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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Ohne Grenzen

Meinung

Mein erster echter Arbeitsplatz war in Bratislava - vor 21 Jahren. Die Grenzen waren eben erst geöffnet worden.

Allerdings noch nicht alle und vor allem nicht in allen Köpfen, sonst hätte es in Öster-reich wohl kein Rundfunkmonopol mehr gegeben, und Radio CD hätte sein Radioprogramm nicht aus dem Gerade-nicht-mehr-Ostblockstaat senden müssen. So kam es aber, dass wir jungen Menschen ein Land im Umbruch erlebten, wann immer wir unseren Dienst jenseits der Grenze, die kurz zuvor noch ein eiserner Vorhang gewesen war, antraten. Und während wir nur wenige waren, die zur Arbeit Richtung Osten fuhren, kamen uns von dort nach und nach immer mehr entgegen, die ihr Glück im Westen suchten.

Fremde Welt vor der Haustüre

So jung wie wir waren auch unsere slowakischen KollegInnen im Slovensky Rozhlas, die uns mit herzlichem Ahoj willkommen hießen. Das Grab von Jim Morrison, Venedig, Interrailreisen, Musikfestivals, Amsterdam - Musik, Filme, Werbungen, all diese für uns selbstverständlichen Bestandteile der Jugend waren ihnen aber erst jetzt zugänglich. Im staatlichen Rundfunkgebäude wirkten wir bunter Haufen aus dem Westen wohl ziemlich befremdlich. Und fremd war die Welt dort drüben auch für uns, alles schien grau in grau, kaum Plakatwerbung schmückte die Straßen, Lokale und Geschäfte wirkten nicht gerade einladend. Es war eine andere Welt, nur eine Stunde von Wien entfernt, quasi vor der Haustüre.
Einst hatte die Pressburger Bahn Wien und Bratislava verbunden; in den 1990ern führte uns der Weg in die Arbeit zu einem guten Teil über die Bundesstraße, stets besorgt um die Wartezeiten an der Grenze, die schon die eine oder andere Sendung gefährdet hatten. Ganz zu schweigen von den Studiogästen, die an der Grenze umkehren mussten, weil ohne oder mit abgelaufenem Pass unterwegs.
Unser Gastgeberland war ein Land im Umbruch, noch mehr Planwirtschaft als Marktwirtschaft, Wagemutige und Apparatschicks, Privatpolizei und rechte Marschierer, der Papst kam zu Besuch, und die alt gewordene Rockband "Sweet" spielte am 1. Mai im Herzen der Stadt. Und dann die Trennung, die Slowakei wurde ein eigener Staat.
Fast alle der slowakischen KollegInnen wussten die Chance zu nutzen, die ihnen die Verbindung in den Westen bot, schnell lernten sie Deutsch, während wir nur das Nötigste in der Sprache unseres Gastlandes radebrechen konnten. Als wir schließlich zum 15. Jahrestag der Gründung von Radio CD wieder an unseren Arbeitsplatz reisten, hatte sich die Stadt gewaltig verändert.
Das graue Bratislava wirkte wie ein schmuckes italienisches Städtchen, Plakate, Reklame, Boutiquen, Straßenmusik. Die Slowakei war jetzt in der Europäischen Union.
 

In Europa angekommen

Am 1. Mai wird der junge Staat dann endlich ganz in der EU angekommen sein. Die siebenjährige Übergangsfrist ist vorbei, der Arbeitsmarkt ist offen. Für meine KollegInnen von einst ändert das nur wenig, die in den Westen wollten sind schon längst hier angekommen, und manche von ihnen sind sogar schon wieder zurückgegangen in die Heimat und haben dort Karriere gemacht. Denn daheim ist es doch am schönsten, meinen sie.
Übers Internet bin ich mit einigen von ihnen in Kontakt, dort gibt es ja kaum Grenzen. Und auf der Landkarte und dem Papier, am Arbeitsmarkt und in Europa immer weniger. Und das gefällt mir. Ahoj.

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