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Bildungs- und Sozialmilliarde rechnet sich Frauen erbringen nach wie vor das Gros unbezahlter Betreuungs- und Versorgungsarbeit. Soziale Dienstleistungen sind der Schlüssel dafür, diese unbezahlte Arbeit in bezahlte umzuwandeln.
Positive Impulse der Bildungs- und Sozialmilliarde

Bildungs- und Sozialmilliarde rechnet sich

Schwerpunkt

Sie ist eine sinnvolle Investition zur langfristigen Entlastung des Budgets.

In der Diskussion um den Sozialstaat gibt eine Wende: Nach jahrelanger Kritik daran wird neuerdings wieder der Ausbau in den Vordergrund gestellt. Vom Forschungsinstitut bis zu den "Altvorderen" konservativer Familienpolitik, von internationaler Seite bis zum österreichischen Wirtschaftsminister lautet die "neue" Empfehlung für die Weiterentwicklung des Sozialstaats: mehr öffentliche Sachleistungen! Statt Geld zu verteilen sollen Dienstleistungen geschaffen werden, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Die öffentliche Hand soll dafür sorgen, dass u. a. flächendeckend und auf höchstmöglichem Niveau Kinder betreut, Kranke gepflegt und Menschen aus- und weitergebildet werden. Das hat eine Reihe von Vorteilen, die immer mehr politische AkteurInnen überzeugen.


Mehr Sachleistungen

Mehr Sachleistungen bringen bessere Ergebnisse. Erstens: Mehr Jobs. Der Ausbau sozialer Dienstleistungen schafft direkt und indirekt neue Beschäftigung; mehr als jede andere Art, allgemeine Steuermittel einzusetzen. Zwar ist die Arbeitslosigkeit wieder rückläufig, von "Vollbeschäftigung" ist Österreich mit mehr als 370.000 Arbeitssuchenden (vorgemerkte Arbeitslose und Personen in Schulungsmaßnahmen) aber weit entfernt. Berücksichtig man die nur moderaten Wachstumsprognosen und die weitere Öffnung des heimischen Arbeitsmarkts ist das Erschließen neuer nachhaltiger Beschäftigungspotenziale unerlässlich.
Zweitens: Mehr Qualität. Wer Leistungen in Auftrag gibt, kann die Standards dafür bestimmen. Hohe Qualität ist unverzichtbar, wenn es z. B. um Frühförderung der Kinder, Versorgung Pflegebedürftiger oder die Qualifizierung Arbeitssuchender geht. Diese Qualität darf nicht dem "freien Markt" überlassen werden, sondern soll von der öffentlichen Hand bestimmt werden.
Drittens: Mehr Gendergerechtigkeit. Frauen erbringen nach wie vor das Gros unbezahlter Betreuungsarbeit. Soziale Dienstleistungen sind der Schlüssel, um diese unbezahlte Arbeit in bezahlte umzuwandeln, und die Qualifikationen der Frauen am Arbeitsmarkt zu nutzen.
Viertens: Mehr Budgetspielraum. Es zahlt sich mittel- und langfristig für das Budget nicht nur aus, diese Zukunftsinvestitionen zu tätigen, dauerhaft übersteigen sogar die Mehreinnahmen v. a. aus der gestiegenen Beschäftigung diese Kosten bei Weitem. Zu schön, um wahr zu sein? Die AK Wien berechnete Kosten und Effekte von drei Maßnahmen zur Umschulung sowie den Ausbau von Kinderbetreuung im Detail. Schon nach vier Jahren rechnen sich die Investitionen mit einem Plus fürs Budget in der Höhe von jährlich 130 Mio. Euro bis zu 800 Mio. nach zehn Jahren. Der Grund: Durch z. B. steigende Beschäftigung in den Maßnahmen selbst (TrainerInnen, Pädagogen/-innen usw.) und durch die Chance der KursteilnehmerInnen bzw. der Personen mit Betreuungspflichten, (wieder) erwerbstätig zu sein, fließen dauerhaft mehr Steuern und  Abgaben ins Budget zurück. Zusätzlich ergeben sich entsprechende Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung, wenn es gelingt, durch die (Höher-)Qualifizierungsprogramme neue Jobs mit vormals Arbeitsuchenden zu besetzen. Diese Effekte gibt es ebenso beim Ausbau von Ganztagsschulen, Pflegeeinrichtungen oder anderen relevanten öffentlichen Beratungs- und Betreuungsangeboten.


Was bisher geschah

Der krisenbedingte Anstieg (z. B. durch Bankenpakete, Konjunkturstützungsmaßnahmen etc.) des Budgetdefizits und der Staatsverschuldung 2009/10 haben den Druck zur Budgetkonsolidierung erhöht. Das schlägt sich auch im aktuellen Budget 2011 nieder. Die Bewertung der einzelnen Maßnahmen fällt zwiespältig aus: Das Ausmaß der Konsolidierung erscheint insgesamt angemessen, es gibt erste positive Weichenstellungen, jedoch auch soziale Härten.
Positiv ist jedenfalls, dass immerhin rund 40 Prozent des Konsolidierungsbedarfs nicht über Sozialkürzungen, sondern über zusätzliche Einnahmen erreicht werden, mit ersten Schritten in Richtung einer höheren Besteuerung von Gewinnen und Erträgen aus Vermögen. Erfreulich ist, dass es trotz des Spardrucks Investitionen in Bereichen wie Ganztagsschule, Forschung und thermische Sanierung gibt. Allerdings sind diese viel zu gering. Gerade einmal 80 Mio. Euro/Jahr bis 2014 für Ganztagsschulen, aber keine Mittel für den Ausbau von Kinderbetreuung und Pflege und das trotz schmerzhafter Kürzungen bei den Geldleistungen.
Hingegen könnten mit einer - ökonomisch und gesellschaftlich sinnvoll investierten - "Bildungs- und Sozialmilliarde" nicht nur bestehende strukturelle Defizite zum Großteil beseitigt werden, sondern auch Beschäftigung für Zehntausende geschaffen werden.
Soziale Dienstleistungen sind dann wirklich wertvoll, wenn sie angeboten werden, wo sie gebraucht werden. Die räumliche Nähe bedeutet einen doppelten Gewinn: Zum einen erhalten die Menschen Unterstützung, Beratung oder Betreuung vor Ort; zum anderen entstehen Arbeitsplätze dort, wo die Leute leben.
Die Gemeinden haben beim Ausbau der verschiedenen Versorgungsangebote eine entscheidende Rolle. Sie sind nicht nur zuständig für soziale Dienstleistungen, sie kennen auch die Verhältnisse und den Bedarf vor Ort am besten. Das größte Problem dabei stellt aber die mangelnde Finanzkraft der meisten (kleinen) Gemeinden dar. Eine ganztägige Kinderbetreuung bereitzustellen, Bildungsmaßnahmen anzubieten und auch noch ein Pflegeheim zu betreiben - nicht selten eine budgetäre und strukturelle Überforderung. Die Lösung: Kooperation! Das betrifft einerseits die Angebote selbst, etwa indem eine Kinderkrippe, ein Pflegeheim usw. gemeinsam betrieben werden; zum anderen könnte auch bei "Hintergrundleistungen" zusammengearbeitet werden, indem zum Beispiel eine Gemeinde die Lohnverrechnung für mehrere übernimmt, während eine andere sich um die Organisation der mobilen Dienste kümmert. So können soziale Dienste bedarfsorientierter und kostengünstiger erbracht werden. Zusätzlich entsteht Beschäftigung vor Ort, was gerade in Regionen, wo sonst gependelt werden müsste, wichtig ist.


Produktiver Sozialstaat

Langsam setzt sich bei den relevanten EntscheidungsträgerInnen die Einschätzung durch, dass der Sozialstaat nicht nur wichtig für eine faire Teilhabe am Wirtschafts- und Gesellschaftsleben ist, er ist auch ein produktiver Faktor. Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Forschung gelten als Maßnahmen, die durch mehr Beschäftigung, höhere Produktivität der Arbeitskräfte und der besseren Nutzung von Fähigkeiten und Talenten mittel- und langfristig die Wohlfahrt erhöhen. Dafür braucht es neben Gestaltungswillen auch entsprechende Budgetmittel. Je schneller diese Zukunftsinvestitionen getätigt werden, umso glaubwürdiger wird die Prognose: Die gute soziale Infrastruktur in Österreich wird zum Standortvorteil und Wachstums- und Beschäftigungsmotor!

Internet:
AK Studie zur Bildungs- und Sozialmilliarde
tinyurl.com/6zpp3lz
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