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Handeln ist gefragt Wenn über ein Viertel der 15- bzw. 16-Jährigen nicht sinnerfassend liest, hat das gravierende Auswirkungen auf die zukünftigen Möglichkeiten, am Arbeitsmarkt, aber auch im demokratischen Zusammenleben zu bestehen.

Handeln ist gefragt

Schwerpunkt

Die Ergebnisse der PISA-Studie 2009 haben Eltern, LehrerInnen und an Bildung Interessierte erschüttert. Die Wiener Schulen ziehen Konsequenzen.

Schon zum vierten Mal erschütterten im Dezember 2010 die Ergebnisse der PISA-Studie, die SchülerInnen des Jahrganges 1993 testete, die an Bildung interessierte Bevölkerung in Österreich. Wien wird die langfristigen Bildungsreformen mit aktuellen Maßnahmen kombinieren.
Bildung und Schule sind in Öster­reich zu einem vieldiskutierten Thema geworden - mit ersten Reformschritten. Vor den internationalen Vergleichstests und -studien wurde eine kritische Diskussion stets mit dem Hinweis auf das  "gute heimische Bildungssystem, um das uns alle Länder beneiden", abgewürgt. Jetzt ist Bildung das ganze Jahr lang Thema, aber die Einigungen bei Reformschritten halten sich in Grenzen. Da Veränderungen ihre Zeit brauchen, trifft uns das wiederholt mäßige Abschneiden bei Vergleichen umso härter. So wissen wir vom PISA-Vorreiter Finnland, dass es trotz nationalen Schulterschlusses noch einmal zehn Jahre zur Umsetzung brauchte.

Ein Fünftel RisikoschülerInnen

Seit 2000 belegen verschiedene Studien einen Anteil sogenannter RisikoschülerInnen in Österreich von rund einem Fünftel. Die Lese-Studie PIRLS zeigt 2006, dass etwa 14.000 Kinder pro Jahr die Volksschule mit ernsthaften Leseproblemen verlassen. Bei den PISA-Erhebungen 2000 bis 2006 konnte etwa ein Fünftel der SchülerInnen nur die einfachsten Leseaufgaben mit größerer Wahrscheinlichkeit lösen bzw. nicht einmal das. Gleiches belegt das sogenannte "Salzburger Lesescreening", ein Test zur Früherkennung von Leseschwäche in der Volksschule.

Ergebnisse der PISA-Studie 2009

Einmal mehr fordern die Fakten der PISA-Studie 2009 die politisch Verantwortlichen zum Handeln auf. Sieger und Schlusslichter bei PISA: Bei der Lese­kompetenz haben Südkorea mit 539 Punkten und Finnland mit 536 die Latte für die anderen OECD-Länder hoch gelegt. Schlusslichter in der OECD sind beim Lesen Österreich mit 470 Punkten vor der Türkei (464), Chile (449) und Mexiko (425).
Mit einem Plus von 40 Punkten gegenüber der PISA-Studie 2000 konnte Chile am stärksten die Lesekompetenz seiner SchülerInnen steigern. Deutliche Kompetenzsteigerungen erzielten Israel, Polen und Portugal. Irland ist der PISA-Verlierer schlechthin: 31 Punkte haben die irischen SchülerInnen bei der Lesekompetenz eingebüßt. An zweiter Stelle rangiert Österreich mit einem Minus von 22 Punkten, wobei die OECD aufgrund des SchülerInnenboykotts bei der Testung im Vorjahr keine langfristigen Vergleiche der Österreich-Ergebnisse macht.
Der Zusammenhang zwischen dem sozialen Status der Eltern und den Leistungen der SchülerInnen ist in Österreich besonders hoch: Je höher der Bildungsgrad der Eltern, desto höher sind die PISA-Leistungen der Jugendlichen und umgekehrt. Beim Lesen erreichten Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss 399 Punkte, Kinder von AbsolventInnen einer Berufsbildenden mittleren Schule oder Lehre 455 Punkte, Kinder von MaturantInnen 483 und Kinder von AkademikerInnen 520 Punkte. Weiters erzielten Einheimische (mindestens ein Elternteil in Österreich geboren) 482 Punkte, MigrantInnen der zweiten Generation (Kinder in Österreich geboren, Eltern zugewandert) 427 Punkte und MigrantInnen erster Generation (Kinder im Ausland geboren) 384 Punkte. Österreich gehört neben Italien und Belgien zu den Ländern mit den größten Leistungsunterschieden zwischen Einheimischen und MigrantInnen. Das schlechtere Abschneiden dieser Gruppe hängt mit dem großen Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes der Eltern zusammen, da Kinder mit migrantischem Hintergrund überproportional aus Familien mit geringerer Bildung und geringerem Einkommen stammen.

Chancen unserer Jugend

Bei PISA wird nicht Wissen abgefragt, PISA misst die Voraussetzungen für den Bildungserwerb. Wenn über ein Viertel der 15- bzw. 16-Jährigen nicht sinnerfassend liest, hat das gravierende Auswirkungen auf die zukünftigen Möglichkeiten, am Arbeitsmarkt, aber auch im demokratischen Zusammenleben zu bestehen. Der OECD-Schnitt bei den RisikoschülerInnen in Lesen liegt bei etwa einem Fünftel, in Südkorea und Finnland sind es sechs bzw. acht Prozent. Österreich hat einen überproportional hohen Anteil an Jugendlichen, die in allen drei bzw. in zwei Bereichen zur Risikogruppe gehören. Beim Lesen landen in Österreich fünf Prozent in der Spitzengruppe. Besonders viele Spitzen-LeserInnen gibt es in Neuseeland und Finnland (16 bzw. 15 Prozent). 13 Prozent der SchülerInnen in Österreich landen in Mathematik in der Spitzengruppe, acht Prozent in den Naturwissenschaften. In den PISA-Spitzenländern ist es jeweils über ein Fünftel.

Bildungsreformen als Antworten

Die nächste PISA-Erhebung kommt bestimmt. Schon im Frühjahr 2012 werden die Jugendlichen in der 10. Schulstufe mit dem Schwerpunkt Mathematik getestet. Bildungsreformen wirken langsam und einiges wurde in den vergangenen vier Jahren in Österreich schon angegangen: Aus den internationalen Vergleichsstudien wissen wir, dass Verbesserungen in der frühkindlichen Bildung, in der ganztägigen Betreuung, bei der Abschaffung von zu vielen Auslesestufen in der Bildungslaufbahn und verstärktes Eingehen auf die SchülerInnen als Individuen zu den Merkmalen erfolgreicher Bildungssysteme gehören. Hier wurden mit dem verpflichtenden Kindergartenjahr für Fünfjährige, mit dem Ausbau der Ganztagsschulen und der Einführung der Neuen Mittelschule erste Weichen gestellt. Ein wichtiges Instrument, um Verbesserungen beim Bildungsstand herbeizuführen, sind externe Leistungserhebungen. Die Einführung der Bildungsstandards und der standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung führt zu einem Paradigmenwechsel, indem die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten und die Bewertung des erworbenen Standes an Kompetenzen getrennt werden.

Der Stadtschulrat für Wien handelt

Um die eingeleiteten Bildungsreformen zu beschleunigen, und um gezielt konkrete Schritte für eine Verbesserung der Lesekompetenzen der SchülerInnen in Wien zu setzen, hat der Stadtschulrat für Wien die Initiative nach der Präsentation der Ergebnisse PISA 2009 ergriffen. Zwar weist Wien mit einem hohen Anteil der unter Dreijährigen in den Kindergärten, dem Gratiskindergarten, dem höchsten Angebot an ganztägiger Betreuung in den Schulen, den neuen Campusmodellen für modernes Unterrichten oder der WienerMittelSchule bereits einen hohen Umsetzungsgrad an Reformen auf. Als erstes Bundesland hat Wien bei einer großen PISA-Wien-Konferenz alle beteiligten PartnerInnen zusammengeholt, um eine Reihe von Maßnahmen speziell für den Bereich der Leseförderung vorzustellen.
Ein wichtiger Punkt ist die Einführung externer Lesetests für 10- und 14-jährige SchülerInnen. Wenn Kenntnis darüber besteht, wo der oder die Einzelne wirklich abzuholen ist, werden die einzuleitenden Fördermaßnahmen punktgenau ansetzen. Begleitend wird sich eine "Sonderkommission Lesen" damit beschäftigen, die vielfältig bestehenden Projekte zur Leseförderung zu bündeln. Das breite Angebot dieser Unterstützung für die SchülerInnen soll in Kooperation mit den Eltern und durch Hilfestellungen für die Pädagogen/-innen wirksam eingesetzt werden. Weiters wurde bei der PISA-Wien-Konferenz ein eigener Beirat mit den Sozialpartnern gegründet, um die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Jugendlichen in Wien zu demonstrieren. Der Stadtschulrat für Wien hat neben den langfristigen Initiativen, die durch die Bildungsreformen auf Bundesebene eingeleitet werden, mittel- bis kurzfristige Maßnahmen gesetzt. Denn die Jugendlichen mit fortgeschrittener Schullaufbahn können nicht darauf warten, bis die Wirkungen etwa des verpflichtenden Kindergartenjahres, des Vorschuljahres oder der WienerMittelSchule eintreten. Oder mit den Worten von ÖGB-Präsident Erich Foglar: "Bis diese (= gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen) umgesetzt sei, müssten Sofortmaßnahmen 'verlorene Jahrgänge‘ verhindern." (News, 27.1.2011)

Internet:
Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung
www.bifie.at
Wiener Stadtschulrat
www.wien.gv.at/bildung/stadtschulrat
Österreichischer Buchklub der Jugend
www.lesefit.at

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susanne.schoeberl@ssr-wien.gv.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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