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Schlafen kann ich, wenn ich tot bin Menschen in westlichen Ländern schlafen im Schnitt eine Stunde weniger als vor 20 Jahren. Unsere rastlose Gesellschaft, mehr Arbeit, Schichtarbeit, längere Öffnungszeiten und Medienkonsum haben Einfluss auf unsere Schlafgewohnheiten.

Schlafen kann ich, wenn ich tot bin

Schwerpunkt

Arbeit bestimmt unser Leben. Und je mehr wir arbeiten, desto weniger schlafen wir. Was schwere Folgen für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit mit sich bringt.

Durchschnittlich benötigt ein erwachsener Mensch 7,5 Stunden Schlaf. Manche Menschen brauchen nur fünf Stunden, andere hingegen sogar zehn Stunden. In dieser Zeit ist unser Körper aber nicht untätig. Er regeneriert sich, Eindrücke werden verarbeitet, das Gedächtnis wird trainiert und Stress bewältigt, damit wir wieder leistungsfähig sind. Doch die Menschen in den westlichen Ländern schlafen heutzutage durchschnittlich um eine Stunde weniger als noch vor 20 Jahren. Die Gründe dafür sind ebenso klar wie vielfältig. Unsere rastlose Gesellschaft, immer mehr Arbeit, Schichtarbeit, längere Öffnungszeiten und der Medienkonsum haben Einfluss auf unsere Schlafgewohnheiten. Wir wollen keine Zeit verschwenden und haben uns daran gewöhnt, mit wenig Schlaf auszukommen. Dass wir permanent unausgeschlafen sind, merken wir gar nicht.

Schlafmangel macht dumm

Wie wichtig Schlaf für unsere Leistungsfähigkeit ist, zeigt das Experiment des amerikanischen Psychiaters und Schlafforschers David Dinges. Seine Untersuchungen ergaben, je weniger Schlaf seine TestprobandInnen bekamen, desto schlechter schnitten diese bei Leistungstests ab. Obwohl die "Unausgeschlafenen" sich nach wenigen Tagen an den geringen Schlaf gewöhnten, und sich nach fünf Tagen jeweils zwei Nächte ausschlafen konnten, verbesserten die "WenigschläferInnen" ihre Leistung zwar, konnten jedoch nicht vollständig aufholen. Schlaf kann nicht nachgeholt werden, und durch das zusätzliche Dopamin, das der Körper bei Schlafmangel produziert, fühlen wir uns nicht einmal schläfrig.
Vor allem LeistungsträgerInnen und SchülerInnen, also diejenigen, die das Bedürfnis verspüren, sich am Wochenende richtig auszuschlafen, sind betroffen. Mit Schlafmangel zu kämpfen haben aber auch Menschen mit besonders hohem Schlafbedarf oder verzögertem innerem Rhythmus, sogenannte Lang- oder SpätschläferInnen. Mindestens vier Prozent der Bevölkerung haben eine Kombination beider Schlaftypen und quälen sich chronisch übermüdet durch den Arbeitsalltag.

Gegen die innere Uhr

SchichtarbeiterInnen, die durch die Arbeitszeiten gezwungen sind, den circadianen Rhythmus des Körpers zu ignorieren, haben besonders mit dem kürzeren und weniger erholsamen Tagschlaf zu kämpfen. Den Betroffenen wird daher geraten, im Schlafzimmer besonders auf äußere Störfaktoren (Lärm, Licht, Elektrosmog, …) zu achten und eventuell "auf Raten" zu schlafen, die erste Hälfte vor der Schicht, die zweite Hälfte nachher. Denn ob wir am Stück oder in mehreren Rationen schlafen macht keinen Unterschied. Bis ins 18. Jahrhundert war es sogar üblich in zwei Etappen zu schlafen. So ist auch der altbewährte Mittagsschlaf oder die "Siesta" eine gute Möglichkeit Schlafmangel auszugleichen. Jedoch sollte er nicht länger als 20 bis 30 Minuten dauern, sonst fühlt man sich wieder schläfrig.

Wer zu wenig schläft, wird krank

Schlafmangel beeinträchtigt aber nicht nur unsere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, er kann auch für Depressionen oder sogar das Burn-out-Syndrom verantwortlich sein. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Schlafmangel bzw. schlechtem Schlaf und erhöhtem Body Mass Index (BMI). Einerseits verbraucht der Körper bei Schlafmangel weniger Kalorien, andererseits nimmt er durch den gesteigerten Appetit und mehr Gelegenheit zu Essen mehr Kalorien zu sich. Das führt zu einem erhöhten Risiko für Übergewicht und sogar Diabetes. Es hat sich auch gezeigt, dass Kinder, die zu wenig Schlafen öfter an der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) erkranken, als NormalschläferInnen.
Dauerhafter Schlafmangel gilt auch als Risikofaktor für Insomnie (Schlaflosigkeit) und Schlafmangelsyndrom. Durch permanenten Schlafmangel erkranken die Personen an Schlafstörungen, die oft gar nicht wahrgenommen werden. Als dauerhafte Schlaflosigkeit werden Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, nicht erholsamer Schlaf und Tagesmüdigkeit über die Dauer von mindestens einem Monat bezeichnet. Richtiges Schlafen kann also verlernt werden. Deshalb ist die richtige Schlafhygiene besonders wichtig.
Das Ritual des Zubettgehens, die Schlafumgebung, die Aktivitäten und sogar die Beleuchtung können ausschlaggebend für einen gesunden Schlaf sein. So hemmt das bläuliche Licht des Fernsehers oder Computers das Müdigkeitshormon Melatonin und kann abends zu Schlaflosigkeit beitragen. Tagsüber wäre jedoch eine stärkere bläuliche statt gelber Glühbirnen-Beleuchtung zu bevorzugen. Denn die ExpertInnen der Chronobiologie (Lehre der inneren Uhr) kritisieren auch die zu geringe Beleuchtung der Arbeitsplätze, Wohnräume und Klassenzimmer. Tageslicht ist jedoch immer noch die beste Methode unsere innere Uhr zu stellen. SchichtarbeiterInnen wird deshalb auch empfohlen, nach der Nachtschicht, Sonnenbrillen zu tragen, um die innere Uhr auszutricksen.

Mehr Schlafkultur

Das wichtigste Thema ist jedoch der Kulturwandel. Verharmlosung von Schlafmangel und Vorurteile wie "Der Körper holt sich den Schlaf, den er braucht" müssen endlich aus dem Weg geräumt werden. Auch die Sommerzeit verschiebt unseren Rhythmus und trägt dazu bei, dass viele schlechter einschlafen. Individuelle Schlaftypen könnten mit flexiblen Arbeitszeiten berücksichtigt werden, auch ein Umdenken des Arbeits- und Schulbeginns, fordern die ChronobiologInnen.

Kostenfaktor Schlafmangel

Besonders bei SchichtarbeiterInnen wird Schlafmangel auch zu einem Kostenfaktor für Unternehmen. SchichtarbeiterInnen sind nicht nur häufiger anfällig für Magenbeschwerden oder Herz- und Kreislauferkrankungen, sie machen auch mehr Fehler. So soll ein Versuch unter der Leitung des Chronobiologen Till Roenneberg im Auftrag von Siemens zeigen, dass Schichtarbeit an die Schlaftypen der ArbeiterInnen angepasst werden könnte. Durch Fragebögen und psychologische Tests haben die Forscher Chronotypen bestimmen können und festgestellt, dass die Frühaufsteher-"Lerchen" abends weniger Konzentrationsfähigkeit besitzen als die Spätaufsteher-"Eulen". Im kommenden Pilotprojekt werden Freiwillige in Früh-, Spät- und Normaltypen eingeteilt und ihrer idealen Schicht zugeteilt. Dann wird sich zeigen, ob die Fehlerquote sinkt und die Produktqualität steigt. Jedoch ist die Einteilung nur freiwillig und individuell durchführbar, und auch eine komplette Umstellung auf ausschließlich Nachtschichten kaum möglich.
Sowohl bei Schichtarbeit als auch bei einem normalen Arbeitsalltag spielen aber auch noch andere Faktoren wie z. B. die Ernährung eine Rolle. Schlafmittel, schweres Essen und Alkohol machen den Schlaf weniger erholsam oder bringen auf Dauer nicht die erwünschten Ergebnisse. Aber auch Faktoren wie eine unbequeme Matratze oder ständiges Grübeln können für Schlafschwierigkeiten sorgen. Sogar vom Fernsehen lassen sich viele die Schlafenszeit diktieren.
Das Führen eines Schlaftagebuchs oder das Besuchen eines Schlafseminars können über falsche Verhaltensweisen aufklären und auf dem Weg zu einem gesunden Schlaf und damit zu einer besseren Lebensqualität helfen. Eines ist aber sicher, wir brauchen mehr Schlaf. Er ist gut für unser Immunsystem, unser Gedächtnis, unseren ganzen Körper, unser Wohlbefinden und unser Gemüt. Studien zufolge, schläft jede Generation 20-30 Minuten weniger als die vorherige. Gerade deshalb wäre wohl ein demonstratives Mittagsschläfchen am Arbeitsplatz ein wahres Statement zur Aufklärung über die Folgen von Schlafmangel.

Mehr Infos unter:
www.schlafmangel.com
AK-Broschüre zum Download
tinyurl.com/6hut3pz
Konferenz zum Thema Schlaf 2009
tinyurl.com/6grs3e2
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