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Let’s talk about money Viele Frauen wissen schlicht nicht, dass sie seit Jahren weniger verdienen als der Kollege mit dem (fast) gleichen Job. Diese Form der Geheimniskrämerei ist ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur Gleichstellung.

Let’s talk about money

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern gibt es nicht, sagen die Betriebe. Ab 2011 werden sich die großen unter ihnen anschauen müssen, ob das stimmt.

Jahr für Jahr gibt es neue Daten, die immer wieder das gleiche Altbekannte nachweisen: Frauen werden schlechter entlohnt als Männer. Und wie man es auch dreht und wendet: Weder die Arbeitszeit noch die Qualifikation noch andere nachvollziehbare Faktoren können diesen Unterschied ausreichend erklären. Am Schluss bleibt noch immer ein Nachteil von fast 19 Prozent für die Frauen.
Dabei ist der Grundsatz von gleichem Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit schon lange im Gleichbehandlungsgesetz verankert. Wirklichkeit ist er deswegen noch lange nicht. Auch deswegen, weil hierzulande das Reden über Einkommen alles andere als üblich ist. Viele Frauen wissen schlicht nicht, dass sie seit Jahren weniger verdienen als der Kollege mit dem (fast) gleichen Job. Diese Form der Geheimniskrämerei ist ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur Gleichstellung.

Licht ins Gehaltsdunkel

Insofern ist der Ruf nach mehr Licht ins Gehaltsdunkel naheliegend. Ein Blick auf den öffentlichen Bereich unterstützt die Annahme, dass mehr Durchblick letztendlich auch mehr Gleichheit schafft. Die vergleichsweise hohe Einkommens­transparenz führt dazu, dass der Einkommensnachteil von Frauen deutlich geringer ist als in der Privatwirtschaft: Verdienen Frauen arbeitszeitbereinigt im Schnitt aller Branchen 19 Prozent weniger als Männer, sind es im öffentlichen Bereich "nur" neun Prozent. (Quelle: Rechnungshofbericht 2010).

Schweden, du hast es besser

Ein Blick nach Schweden zeigt, dass Einkommenstransparenz ein wirksames Mittel für das Aufspüren von Einkommensunterschieden ist. Obwohl in dem skandinavischen Land nur sechs Prozent des Unterschieds nicht mit objektiven Kriterien erklärbar sind (in Österreich sind es je nach Berechnung zwischen 12 Prozent und 18 Prozent) wollte man dem "unerklärten Rest" nachgehen. Seit 1994 müssen Betriebe in Schweden Erhebungen der Löhne durchführen, die Ursachen für Einkommensunterschiede analysieren und eine Strategie zur Verringerung dieser formulieren.
Die bisher größte Untersuchung der dafür verantwortlichen Ombudsstelle für Gleichstellung erfolgte 2006. Sie umfasste 1.245 Betriebe mit einer Million unselbstständig Beschäftigten - das ist ein Fünftel der schwedischen ArbeitnehmerInnen! In fast der Hälfte der Unternehmen gab es unerklärbare Lohn- und Gehaltsunterschiede, die eine jährliche Summe von 7,2 Millionen Euro (72 Millionen SEK) ausmachten. Die 5.800 von Anpassungen betroffenen ArbeitnehmerInnen waren zu 90 Prozent Frauen. Sie erhielten im Schnitt 100 Euro monatlich, was einer Lohnerhöhung von vier Prozent entsprach.
Damit hat sich das Modell der betrieblichen Berichterstattung als wesentlich wirkungsvoller zur Bekämpfung von Einkommensunterschieden erwiesen als die individuelle Möglichkeit, vor Gericht zu gehen. Die Befürchtung der Unternehmen, die Berichte würden eine Flut von Klagen auslösen, hat sich nicht bewahrheitet.
Der Erfolg dieses Zugangs war verantwortlich, dass sowohl die Frauenministerin als auch die ArbeitnehmerInnen-Vertretungen das schwedische Modell genauer analysierten, um eine mögliche Übernahme für Österreich zu prüfen.

Aktion Einkommensbericht

Der beharrliche Einkommensunterschied und die generelle Benachteiligung von Frauen in Beschäftigung waren die Gründe, dass im Regierungsübereinkommen 2008 ein Nationaler Aktionsplan (NAP) für Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt vereinbart wurde, um konkrete Schritte für die nächsten fünf Jahre zu entwickeln und umzusetzen. Der am 30. Juni 2010 präsentierte NAP enthielt auch einen Sozialpartner-Kompromiss zur Einkommens­transparenz.
Dieser sieht die Verpflichtung für Unternehmen einer bestimmten Größe vor, betriebliche Einkommensanalysen zu erstellen. Sind ab 2011 nur die rund 200 Unternehmen mit mehr als 1.000 ArbeitnehmerInnen davon betroffen, sinkt die Unternehmensgröße schrittweise ab: Ab 2012 trifft die Regelung auch Betriebe mit mehr als 500 ArbeitnehmerInnen, ab 2013 mit mehr als 250 und ab 2014 mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen. Damit liegt die Grenze zwar noch weit über dem schwedischen Vorbild, wo Betriebe ab 25 MitarbeiterInnen Bericht erstatten müssen. Dennoch werden in Österreich im vollen Ausbau rund 2.800 Unternehmen von der neuen Verpflichtung erfasst, die immerhin rund 41 Prozent der ArbeitnehmerInnen beschäftigen.

Durchschnittseinkommen

Die Einkommensberichte müssen zweierlei enthalten: Einerseits muss angegeben werden, wie viele Frauen und Männer in der jeweiligen Entlohnungsstufe beschäftigt sind, andererseits wie hoch das durchschnittliche Gehalt in dieser jeweiligen Stufe getrennt nach Frauen und Männern ist. Zu gliedern sind die Berichte nach kollektivvertraglichen Verwendungsgruppen bzw. Verwendungsgruppenjahren, wenn es diese gibt. Gilt kein Kollektivvertrag, muss das betriebliche Entlohnungsschema herangezogen werden.
Das Durchschnittseinkommen muss jede Form der Entlohnung umfassen, also nicht nur das Grundgehalt, sondern auch Zulagen, Prämien usw. Schließlich geht es um die gesamte Summe dessen, was ArbeitnehmerInnen erhalten. Damit die Arbeitszeit nicht verzerrend wirkt, ist das Einkommen auf Vollzeit hochzurechnen. Wichtig ist, dass die Anonymität gewahrt wird, also keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind.
Die jährlichen Berichte sind dem Zentralbetriebsrat bzw. Betriebsrat zu übermitteln. Gibt es keine Belegschaftsvertretung, müssen die ArbeitnehmerInnen selbst Zugang zum Bericht erhalten.

Humpelnder Schritt nach vorne

Die neue Regelung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn dabei ordentlich gehumpelt wird. So ist im Gegensatz zum schwedischen Modell eine verpflichtende Weitergabe der Berichte an eine Stelle außerhalb des Betriebs ebenso wenig vorgesehen (in Schweden gehen diese an die Ombudsstelle für Gleichbehandlung), wie ein verpflichtender Strategieplan zur Beseitigung von etwaigen Einkommensunterschieden. Auch sind in dieser ersten Phase der Umsetzung keine Sanktionen für Betriebe vorgesehen. Für viel Diskussion hat hingegen gesorgt, dass ArbeitnehmerInnen, die über den Bericht plaudern, bestraft werden können. Diese Regelung stieß auf massiven Widerstand, was zu einer Verzögerung des Gesetzes geführt hat. Diese Strafen sollen nun zwar von 1.500 auf 360 Euro gesenkt werden, der Idee nach mehr Diskussion über Lohn- und Gehaltsfragen entsprechen sie dennoch nicht.
Ergänzend zu den Einkommensberichten ist die Verpflichtung vorgesehen, in Stelleninseraten den kollektivvertraglichen Mindestlohn sowie die Möglichkeit zur Überzahlung anzugeben. Damit erhalten ArbeitnehmerInnen schon bei der Jobsuche mehr Information zum Einkommen. Und schließlich soll es im Zuge von Gleichbehandlungsverfahren möglich sein, im Einzelfall Einkommensdaten von Vergleichspersonen bei der Sozialversicherung einzuholen, um Benachteiligungen beim Entgelt zu überprüfen.
Es handelt sich bei der österreichischen Lösung um einen politischen Kompromiss und eine pragmatische Umsetzung. Das im Gesetz vorgesehene Schema sollte grundlegende Informationen liefern, ohne die Betriebe zu sehr mit zusätzlicher Verwaltung zu belasten. Trotz der vorhandenen Unzulänglichkeiten muss aber zum ersten Mal auf betrieblicher Ebene eine systematische Zusammenschau von Einkommensdaten in Hinblick auf Geschlechterdiskriminierung erfolgen. Neben mehr Transparenz für BetriebsrätInnen und Beschäftigte bringt diese Maßnahme hoffentlich auch eine aktive Auseinandersetzung der Verantwortlichen im Betrieb mit dem Thema Einkommensunterschied.

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