechtkommen, die besonders weit auseinanderklaffen - Regina R. arbeitet etwa Montag- und Donnerstagvormittag und Freitagnachmittag im Geschäft. Für andere Teilzeitkräfte ist es kaum möglich, die Kinderbetreuung oder den zweiten Teilzeitjob zu planen, weil die Dienstpläne so kurzfristig festgelegt werden. Familien haben es deshalb schwer, Zeit miteinander zu verbringen. Die Gewerkschaften, etwa die GPA-djp bemühen sich auch um die Arbeitsrechtsprobleme der MigrantInnen. Immerhin ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten im Wiener Handel hat eine migrantische Herkunft - die Zahlen steigen. Viele dieser Menschen sind mit den sozialen Regelungen in Österreich nicht vertraut, so ist den MigrantInnen oft nicht bewusst, dass ihnen ein 13. oder 14. Gehalt zusteht.

Vollzeitkräfte zufriedener

Teilzeitarbeit ist Normalität, doch sie macht kaum einen der Beschäftigten froh. Im Arbeitsklimaindex - Erhebungen über Zufriedenheit und Belas­tungen in der Arbeit - der AK Ober­österreich liegt der Wert der Zufriedenheit Vollzeitbeschäftigter Frauen zumindest um zwei Punkte höher als jener von Teilzeitarbeiterinnen. Auch dieser Wert wird wohl eher steigen als fallen.

Mehr Infos unter:
tinyurl.com/395adgq 
www.oegb.at/mehrarbeitsrechner
www.gpa-djp.at/mehrarbeitszuschlag
www.ximes.com
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1 Quelle: "QUALITÄT VON TEILZEITBESCHÄFTIGUNG UND DIE VERBESSERUNG DER POSITION VON FRAUEN AM ARBEITSMARKT" von L&R Sozialforschung und forba im Auftrag des Bundesministerium für Frauen und öffentlichen Dienst 2010.

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