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Krise im Betrieb Dass die derzeitige Krise keine reine Finanz- oder Wirtschaftskrise ist, sondern eine Verknüpfung dieser beiden Krisenformen darstellt, liegt für die befragten BetriebsrätInnen auf der Hand.
KrisenverursacherInnen

Krise im Betrieb

Schwerpunkt

Eine Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Wahrnehmung der Krise in österreichischen Betrieben.

Sowohl im medialen Diskurs als auch in verschiedenen Wissenschaften wurden in den vergangenen Jahren Analysen über die ökonomischen Ursachen und Auswirkungen der Krise erstellt. Doch was glauben die Betroffenen? Eine im Herbst 2010 mit knapp 100 österreichischen BetriebsrätInnen durchgeführte, quantitativ angelegte Studie versuchte aus Sicht der Betroffenen Antworten auf folgende Fragen zu finden:
Mit welcher Art von Krise haben wir es überhaupt zu tun? Wer hat die Krise (mit-)verursacht? Wer wird die Hauptlast der Krisenbewältigung zu tragen haben? Welche weitreichenden (politischen) Konsequenzen könnten sich aus der Krise ergeben?
 

Krisenbewusstsein …

Dass die derzeitige Krise keine reine Finanz- oder Wirtschaftskrise ist, sondern eine Verknüpfung dieser beiden Krisenformen darstellt, liegt für die befragten BetriebsrätInnen auf der Hand. Ein Großteil ortet jedoch die VerursacherInnen der Krise eher in der Finanzwelt: 96,9 Prozent sehen die Banken und die FinanzspekulantInnen und 91,5 Prozent die Rating-Agenturen als HauptverursacherInnen der Krise an. Knapp drei Viertel der Befragten geben internationalen Unternehmen sowie dem Wirtschaftssystem im Allgemeinen Schuld an der Krise. Nur 52,6 Prozent sind der Meinung, dass verschuldete Staaten die Krise verursacht haben. (Siehe Tabelle) 

Schlechtes Zeugnis für die Politik

Die bisher getätigten Krisenbewältigungsmaßnahmen werden von den BetriebsrätInnen ambivalent beurteilt. ArbeitnehmerInnenfreundliche Maßnahmen, wie die Investition in bzw. die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen (92,6 Prozent Zustimmung), Umschulungsmaßnahmen (81,9 Prozent Zustimmung) oder Kurzarbeitsregelungen (67,7 Prozent Zustimmung) werden erwartungsgemäß für sinnvoll erachtet. NichtarbeitnehmerInnenfreundliche Maßnahmen, wie Zwangsurlaube (49,5 Prozent Ablehnung) oder Kündigungen (86,3 Prozent Ablehnung) werden nicht goutiert. Maßnahmen, wie das Bankenrettungspaket oder die Verschrottungsprämie, die sich nicht direkt am Arbeitsplatz auswirken, werden weder besonders stark befürwortet noch besonders stark abgelehnt.
Ob das "Sparpaket" der Regierung für die BetriebsrätInnen Sinn macht, konnte nicht erfragt werden, da das Budget erst im Dezember 2010 veröffentlicht wurde und die Befragung vorher durchgeführt wurde. Allerdings lässt sich sagen, dass nur wenige Befragte mit der Leistung der Politik zu Zeiten der Krise zufrieden sind. Über 60 Prozent sind der Meinung, dass PolitikerInnen noch nicht genügend getan haben, um die Auswirkungen der Krise ausreichend abzufedern. Trotz dieses schlechten Zeugnisses für die Politik wird sich jedoch, laut eigenen Angaben, an der politischen Einstellung der Befragten durch die Krise kaum etwas ändern.
Hinsichtlich der politischen Folgen der Krise ergibt sich für viele der Befragten ein recht düsteres Bild: Über 80 Prozent glauben, dass durch die Krise extreme Parteien gestärkt werden. Über 60 Prozent sind darüber hinaus der Meinung, dass der soziale Friede in Österreich gefährdet wäre, und dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zunehmend schwinde.
 

… und Krisenbetroffenheit

Die Einstellungen hinsichtlich der Ursachen und Auswirkungen der Krise lassen sich teilweise durch die hohe Krisenbetroffenheit der Befragten erklären. Fast die Hälfte der BetriebsrätInnen geben an, persönlich von der Krise betroffen gewesen zu sein, bei knapp 60 Prozent waren Personen aus ihren Betrieben Leidtragende der Krise. Die meisten BetriebsrätInnen spürten die Krisenauswirkungen in Folge von Kurzarbeit, Lohneinbußen sowie fallenden Zinsen. Kündigungen trafen meist eher die MitarbeiterInnen.
Zusätzlich zu diesen direkten beruflichen Auswirkungen sind sich beinahe alle Befragten darüber einig, dass jeder und jede indirekt "die Krise zahlen muss". Am meisten werden sie nach eigenen Angaben von höheren Abgaben und Einsparungen im Familien- und Sozialbereich betroffen sein.
Die wenigsten der Befragten empfinden jedoch die Verteilung der Krisenkosten als sozial gerecht. Knapp 80 Prozent würden am liebsten die Reichen und Vermögenden zur Kasse bitten. Mehr als zwei Drittel würden es befürworten, wenn VertreterInnen der Finanzwirtschaft die Auswirkungen der Krise zahlen würden. In Kenntnis des österreichischen politischen Systems glauben aber knapp 90 Prozent, dass die ArbeitnehmerInnen, sowie knapp 75 Prozent, dass mittlere EinkommensbezieherInnen die Krisenkosten tragen werden müssen. Weniger als zehn Prozent sind der Meinung, dass Reiche und Vermögende wirklich einen gerechten Beitrag zur Krisenbewältigung leisten müssen.
 

Verunsicherung über die Krise hinaus

Diese negativen Einschätzungen hinsichtlich der Krise (wie die allgemeine Skepsis gegenüber der Rolle der Politik oder die als sozial ungerecht titulierte Verteilung der Krisenkosten) kommen allerdings nicht aus heiterem Himmel. Zunehmende soziale Verunsicherung sowie abnehmendes Vertrauen in Politik und Institutionen halten nicht erst seit der Krise Einzug in die österreichische Gesellschaft. Auch die befragten BetriebsrätInnen sind stark skeptisch gegenüber den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Einige Zahlen seien hier kurz genannt:
Über 60 Prozent der Befragten sorgen sich wegen der Stabilität des Pensions- und Gesundheitssystems sowie der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich. Ebenso viele haben Angst vor zunehmenden sozialen und politischen Spaltungen. Weniger als 30 Prozent haben Vertrauen in die Regierung. Auch das Vertrauen in die meisten Parteien (mit Ausnahme der SPÖ) ist ziemlich gering. Die einzigen Institutionen, in die die BetriebsrätInnen erwartungsgemäß noch vertrauen, sind die Arbeiterkammer sowie der ÖGB (über 80 Prozent Vertrauen). Dennoch überwiegt bei den meisten Befragten ein Gefühl der Machtlosigkeit: Knapp die Hälfte der Befragten glaubt nicht (mehr) daran, dass die Politik noch handlungsfähig gegenüber transnational agierenden Akteuren ist.
Dieses Gefühl der Verunsicherung und der Ohnmacht paart sich zunehmend mit einer Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen in Österreich: Über 95 Prozent sind der Meinung, der gesellschaftliche Reichtum könne gerechter verteilt werden. Über 70 Prozent glauben, in Österreich gäbe es keine soziale Mitte mehr, sondern nur noch "oben" und "unten". 70 Prozent geben des Weiteren an, dass sich, ihrer Meinung nach, in Österreich eine "egoistische Ellbogen-Mentalität" durchgesetzt habe.
 

Was tun?

Solche negativen Zukunftsperspektiven können Resignation auslösen, aber auch Räume eröffnen, die Politik neu zu gestalten. Zurückkommend auf die aktuelle Krise haben die befragten BetriebsrätInnen hier einige Ideen anzubieten: Ein gerechteres Steuersystem müsse her und zwar eines, das die NiedrigverdienerInnen sowie den Mittelstand entlaste und eine Vermögens- und Stiftungssteuer beinhalte. Es müssten mehr Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales getätigt werden. Darüber hinaus brauche es eine Steuer auf Finanztransaktionen. Und wenn all dies nicht in Angriff genommen werde, bleibt für die Befragten immer noch die Variante des "Protestes von unten": Über 90 Prozent sind bereit, an Protestkundgebungen, sowie knapp 70 Prozent an Streikmaßnahmen teilzunehmen.

Internet:
Diplomarbeit ab April zum Download:
othes.univie.ac.atSchreiben Sie Ihre Meinung
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