topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Wo steht Österreich? Bedenkt man die großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Österreich (in der EU sind sie nur in Estland größer), so ist auch der 21. Rang in der Kategorie soziale Kohäsion und Gleichheit wenig verwunderlich.
Soziale Gerechtigkeit in der OECD

Wo steht Österreich?

Schwerpunkt

Vor kurzem wurde eine länderübergreifende Studie zu sozialer Gerechtigkeit in der OECD präsentiert.

Die deutsche Bertelsmannstiftung hat vor kurzem eine länderübergreifende Studie zum Thema soziale Gerechtigkeit publiziert. Dabei bediente sie sich der Daten der OECD, einer Vereinigung der v. a. westliche Industriestaaten angehören und wo daher ein Ländervergleich Sinn macht. Zusätzlich wurden rund 70 internationale ExpertInnen um ihre Einschätzungen gebeten, die in die Ergebnisse eingeflossen sind.

Messung sozialer Gerechtigkeit

Soziale Gerechtigkeit ist grundsätzlich schwer zu erfassen und noch schwerer zwischen Ländern zu vergleichen. Tut man das trotzdem, muss man sich über die Unschärfen im Klaren sein. Daher ist es notwendig, solchen Vergleichen mit grundlegender Skepsis zu begegnen.
Trotzdem ist das in der Studie der Bertelsmannstiftung verwendete Konzept eine sinnvolle Annäherung an den Begriff der sozialen Gerechtigkeit, wenn auch nicht ohne Schwächen. In der vorliegenden Studie liegt das Hauptaugenmerk bei der Schaffung von Chancengleichheit und nicht so sehr beim Ausgleich von Ungleichheit. Es sollte verglichen werden, inwieweit Staaten in der Lage sind, ihren BügerInnen - unabhängig von ihren persönlichen und sozialen Voraussetzungen - gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Und zwar über das Instrument der staatlichen Umverteilung. Dabei wird hervorgestrichen, dass es nicht darum gehen kann, dass ein sogenannter "Nachtwächterstaat" auf staatliche Eingriffe verzichtet, um den Menschen größtmögliche Handlungsfreiheit zu gewähren. Vielmehr, betonen die AutorInnen, kann soziale Gerechtigkeit nur von einem starken Staat über Umverteilung und Schaffung von Chancengleichheit erreicht werden.

Armutsvermeidung, Bildungszugang

In der Studie werden die Bereiche Armutsvermeidung, Zugang zu Bildung, Inklusion in den Arbeitsmarkt, soziale Kohäsion und Gleichheit sowie Generationengerechtigkeit zur Messung von sozialer Gerechtigkeit herangezogen. Dabei wird der Armutsvermeidung und dem Bildungszugang bei der Gewichtung der höchste Stellenwert zugeschrieben, da die StudienautorInnen diese beiden Indikatoren als Grundvoraussetzung für eine gerechte Gesellschaft betrachten. Das Ergebnis der Studie weist Österreich bei etwas kritischerem Hinsehen kein besonders gutes Zeugnis aus. Im Vergleich von insgesamt 31 OECD-Staaten reicht es für den neunten Rang. Man könnte nun zu dem etwas voreiligen Schluss kommen, dass diese Platzierung als Erfolg zu werten ist. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass jene westlichen Wohlfahrtsstaaten, die hierzulande für Vergleiche in der Regel herangezogen meist vor Österreich liegen. Die hinteren Ränge werden hauptsächlich von Staaten belegt, über deren ausgleichendes Sozialsystem (zu Recht) selten gesprochen wird: Mittel- und osteuropäische Staaten mit starker Wettbewerbsorientierung wie Ungarn, Polen oder die Slowakei, Staaten mit tendenziell liberalen, wenig egalitären Systemen wie Großbritannien, Australien oder die USA und sogenannte Schwellenländer, deren Sozialschutz (noch) nicht an jenen westlicher Wohlfahrtsstaaten heranreicht, wie Chile, Mexiko oder die Türkei.
Die vordersten Ränge und damit das höchste Maß sozialer Gerechtigkeit erreichen die nordischen Staaten Island, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland, laut StudienautorInnen eine "Klasse für sich". Ebenfalls besser als Österreich werden die Niederlande, die Schweiz und Frankreich eingestuft. Lediglich Luxemburg (14. Stelle), Deutschland (15.) und Belgien (16.) erreichen unten den kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten schlechtere Werte.

Gut in Armutsbekämpfung

In der Bekämpfung von Armut kann Österreich im Vergleich gute Werte für sich in Anspruch nehmen. Gemessen daran wie groß der Anteil jener Personen ist, die von weniger als 50 Prozent des Medianeinkommens leben müssen, gibt es nur drei OECD-Länder in denen ein geringerer Teil der Bevölkerung betroffen ist. Ähnlich positiv stellt sich die Situation in der Vermeidung von Kinderarmut dar. Trotz dieser Ergebnisse gibt es auch hierzulande Potenzial für Verbesserungen in der Armutsbekämpfung. Daran ändert ein guter Wert im internationalen Vergleich wenig. Spitzenplätze belegt Österreich auch in den Bereichen niedrige Arbeitslosigkeit insgesamt und niedrige Zahl von Langzeitarbeitslosen im Speziellen. Allerdings landet Österreich in der Kategorie Arbeitsmarktinklusion insgesamt - nicht zuletzt aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Erwerbsbeteiligung älterer Personen - nur im Mittelfeld (Rang zehn).

Wenig durchlässiges Bildungssystem

Wenig überraschend ist die schlechte Beurteilung Österreichs in der Durchlässigkeit des Bildungssystems. Nur in sieben von 31 OECD-Staaten gibt es einen deutlicheren Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen. Weit besser als Österreich schneidet übrigens auch ein Land ab, über dessen Schulsystem immer wieder die Nase gerümpft wird - die USA.
Bedenkt man die großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Österreich (in der EU sind sie nur in Estland größer), so ist auch der 21. Rang in der Kategorie soziale Kohäsion und Gleichheit wenig verwunderlich.
Es gibt zweifellos viele Indikatoren, die in einem Konzept von sozialer Gerechtigkeit eine Existenzberechtigung hätten. Einige sehr wichtige haben in die Studie leider keinen Eingang gefunden. Dazu zählten vor allem der Zugang und die Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems. Eine Gesundheitsversorgung, die sehr von den finanziellen Möglichkeiten der oder des Einzelnen abhängt, ist ein starker Indikator für soziale Ungerechtigkeit. Die USA sind ein gutes Beispiel dafür.
Auch der Beitrag den die öffentlichen Pensionen zur Vermeidung von Altersarmut leisten kann als Gerechtigkeitskriterium dienen. Es ist vielen wirtschaftlich schlechter gestellten Personen aufgrund ihres niedrigen Einkommens nicht möglich, sich zusätzlich privat zu versichern. Diese Menschen sind auf die Leistungen des öffentlichen Pensionssystems angewiesen, um im Alter keine allzu großen Einschnitte in ihrem Lebensstandard hinnehmen zu müssen. Würden die beiden genannten Indikatoren in der Studie der Bertelsmannstiftung Berücksichtigung finden, hätte Österreich im OECD-Vergleich wahrscheinlich eine bessere Platzierung erreicht.

Internet:
Bertelsmann-Studie zur sozialen Gerechtigkeit
tinyurl.com/3484t5qSchreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
norman.wagner@akwien.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

Info&News
Die Studie der Bertelmannstiftung stellt Österreich im OECD-Vergleich nur ein mittelmäßiges Zeugnis im Bereich der sozialen Gerechtigkeit aus. Die in der Studie am besten bewerteten Staaten sind die nordischen: Island, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Die Ergebnisse scheinen durchaus plausibel, sollten aber auch nicht überbewertet werden, weder im Positiven noch im Negativen.

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum